Der Input von Daten ins SIS sei zu verbessern. Diese Forderung findet sich unter Punkt 45 des Anti-Terror-Fahrplans der EU.[1] Was damit gemeint ist, ergibt sich aus einem Vorschlag der belgischen Präsidentschaft vom 15. Oktober dieses Jahres, der von der SIS-Arbeitsgruppe bereits zustimmend zur Kenntnis genommen wurde.[2]
Zum einen soll der technische Umbau des SIS zu einem „SIS der zweiten Generation“ dazu genutzt werden, das System um eine Visa-Datei zu ergänzen. Ausschreibungen von BürgerInnen aus Nicht-EU-Staaten nach Art. 96 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) bilden bereits heute zwischen 80 und 90 Prozent sämtlicher in diesem System enthaltenen Personendaten. In Zukunft wären nach dem belgischen Vorschlag aber nicht nur diejenigen Drittstaatsangehörigen im SIS zu speichern, die abgeschoben oder an den Grenzen zurückgewiesen werden sollen, sondern auch alle, die in die EU einreisen. Solange das Visum gültig ist, bliebe der Eintrag blind, d.h. er könnte bei einer Abfrage des Systems von der kontrollierenden Beamtin oder dem Beamten nicht eingesehen werden. Mit dem Ablauf der Gültigkeit würde die Ausschreibung automatisch aktiviert, es sei denn, es läge eine Meldung über die Ausreise der betroffenen Person vor.
Ziel der Übung ist die „Kontrolle der Migrationsströme“. Ihr Effekt wird dagegen eine absurde und unkontrollierbare Datenflut sein. Die Speicherung kann für die Betroffenen ernste Konsequenzen haben. Wenn sie nämlich bei der Ausreise nicht kontrolliert werden, würde auch keine Austragung aus dem SIS erfolgen. Der Eintrag bliebe aktiv und würde dementsprechend auch dafür sorgen, dass sie bei einem neuerlichen Visumsantrag unweigerlich eine Absage erhielten. Auch diejenigen, deren Aufenthaltsgenehmigung verlängert wird, wären davon abhängig, dass die zuständige Ausländerbehörde diese Verlängerung an die SIRENE, d.h. an die für die Eingabe von Daten ins SIS verantwortliche nationale Stelle meldet.
Der zweite Teil des belgischen Vorschlags zielt darauf ab, „potenziell gefährliche Personen von der Teilnahme an bestimmten Ereignissen“ abzuhalten. Um dies zu erreichen, sollen die „violent troublemakers“ zur polizeilichen Beobachtung nach Art. 99 SDÜ ausgeschrieben werden. „So könnte ein gewalttätiger Fußballfan … daran gehindert werden, ein Fußballspiel zu besuchen. Die Maßnahme könnte auch auf gewaltbereite DemonstrantInnen ausgedehnt werden.“ Schon nach den Protesten beim EU-Gipfel in Göteborg gab es Hinweise darauf, dass das SIS zur Durchsetzung von Ausreise- oder Einreiseverboten genutzt wurde. Jetzt soll diese Praxis definitiv im SDÜ festgeschrieben werden. Die „Gewalttäterdateien“ des Bundeskriminalamts hätten damit auch eine EU-Entsprechung.
Kein Wunder, dass die SIS-Arbeitsgruppe nun auch einen konkreten Vorschlag für den Zugang von Geheimdiensten zu diesem System erarbeiten will. Anschließen will man ferner Europol und Eurojust, Staatsanwaltschaften, Ausländer- und Asylbehörden, Kraftfahrzeugämter sowie „certain non-governmental authorities“. Welche Nicht-Regierungsstellen das sein sollen, wird in den Papieren nicht erklärt. Mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Vorschlags will man sich Zeit lassen.
(Heiner Busch)