Chronologie April 1996

zusammengestellt von Melanie Hillmann

01.04.:

• In Stuttgart werden vier Kurden wegen versuchten Mordes und versuchter Brandstiftung zu Jugendstrafen zwischen drei und dreieinhalb Jahren verurteilt. DieMänner hatten im Juli 1995 zwei Molotow-Cocktails auf ein türkisches Wohn- und Geschäftshaus in Ludwigsburg geschleudert.

02.04.:

• Der Libanon stimmt der Auslieferung des Palästinensers Jasser Chreidi an die Bundesrepublik zu. Chreidi wird der Terroranschlag auf die Berliner Diskothek ”La Belle” 1986 zur Last gelegt. Am 23.5. wird Chreidi ausgeliefert.

03.04.:

• Im Prozeß um den Anschlag auf das ”Maison de France” 1983 in Berlin wird der Hauptangeklagte Johannes Weinrich vonzwei Mitangeklagten schwer belastet. Sie geben an, Weinrich am Tag des Anschlages Sprengstoff ausgehändigt zu haben. Am 8.6. erklärt ein Berliner Justizsprecher, Weinrich sei nunmehr auch dringend verdächtig, im Dezember 1993 zwei Sprengstoffattentate in Marseille verübt zu haben.

08.04.:

• In Hürth bei Köln wird von Beamten eines Sondereinsatzkommandos ein 51jähriger geistig behinderter Mann erschossen. Beim Versuch ihn festzunehmen, hatte er die Polizisten mit zwei Säbeln bedroht.

09.04.:

Das Oberlandesgericht in Rostock lehnt einen Klageerzwingungsantrag gegen GSG-9-Beamte wegen der Tötung des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams 1993 ab. Der Antrag der Eltern Grams wird verworfen, da das Gericht von Selbstmord ausgeht. Am 3.5. reichen die Eltern Verfassungsbeschwerde ein.

11.04.:

• Vor dem Berliner Landgericht beginnt der Prozeß gegen die frühere Vize-DDR-Finanzministerin Herta König und zwei weiteren Frauen. Ihnen wird die Veruntreuung von mehr als zwölf Milliarden Mark zugunsten der KoKo-Firmen Alexander Schalck-Golodkowskis vorgeworfen. Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück. Am 23.5. wird der Haftbefehl gegen die Frauen aufgehoben. Sie werden am 25.6. freigesprochen.

• Die Bundesregierung erklärt, daß im vergangenen Jahr 30.252 Flüchtlinge abgeschoben worden sind.

• Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt die Verurteilung der Terroristin Sieglinde Hofmann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Damit ist das Urteil von September 1995 rechtskräftig (Az.: 3 StR 51/96).

12.04.:

• Ein pensionierter Polizeibeamter deckt auf, daß rumänische Abschiebehäftlinge in Berlin zwischen 1990 und 1994 in lumpenähnliche Trainingsanzüge gekleidet wurden. Hintergrund der Affäre sind angebliche Selbstverletzungsversuche der RumänInnen, um in ein Krankenhaus verlegt zu werden. Sie hofften, auf diese Weise leichter fliehen zu können.

14.04.:

• Atomkraftgegner besetzen in Dannenberg trotz Versammlungsverbotes die Bahngleise des Castor-Transportes. Die Polizei greift mit Wasserwerfern ein, als die Demonstranten versuchen, die Schienenanzusägen. Am Abend des 16.4. wird die Bahnstrecke teilweise zerstört. Der Atommülltransport ins Zwischenlager Gorleben wird zunächst verhindert. Nachdem in den folgenden Tagen erneut Teile der Bahnstrecke nach Gorleben beschädigt werden, kündigt Innenminister Kanther ein schärferes Vorgehen gegen die Atomgegner an. Die Präsenz des Bundesgrenzschutzes entlang der Strecke wird verstärkt. Am 2.5. verhängt der Landkreis Lüchow-Dannenberg für den Kreis Gorleben ein Demonstrations- und Versammlungsverbot. Am 6.5. setzt sich derCastor-Transport in Frankreich in Bewegung.

• Am 8.5. erreicht der Behälter, nach weiteren erbitterten Auseinandersetzungen die Anlage in Gorleben. Rund 20.000 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz sind im Einsatz. Nach Angaben des niedersächischen Innenministers Gerhard Glogowski (SPD) kostet der Polizeieinsatz über 90 Mio. DM.

15.04.:

• Vor dem Berliner Landgericht beginnt der Prozeß gegen sechs, als ”Tunnelgangster” bekanntgewordene mutmaßliche Bankräuber. Nach einem Banküberfall mit Geiselnahme waren die Täter im Juni 1995 mit rund 16,3 Millionen DM durch einen Tunnel zunächst entkommen. Am 20.6. verurteilt das Gericht einen der Männer zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren, zugleich gewährt ihm das Gericht aufgrund einer einjährigen Untersuchungshaft Haftverschonung.

17.04.:

• Die Bundesrepublik beteiligt sich mit 150 Polizisten an der internationalen zivilen Polizeitruppe der UN in Bosnien-Herzegowina.

20.04.:

• Bei rechtsradikalen Feiern zum Geburtstag Adolf Hitlers kommt es in mehreren Städten zu Festnahmen von randalierenden Rechtsradikalen. Von mehreren Jugendlichen wird in Erfurt ein Angolaner zusammengeschlagen.

23.04.:

• Innenminister Manfred Püchel (SPD) legt den Verfassungsschutzbericht Sachsen-Anhalts für 1995 vor. Darin wird die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten in Sachsen-Anhalt mit 849 angegeben, von denen 76 gegen Ausländer gerichtet waren. Der linken Szene werden 116 Straftaten zugeordnet.

24.04.:

• In Berlin wird ein 47jähriger Mann zu zwei Jahren und sechs MonatenFreiheitsstrafe wegen Urkundenfälschung, falscher Verdächtigung und Verleumdung verurteilt. Er hatte 1995 mit einem gefälschten Schreiben an das Oberlandesgericht in Düsseldorf einen türkischen Kaufmann als Täter des Brandanschlages in Solingen bezichtigt.

26.04.:

• Der Hamburger Millionär Jan Phillipp Reemtsma wird nach 33 Tagen Entführung wieder freigelassen. Am 22.5. entdeckt die Polizei das Versteck, in dem Reemtsma gefangengehalten wurde. In Südostspanien wird am 26.5. einer der mutmaßlichen Entführer festgenommen. Drei Tage später wird ein weiterer mutmaßlicher Komplize in Malaga gefaßt.

29.04.:

• Vor dem Hamburger Oberlandesgericht beginnt der Prozeß gegen Souhaila Andrawes Sajeh, die einzige überlebende Entführerin der Lufthansa-Maschine ”Landshut” im Jahre 1977.

• Nach zwölfmonatiger Verhandlung einigen sich die Koalitionsparteien auf eine Novellierung des Ausländerrechtes. In Deutschland straffällig gewordene Ausländer sollen danach künftig bei einer dreijährigen Haftstrafe auch dann abgeschoben werden, wenn ihnen im Herkunftsland politische Verfolgung droht.

30.04.:

• Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Berlin hebt in einer Grundsatzentscheidung zwei Urteile des Oberverwaltungsgerichtes Schleswig auf, wonach Kurden aus dem Südosten der Türkei automatisch einen Asylanspruch besitzen sollten. Bei Asylanträgen, so das BVerwG, müsse jeder Einzelfall geprüft werden. (Az.: BVerwG 9C 170/95, BVerwG 9C 171/95)

Melanie Hillmann ist Studentin am ”Otto-Suhr-Institut” der ”Freien Universität Berlin”