Zusammenarbeit mit den USA

Im Zusammenhang mit der Strafverfolgung und der Terrorismusbekämpfung solle die EU ihre Datenschutzbestimmungen überdenken. Das ist eine von über 40 Forderungen, die US-Präsident George W. Bush am 16. Oktober in einem Brief an den Präsidenten der EU-Kommission erhoben hat. Neben dem weiteren Abbau des Datenschutzes will Bush u.a. eine schnelle und informelle Kooperation von Polizei- und Justizbehörden beider Seiten – inklusive Europol und Eurojust. Dringende Rechtshilfegesuche sollen „wenn irgend möglich“ mündlich gestellt werden können, die schriftliche Fassung könne nachgeliefert werden. Die USA möchten beim EU-Haftbefehl einbezogen werden.

Die EU soll nach Meinung Bushs über „Alternativen“ zur Auslieferung nachdenken. Ausweisungen und Abschiebungen seien „effizienter“. Letzteres ist sicherlich vom US-Standpunkt aus betrachtet richtig. Denn tatsächlich dürfte kein Gericht eines EU-Staates die Auslieferung einer Person zulassen, der in den USA die Todesstrafe droht. Von diesem eigentlichen Hindernis der justiziellen Kooperation mit den USA ist im Brief ihres Präsidenten verständlicherweise nicht die Rede.

Bush kann damit rechnen, dass die EU seine Ansinnen, so skandalös sie auch sein mögen, wohlwollend prüfen wird. Bereits an seiner Sonder¬sitzung in Brüssel am 20. September hat der Rat der Innen- und JustizministerInnen den polizeilichen und justiziellen Stellen in der EU eine enge Abstimmung mit den US-PartnerInnen verordnet. So traf sich das neugeschaffene Terrorismus-Expertenteam von EUROPOL, dem auch geheimdienstliche Verbindungsbeamte aus den Mitgliedstaaten angehören, unverzüglich mit seinen US-KollegInnen, um „alle Aspekte der ter-roristischen Bedrohung“ zu evaluieren. EUROPOL, so hatte der Rat be¬schlossen, solle noch, bevor die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind, eine informelle Zusammenarbeit mit den USA aufbauen.
Inzwischen hat man begonnen, die rechtlichen Grundlagen nachzuschieben. Am 6. Dezember haben Europol und das US-Außenministeri¬um ein erstes Abkommen unterzeichnet, das einen Austausch von strategischen Daten und Analysen über sämtliche Bereiche des Europol-Mandates beinhaltet. Wenn letzteres erweitert wird, wird auch der Gegenstandsbereich der Zusammenarbeit mit den USA ausgedehnt. Die Weitergabe von Informationen über „identifizierte“ oder „identifizierbare“ Personen ist von diesem Abkommen nicht gedeckt. Ob sie im Rahmen der informellen Kooperation vonstatten geht, lässt sich naturgemäß nicht sagen. Dieses erste Abkommen sieht bereits die Möglichkeit der Entsendung von Verbindungsbeamten vor.
Ebenfalls am 6. Dezember erteilte der Rat dem Europol-Direktor das Mandat für Verhandlungen über einen zweiten Vertrag, der dann auch den Austausch personenbezogener Informationen rechtlich absegnen wird. Die Gemeinsame Kontrollinstanz (GKI) hatte zuvor eine für ihre Verhältnisse kritische Stellungnahme abgegeben, in der sie insbesondere die Gefahr unterstreicht, dass an die US-Behörden weitergegebene Informationen im Gewirr der Polizeien der Bundesstaaten oder gar bei Behörden anderer Länder landen könnten. Querstellen konnte sich die GKI aber nicht.
Dem EU-Anti-Terror-Fahrplan, in dem die „Stärkung der Partnerschaft mit den USA“ auf Platz 2 der 66 Punkte umfassenden Liste steht, ist zu entnehmen, dass auch EUROJUST „die Zusammenarbeit mit den für die Terrorismusbekämpfung spezialisierten US-Justizbehörden inten¬sivieren“ soll – und zwar „sofort“. Am 19. November führte eine Delegation des Gremiums in Washington entsprechende Verhandlungen. Die USA sollen eine „Kontaktstelle“ für Eurojust bestimmen, um die Rechtshilfe zu beschleunigen. Ebenfalls „sofort“ soll ein Abkommen mit den USA über die Rechtshilfe in Strafsachen ausgehandelt werden. Bis Ende des Jahres werden dazu drei Treffen stattgefunden haben.
Hinzuzufügen bleibt, dass EU und USA auch über eine „intensivere Kooperation“ in Fragen der „illegalen Einwanderung“, der Visa-Vergabe und der Dokumentenfälschung verhandeln. Federführend ist hierfür der „Strategische Ausschuss“. Parallel hierzu finden transatlantische Konsultationen statt. Grundsätzliche Übereinstimmung herrschte bei der intensivierten Nutzung von (grenz)polizeilichen Verbindungsbeamten und bei gemeinsamen Projekten im Bereich von Außengrenzkontrollen.

(Heiner Busch)