Literatur

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Gemeinsam ist Polizei und Militär ihre unmittelbare Verbindung zum staatlichen Gewaltmonopol. Während die einen das Staatsgebiet nach außen sichern sollen, soll die Polizei Sicherheit im Innern gewährleisten. Diese Ausdifferenzierung staatlicher Gewalt galt lange als die zeitgemäße Fortentwicklung, wenn nicht „Zivilisierung“ des Gewaltmonopols überhaupt. Denn in einer Hinsicht unterscheiden sich Polizei und Militär grundsätzlich: das Militär kämpft gegen die Feinde, gegen eine äußere Macht, die im Ernstfall physisch vernichtet werden muss. Demgegenüber hat die Polizei es mit Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu tun, die in westlich-liberalen Gesellschaften mit bestimmten Rechten ausgestattet sind, die die Polizei, will sie sich nicht außerhalb dieser Gesellschaft stellen, nicht wie die eines Feindes missachten kann.

Historisch entwickelten sich die Staatspolizeien in Mitteleuropa aus dem Militär. In der Bundesrepublik konnten erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eindeutig militärische Waffen und die Verwendung militärischer Insignien abgeschafft werden. Dass gleichzeitig polizeiliche Spezialeinheiten entstanden, die sich in Ausbildung, Bewaffnung, Organisation und Einsatzauftrag eher militärisch als zivil orientierten, konnte ebenso wie die pseudomilitärischen Relikte in den Truppenpolizeien als längst antiquiertes historisches Erbe interpretiert werden. Diese fortschrittsgläubige Sichtweise hatte schon immer die Fähigkeiten von Polizeien zum „heavy policing“, also zum massiven Gewalteinsatz verkannt: ohne polizeiliche Gewaltreserve kein „richtiges“ Gewaltmonopol. Seit den 1990er Jahren sind die Polizeien jedoch einem erneuten Wandel unterworfen, der die Trennung von Polizei und Militär als Phänomen einer zu Ende gehenden historischen Epoche erscheinen lässt. Obwohl der Anstoß für diese erneute Veränderung zunächst vom Militär und seinen „neuen“ Aufgaben ausging, beschränken wir uns im Folgenden allein auf die polizeiliche Dimension des militärisch-polizeilichen Sicherheitsverbundes. Der Ausgangspunkt der deutschen Debatte bilden die Auslandseinsätze von deutschen Polizisten.

Halt, Adalbert; Holecek, Rüdiger: Polizeieinsatz im Kosovo – mission impossible?, dp-spezial No. 9 (Supplement der Zeitschrift Deutsche Polizei 1/2000)

Deutsche Polizei 52. Jg., 2003, H. 4: Einsatz im Ausland (Schwerpunkt) Buwitt, Detlef: Internationale Polizeieinsätze bei UNO-Friedensmissionen. Erfahrungen und Lehren aus Bosnien-Herzegowina und im Kosovo(BITS Research Report 01.1), Berlin 2001

Die beiden Hefte der GdP-Zeitschrift „Deutsche Polizei“ geben einen bebilderten Einblick in die Tätigkeiten deutscher Polizisten im Kosovo und in Afghanistan. Die Veröffentlichung des Jahres 2000 entstand anlässlich der Kosovo-Reise des damaligen GdP-Vorsitzenden. Die politischen und rechtlichen Vorgaben der Auslandsmission werden nur kurz dargestellt. Die Beiträge des Schwerpunktheftes vom April 2003 beschäftigen sich mit dem Polizeieinsatz in Afghanistan. U.a. schildert die verantwortliche Beamtin des deutschen Außenministeriums die Aufgaben der deutschen Polizisten, denen die „lead role“ für den Polizeiaufbau in Afghanistan übertragen worden ist. Die beratenden (nicht exekutiven) Aufgaben der Auslandspolizisten reichen von der Wiederherstellung der Polizeiabteilung des Innenministeriums bis zum Aufbau eines polizeilichen Ausbildungswesens oder der personellen Verkleinerung und Professionalisierung bis zur „Verankerung“ einer „rechtsstaatlichen Polizei im Berufsverständnis der Polizisten und in der Bevölkerung“. Im laufenden Jahr soll die Restrukturierung der Polizei auch außerhalb Kabuls vorangetrieben werden – sofern die lokalen, in Opposition zur Kabuler Regierung stehenden Machthaber neutralisiert werden können. Detlef Buwitt leitete 1999/2000 den Polizeieinsatz in Bosnien-Herzegowina. Sein Bericht, der sich auch mit dem ersten Auslandseinsatz mit exekutiven Befugnissen im „Gastland“ (im Kosovo) beschäftigt, reflektiert sowohl praktische Fragen (Rekrutierung, Ausbildung) als auch solche des Mandats und der Zielsetzung. Als eines der zentralen Probleme benennt Buwitt, dass es nur zu punktueller Zusammenarbeit zwischen Polizei und Militär, aber nicht zu einer gemeinsamen Strategie und ein „Gesamtoperationskonzept“ gekommen sei. Der Bericht endet mit der Aufforderung an die Vereinten Nationen, „die für die zivilen Missionskomponenten notwendigen strategischen Grundlagen“ zu entwickeln. In den Beschlüssen der EU zur Bereitstellung europäischer Polizeikräfte wird ein „erfolgversprechender regionaler Lösungsansatz gesehen“, der von anderen aufgegriffen werden sollte. Polizeiliche Begleitung und „Nachsorge“ wird derart als integraler Bestandteil interventionistischer Außen- und Kriegspolitik sichtbar.

Peilert, Andreas: Innere und äußere Sicherheit – Trennung oder Verzahnung, in: der kriminalist 34. Jg., 2002, H. 6, S. 160-263

Dieser Bericht über eine Expertentagung der „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ gibt einen kleinen Einblick in die Wandlungen des administrativen Sicherheitsbegriffs, die durch den neuen Terrorismus erheblich beschleunigt worden sind. Ein Vertreter des Bundesnachrichtendienstes fordert eine Stärkung des Informationsverbundes „zwischen den einzelnen nationalen Sicherheitsbehörden“ und eine verstärkte Kooperation mit ausländischen Partnerdiensten. Günter Weiler, stellvertretender Leiter des Planungsstabes der Bundeswehr, schlägt als Mittel gegen den Terrorismus „eine enge zivil-militärische Zusammenarbeit“ vor, „die sich nicht nur auf den nationalen Rahmen beschränken dürfe“. Die Trennung von äußerer und innerer Sicherheit sei „obsolet“. „Leistungsfähige Streitkräfte bilden einen unverzichtbaren Bestandteil einer kooperativen Strategie gegen den Terrorismus. Zu ihren Aufgaben zählen insbesondere die Überwachung von Luftraum und See, der Einsatz gegen terroristische Logistik aber auch Aufgaben der Nachsorge nach Anschlägen“. Auch könne die Bundeswehr im Inland „beispielsweise bei der Bekämpfung biologischer und chemischer Gefahren“ eingesetzt werden. Gegenüber diesen weitgehenden Vorstellungen beschränkte sich der Referent des Bundes Deutscher Kriminalbeamter darauf, „die Schaffung von Koordinationsgremien“ sowie erneut ein zentrales „Bundessicherheitsamt“ zu fordern.

 

Schäuble, Wolfgang; Stümper, Alfred; Greiner, August: Eine der Lehren aus dem Kosovo-Krieg: Sicherheit ist heute nicht mehr mit der Verteidigung der Landesgrenzen identisch, in: Die Polizei 91. Jg., 2000, H. 6, S. 161-163

Tegtmeyer, Henning; Emenet, Axel: Einsatz der Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus?, in: Die Polizei 91. Jg., 2000, H. 12, S. 337-341

Über den Zusammenhang von Auslandseinsätzen der deutschen Polizeien und dem Einsatz des Militärs im Innern geben die Stellungnahmen von Schäuble, Stümper und Greiner Auskunft. Der Zweischritt der Argumentation ist denkbar einfach. Erstens: Der internationale Terrorismus kann ohne militärische Antworten nicht erfolgreich bekämpft werden. Zweitens: Bei den Auslandseinsätzen nimmt das Militär teilweise Polizeiaufgaben wahr, und die Zusammenarbeit dort funktioniert gut. Folglich sei es doch naheliegend beide Elemente zusammenzuziehen und den Militäreinsatz im Innern (über die bestehenden Regelung hinaus) zu erweitern. Das Plädoyer Wolfgang Schäubles für eine Grundgesetzänderung ist bekannt. Alfred Stümper nimmt wieder einmal die Rolle des Tabu-Brechers ein. Der „direkte Einsatz des Militärs zur Verbrechensbekämpfung“ müsse „ernstlich“ erwogen werden. Sobald er versucht, konkreter zu werden, verschwimmt alles zu einem überwältigen­den Bedrohungsszenarium, gegenüber dem das Grundgesetz als staats­rechtliche Peanuts erscheint: „Und wo verlaufen die Grenzen zwischen inneren Unruhen, bürgerkriegsähnlichen Aktionen, Terrorismus, wo zwischen ‚kaltem‘ Krieg, Anschlägen und Sabotagen im Innern und offener Feindseligkeit, sowie zwischen gezielter Korruption in marktbeherrschenden weltweiten Wirtschaftsbereichen, staatlich heimlich geduldeter Schwerkriminalität und Krieg?“ (Stümper zu zitieren, ist immer wieder ein besonderes Vergnügen, der Rez.)

In der Entgegnung von Tegtmeyer und Emenet, zwei Beamte aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium, werden derartige Forderungen abgelehnt. Das „Plädoyer für eine Verfassungsänderung“ sollte „in diesem Fall schnell und ungehört verhallen.“ Das von den Befürwortern militär-polizeilicher Zusammenarbeit ausgemalte Bedrohungsszenarium finde „in den aktuellen Lagebildern ohnehin keinen verifizierbaren Niederschlag“. In NRW gehe die polizeilich registrierte „Organisierte Kriminalität“ durch effektive polizeiliche Arbeit zurück. Während die Polizei durch gezielte Fortbildung versuche, u.a. die polizeiliche Gewaltanwendung zu reduzieren, seien vergleichbare Anstrengungen bei der Bundeswehr nicht sichtbar. Die „unterschiedliche Ausbildungs- und Befehlsstruktur“ stelle ein erhebliches praktisches Hindernis der Zusammenarbeit dar.

Möllers, Martin H.W.; Ooyen, Robert C. v.: Europäisierung, Internationalisierung und Militarisierung von Polizeiaufgaben, in: Deutsches Polizeiblatt 20. Jg., 2002, H. 2, S. 6-12

Dieser Aufsatz von zwei Dozenten der Bundesgrenzschutz-Fach­hochschule in Lübeck problematisiert einen anderen Kontext der schritt­weisen „Militarisierung von Polizeiaufgaben“. Aus ihrer Sicht werden durch die Verquickung von Militär- und Polizeiaufgaben die demokratietheoretischen Defizite der Internationalisierung der Polizeiarbeit erheblich verschärft. Während die Polizeien der Länder, des Bundes und auf europäischer Ebene neue Kompetenzen gewonnen hätten, seien die Parlamente (auf allen drei Ebenen) die Verlierer des Europäisierungsprozesses. Indem nun polizeilich-militärische Kooperationsformen entstünden, nähme die Unübersichtlichkeit und Unkontrollierbarkeit dieses Komplexes eine neue Dimension an. Dass jenseits der Parlamente vor allem der Schutz der Bürgerrechte und die institutionellen Garantien eines liberalen Verfassungsstaates entwertet werden, kommt in dem Beitrag leider zu kurz.

Les Cahiers de la Sécurité Intérieur 1992/1993, No. 11: Gendarmeries et polices à statut militaire

Die Trennung von Polizei und Militär ist keineswegs in allen (europäischen) Staaten vollzogen worden. Dieser bereits zehn Jahre alte Band der „Cahiers“ hat solche Polizeien zum Gegenstand, die einem militärischen Statut unterstehen und den nationalen Verteidigungsministerien zugeordnet sind: die französische und belgische Gendarmerie, die spanische Guardia Civil, die Royal Canadian Mounted Police, die Militärpolizeien Chiles und Brasiliens und die aus Kolonialzeiten stammenden Polizeien in Afrika und Asien.

Kraska, Peter B.: Questioning the Militarization of U.S. Police: Critical Versus Advocacy Scholarship, in: Policing & Society Vol. 9, 1999, No. 2, pp. 141-155

Waddington, P.A.J.: Swatting Police Paramilitarism: A Comment on Kraska and Paulsen, in: Policing & Society Vol. 9, 1999, No. 2, pp. 125-140

Kraska, Peter (ed.): Militarizing the American Criminal Justice System, Boston 2001

Die Arbeiten von Peter Kraska sind auf einen anderen Aspekt gerichtet. Ihn interessiert die Frage, inwiefern zivile Polizeien Tendenzen einer Militarisierung aufweisen. Untersucht hat er das mehrfach an den US-amerikanischen SWAT-Teams, die mit unseren SEKs vergleichbar sind. (SWAT steht für „Special Weapons and Technics“.) Waddington behauptet in seinem Aufsatz, dass der Ausdruck „Militarisierung“ in die Irre führe, da die SWAT-Teams sich grundsätzlich vom Militär unterschieden. In dem von Kraska herausgegebenen Sammelband werden einzelne Aspekte des Konzepts der Militarisierung diskutiert: das Eindringen von Militärtechnologie in die Polizeiarbeit, der „low-intensity-warfare“ an der US-mexikanischen Grenze sowie die zunehmende Beteiligung des Militärs an der Strafverfolgung in den USA.

Neuerscheinungen

Weinhauer, Klaus: Schutzpolizei in der Bundesrepublik. Zwischen Bürgerkrieg und Innerer Sicherheit: Die turbulenten sechziger Jahre, Paderborn, München, Wien, Zürich (Ferdinand Schöningh) 2003, 417 S., EUR 49,90

Geschichtsschreibung kann den Blick dafür schärfen, warum die Gegenwart so und nicht anders ist; sie kann die Besonderheiten des Aktuellen aus dem Kontrast mit der Vergangenheit herleiten; und sie kann auf langfristige Veränderungen hinweisen, die von andauernder Relevanz sind. Dieses dreifache Versprechen löst die vorliegende Untersuchung auf hervorragende Weise ein. Die Arbeit rekonstruiert die innerpolizeilichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen so plastisch und anschaulich, dass das Klima jener Zeit im Kopf des Lesers und der Leserin entsteht. Weinhauer verspricht deshalb nicht zuviel, wenn er zu Beginn schreibt, dass gerade die Polizeigeschichte geeignet ist, die Wandlungen im Verhältnis von Staat und Gesellschaft aufzudecken.

Angesichts des Untersuchungsgegenstandes ist der Titel des Buches auf den ersten Blick missverständlich. Untersucht wird nicht die Schutzpolizei in der gesamten Bundesrepublik, sondern in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen (und dabei insbesondere die Polizeien im Regierungsbezirk Detmold). Durch diese Beschränkung kann die Untersuchung zwar die Unterschiede zwischen großstädtischer und ländlicher Polizei berücksichtigen, nicht aber die in weiteren Bundesländern – etwa solche außerhalb der britischen Besatzungszone oder solche, in denen die Innenminister nicht – wie in Hamburg und NRW – Sozial- oder Freidemokraten waren. Weinhauer ist sich dieser Beschränkungen bewusst und fordert zum vergleichenden Studium anderer Länderpolizeien auf. Auch untersucht die Arbeit nicht allein die sechziger Jahre, sondern sie beginnt bereits Mitte der 50er, als die Aufbauphase der Länderpolizeien abgeschlossen war.

Dass Weinhauers Schutzpolizeigeschichte mehr ist als Vergangenes in Erinnerung zu rufen, dass er nicht nur beschreibt, sondern auch analysieren kann, wird durch seinen vergleichsweise breiten Bezugsrahmen möglich. Elemente der Sozial- und Kulturgeschichte werden verbunden mit der Beobachtung von Alterskohorten, mit den Fragen nach Männlichkeitsbildern oder (polizei)kollektiven Mythen. Gesellschaftliche Wandlungen werden in ihren (teilweise im Polizeialltag unübersehbaren, teilweise durch politische Entscheidungsträger beförderten) Folgen für die Polizei dargestellt; und die „Mikropolitik“ in der Polizei wird analysiert. Wobei „Mikropolitik“ die Stabilisierung und Veränderung einer Organisation durch deren Mitglieder meint.

Die Untersuchung ist in fünf Kapitel gegliedert. Sie beginnt mit einer Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in beiden Ländern. Im zweiten Kapitel wird das Selbstverständnis der Polizeien, der Umgang mit ihrer NS-Vergangenheit und die personalpolitischen Konsequenzen in der Schutzpolizei untersucht. Weinhauer entwickelt hier anschaulich, wie polizeilicher Korpsgeist entsteht, wie er gepflegt und stabilisiert wird. Schon in der Diskussion um das Selbstbild tauchen die Konfliktgruppen auf, die für die ganze Periode kennzeichnend sind. Weinhauer nennt sie „Patriarchen“ und „Modernisierer“. Die „Patriarchen“ sind am staatsfixierten Polizeibild der Weimarer Republik orientiert, während die „Modernisier“ auf die gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse mit Veränderungen in der Polizei reagieren wollen. Jene sehen in den „kameradschaftlichen Dienstgemeinschaften“ das Fundament der Polizeiarbeit, diese wollen die Polizeiarbeit durch neue Ausbildungs-, Organisations- und Arbeitsformen den Anforderungen der Zeit anpassen. Diese Gruppe kann sich erst durchsetzen, nachdem die Jahrgänge der „Patriarchen“ altersbedingt aus dem Polizeidienst ausgeschieden sind.

Diesen Grundkonflikt kann Weinhauer auch in den anderen Kapiteln aufzeigen. Das dritte Kapitel widmet sich den Veränderungen der Polizeiausbildung. Im vierten werden die Wandlungen im Revierdienst der Schutzpolizei untersucht. Und abschließend werden die polizeilichen Großeinsätze gegen Jugendliche – von den „Halbstarken“ bis zu den Rockern – und Studenten untersucht. (Das in der Einleitung noch angekündigte Kapitel über Sicherheit als sozialstaatliche Aufgabe ist zu einem Teilkapitel „abgestuft“ worden; dieser Teil fällt auch nicht so überzeugend aus wie die anderen des Buches.) Ein Beispiel für die erhellenden Analysen dieser Arbeit sind die Veränderungen, die der Revierdienst durch die Einführung der Streifenwagen erfuhr: Die motorisierten Streifen veränderten nicht allein das Verhältnis Polizei – BürgerInnen, sondern sie führten zur Zentralisierung der Polizeiorganisation, und sie schwächten die Position des Revierführers gegenüber seinen Untergebenen, weil die Streifenwagenbesatzungen dessen direkter Kontrolle entzogen waren.

Insgesamt liefert die Untersuchung einen hervorragenden Einblick in die innere Verfassung der Schutzpolizei in den 50er/60er Jahren. Die vielfältigen Konflikte, die Anfang der 70er zu einer durchgreifenden Modernisierung führten, werden detailliert analysiert. Was man ahnte, weiß man nach der Lektüre dieses Buches genauer: es brodelte gewaltig in jener zweiten Phase der „Restauration der deutschen Polizei“ (Werkentin). Gleichzeitig verdeutlicht die Studie, wie sehr das Erbe eines staatsfixierten, auf idealisierten Kameradschaften fußenden Berufsverständnisses fortwirkt – etwa wenn die „innere Führung“ betrachtet wird oder wenn die Übergriffe auf Demonstranten erklärt werden.

Herrnkind, Martin; Scheerer, Sebastian (Hg.): Die Polizei als Organisation mit Gewaltlizenz. Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle, Münster, Hamburg, London (LIT-Verlag) 2003, 380 S., EUR 30,90

Der Band dokumentiert die Beiträge einer Tagung, die im November 2000 in Hamburg stattfand. Lesenswert, weil anregend und informativ, sind die Beiträge von Martin Herrnkind über die Grenzen polizeilicher Binnenkontrolle, von Manfred Brusten über Polizeikontrolle im Ausland und von Rafael Behr über den Beitrag der Polizeiforschung zur Kontrolle der „Organisation mit Gewaltlizenz“. Für diesen Aufsatz, wie für einige andere des Bandes gilt jedoch einschränkend, dass ihr Beitrag zum vermuteten Gegenstand der Tagung (die Polizei als gewaltlizenzierte und Gewalt ausübende Institution) mitunter verloren geht. Die denkbaren Zusammenhänge werden etwa nur zaghaft sichtbar in den Abhandlungen zum Thema „Polizei und ‚Gender‘“ (Sylvia M. Wilz) oder zur polizeilichen Aus- und Fortbildung (Karlhans Liebl). In anderen Aufsätzen vermögen die Schlussfolgerungen nicht recht zu überzeugen, so wenn Udo Behrendes in seiner „Anmerkung eines Dienststellenleiters“ „gegenseitiges Vertrauen und auf Wertschätzung aufbauen Dialog“ zwischen Gesellschaft und Polizei fordert – er sage das den Junkies oder den MigrantInnen. Eher das Thema verfehlt haben die Beiträge über „zero tolerance“ und das New Yorker Polizeimodell. Zwar ist Joachim Kerstens Abhandlung über die vermeintlichen Alternativen „bürgernahe Polizeiarbeit“ und „zero tolerance“ zutreffend, seine Kritik arbeitet aber mit denselben Stereotypen wie die von ihm kritisierten Anhänger staatlicher „Nullverfolgung“. Statt Henner Hess erneutes Loblied auf die New Yorker Polizei, in dem das polizeiliche Vorgehen gegen Schulschwänzer ebenso positiv dargestellt wird wie das gegen öffentlichen Alkoholkonsum, hätte der Band gewonnen, wenn er mehr über die spezifische Gewalthaftigkeit der Polizei und deren Kontrollprobleme enthielte.

(sämtlich: Norbert Pütter)

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