Mediterrane Triangel

Von einer „Verminderung oder gar der Abwesenheit“ einer Bedrohung durch das „Internationale Islamische Netzwerk“ auszugehen, davor warnte Europol in seinem jüngst veröf­fentlichten Bericht zur Lage und Entwicklung des Terrorismus in der EU (TE-SAT). Der Report wurde noch vor dem Anschlag in Madrid veröffentlicht und umfasst den Zeitraum von Oktober 2002 bis Oktober 2003.[1] Die Haager Polizeibehörde versäumte es nicht, deutlich darauf hinzuweisen, warum es im Berichtszeitraum noch zu keinem Anschlag in Europa gekommen war: „Ohne jeglichen Zweifel“ sei dies die „direkte Konsequenz“ aus der „Arbeit der Sicherheitsdienste“, die zahlreiche Unterstützer und potenzielle Terrorzellen „unbrauchbar gemacht“ hätten.

Neben dem „internationalen Terrorismus“ beschäftigt sich Europol ausführlich mit dem „separatistischen Terrorismus“ im Baskenland, in Nordirland und auf Korsika, dem „linken Terrorismus“ und einer von ihm ausgemachten „terroristischen anarchistischen Bewegung“. Insgesamt liest sich der Terrorismus-Report in diesem Teil wie ein „Extremismus“-Bericht. Vor allem auf Betreiben der italienischen und der spanischen Regierung sind darin die militanten Teile der globalisierungskritischen Bewegung aus Italien, Griechenland und Spanien ins Visier genommen. Sie bildeten ein „so genanntes anarchistisches Mittelmeer-Dreieck“, das sich als „Black Block“ gewalttätig an Demonstrationen der Anti-Globalisierungsbewegung beteilige. Das „terroristische“ Lagebild Europols gipfelt in der Warnung, diese Gruppen könnten sich „vom anarchistischen Aktivismus und Extremismus hin zum anarchistischen Terrorismus“ entwickeln. Die Aufnahme legaler politischer Gruppen in den Europol-Bericht ist in der Terrorismus-Definition der EU angelegt. Diese ist so weit gefasst, dass damit auch Formen des sozialen Protests mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden können.

Diese Aufweichung des Terrorismus-Begriffs spiegelt sich auch in der aktuellen vom Rat herausgegebenen Liste „terroristischer Organisationen und Personen“ wieder.[2] Neu aufgenommen sind zehn militante Gruppen aus Italien, darunter die Nuclei Territoriali Antiimperialisti, die für Angriffe auf US-Militärfahrzeuge verantwortlich gemacht werden. Bei den nicht-europäischen Organisationen sind neu die kolumbianische ELN und die palästinensische Hamas. Bisher war nur deren militärischer Arm verzeichnet. Bei den aufgeführten Personen reduzierte sich die Gesamtzahl durch die Festnahme von sieben BaskInnen auf 45. Mit 19 Personen sind BaskInnen als einzige EU-BürgerInnen auf der Liste vertreten.

(Martin Beck)

[1]      EUROPOL: Terrorist Activity in the European Union: Situation and trends report (TE-SAT). October 2002-15 October 2003, Den Haag, 3.12.2003
[2]     Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 196 v. 3.6.2004, S. 12-16