Anti-Castor-Proteste 2003

Mit dem Transport von hochradioaktivem Müll ins Zwischenlager Gorleben Anfang November war im Wendland der alljährliche Ausnahmezustand angesagt. Begründet mit den üblichen Verdächtigungen, bildete wie jedes Jahr die Allgemeinverfügung eines Versammlungsverbots entlang der Transportstrecke und in einem weiten Umfeld um die atomtechnischen Anlagen den polizeilichen Auftakt. Zum ersten Mal seit Beginn der Castor-Transporte stellte der Einsatzleiter allerdings im Verlauf des Transportes und der trotz des Verbots stattfindenden Proteste fest, dass dieser Protest friedlich, sympathisch und fair sei.

Theoretisch war damit die Allgemeinverfügung hinfällig. Dass sie nicht aufgehoben wurde, lag vor allem daran, dass sie der Polizei die Möglichkeiten gab, nach eigenem Gutdünken zu handeln. Sie konnte Proteste zulassen oder Verbote mit Gewalt durchsetzen und die DemonstrantInnen in Gewahrsam nehmen. Während so die rechtliche Bandbreite polizeilichen Handelns entgrenzt wurde, mussten sich die BürgerInnen in einem unsicheren rechtsfreien Raum bewegen.

Noch während der Einsatzleiter die friedliche Qualität der Proteste lobte, wurde eine angemeldete Demonstration zur Ankunft der Castoren in Dannenberg wegen des angeblich drohenden „polizeilichen Notstands“ verboten. Trotzdem waren Proteste in der Nähe des Verladekrans und auf der Straßentransportstrecke möglich.

Die Rechtlosigkeit der BürgerInnen wurde dagegen richtig deutlich, als der Transport die letzten Kilometer auf der Straßentransportstrecke zurücklegen sollte. Bayerische Unterstützungskommandos drohten den TeilnehmerInnen einer Sitzblockade in Grippel mit härtester körperlicher Gewalt, sollten sie die Straße nicht freiwillig verlassen. Alle BürgerInnen dieses Dorfes wurden ohne Ankündigung und ohne Möglichkeit, den Ort zu verlassen, in Kessel verbracht. Hierfür wurden Privatgrundstücke genutzt und Zäune zerstört. EinwohnerInnen durften entweder nicht in ihre Häuser oder diese nicht verlassen. In Laase – außerhalb der Demonstrationsverbotszone – war eine Kulturveranstaltung geplant. Hier kesselte die Polizei das ganze Dorf ein. Sie ließ die Leute zwar in diesen Kessel hinein, aber über Stunden nicht mehr heraus. Insgesamt boten die Polizeieinsätze im Wendland ein Bild der Willkür.[1]

(Elke Steven)

[1]      weitere Informationen beim Komitee für Grundrechte, info@grundrechtekomitee.de