Archiv der Kategorie: CILIP 078

(2/2004) Geheimdienste im Aufwind?

Editorial

von Heiner Busch

Der Fall der Berliner Mauer im November 1989 ist das herausragende Symbol für das Ende des Kalten Krieges gewesen. Mit zwei anderen symbolischen Ereignissen ging im selben Monat auch der Kalte Krieg in der Schweiz zu Ende. Zum einen mit dem spektakulären Ausgang einer Volksabstimmung: Über 30 Prozent der Stimmbevölkerung sagten ja zur Abschaffung der Armee, der heiligen Kuh schlechthin des schweizerischen Staates. Zum andern mit der Veröffentlichung des Berichtes einer Parlamentarischen Untersuchungskommission. Diese hatte die Verhältnisse im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass die Bundespolizei, der Staatsschutz, 900.000 Personen und Organisationen in seinen Karteien und Akten führte. Zum Vergleich: die Schweiz wurde zu diesem Zeitpunkt von 6,1 Millionen Menschen bewohnt. Editorial weiterlesen

So offenkundig war es selten – Geheimdienste taugen nur für den Herrschaftsmissbrauch

Unser tägliches Geheimdienstbrot gib uns heute, aber lass uns die Schimmelstellen vermeiden. So lautet das regierungsamtliche Gebet rund um den Globus.

Ein dreifacher Stakkatoschlag. Die zwischen den Parteien ausbalancierte Kommission des amerikanischen Senats, die die Qualität geheimdienstlicher Information untersuchte, urteilte in ihrem am 10. Juli veröffentlichten Bericht vernichtend. Keine der Schlüsselinformationen traf zu, die den Bush-Krieg gegen das Regime Saddam Husseins im Irak im März 2003 weltweit öffentlich rechtfertigten. Nichts mit Massenvernichtungswaffen; nichts mit Direktverbindungen zu Al Qaida; nichts mit einer unmittelbaren Drohung, die binnen 45 Minuten über die BürgerInnen westlicher Länder hätte hereinbrechen können. Nur vier Tage später schlug der Butler-Report der britischen Regierung in dieselbe Kerbe. So wie die CIA, so hatte ihre britische Variante, der MI6, nichts als einseitig zugespitzte, prinzipiell bekannte Informationen geliefert und also vorurteilssystematisch falsch informiert. Von all dem unmittelbaren Gefahrenwesen außer Täuschungsspesen nichts gewesen. Am 22. Juli folgte der dritte Schlag: Die von der US-Regierung eingesetzte so genannte „9/11-Commission“ – auch sie zweiparteilich ausgeglichen – sollte die seismographische Gefahrenwitterung der US-amerikanischen Geheimdienste in Sachen Zerstörung der Zwillingstürme des World Trade Centers in New York und des Angriffs auf das Pentagon untersuchen. Auch ihr Bericht endete für die Geheimdienste katastrophal. CIA und FBI hatten entweder nichts oder sie hatten zu Ungenaues gewusst oder sie waren in der Fülle der Informationen, in der die „Dienste“ wie in einer riesigen Salatschüssel konkurrierend wühlten, nicht an das entscheidende Informationsblatt geraten. So offenkundig war es selten – Geheimdienste taugen nur für den Herrschaftsmissbrauch weiterlesen

Summaries

Clearer than ever before…
by Wolf-Dieter Narr
In July, three official reports – two from the U.S. and one from Great Britain – documented the failure of security services. Neither in the case of „11 September“, nor with regard to the Iraq war, have they been able to provide correct information. Secret services are intrinsically linked to the history of the modern state. They are the institutionalised contradiction to democratic constitutions, which no parliamentary control commission and legal regulation will ever solve. Instead of accepting never ending lies of legitimation, we should finally abolish them. Summaries weiterlesen

Neuer Vorstoß in Sachen Verkehrsdaten

Der Rat plant eine umfassende Speicherung von Verbindungsdaten zur „Terrorismusbekämpfung“. Auf Initiative Frankreichs, Großbritanniens, Irlands und Schwedens hat er Ende April einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über die Vorratsspeicherung von so genannten Verkehrsdaten zur Stellungnahme an das Europäische Parlament weitergeleitet.[1] Auch diese Initiative geht auf die „Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus“ zurück, die von den Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel im März verabschiedet worden war. Neuer Vorstoß in Sachen Verkehrsdaten weiterlesen

SIS im „Kampf gegen den Terror“

Der Rat hat in seiner Fortschreibung des Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung nach dem EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel die Errichtung des neuen Schengener Informationssystems (SIS II) forciert.[1] Gleichzeitig beschlossen die Minister neue Funktionen, die sie schon ins bestehende SIS einbauen wollen.[2]

Bislang beschränkte sich die Ausschreibung auf die Personalien, den Fahndungszweck wie etwa Einreiseverweigerung und die ausschreibende Stelle. Die Speicherung der Daten war auf einen Zeitraum von drei Jahren begrenzt. SIS im „Kampf gegen den Terror“ weiterlesen

Mediterrane Triangel

Von einer „Verminderung oder gar der Abwesenheit“ einer Bedrohung durch das „Internationale Islamische Netzwerk“ auszugehen, davor warnte Europol in seinem jüngst veröf­fentlichten Bericht zur Lage und Entwicklung des Terrorismus in der EU (TE-SAT). Der Report wurde noch vor dem Anschlag in Madrid veröffentlicht und umfasst den Zeitraum von Oktober 2002 bis Oktober 2003.[1] Die Haager Polizeibehörde versäumte es nicht, deutlich darauf hinzuweisen, warum es im Berichtszeitraum noch zu keinem Anschlag in Europa gekommen war: „Ohne jeglichen Zweifel“ sei dies die „direkte Konsequenz“ aus der „Arbeit der Sicherheitsdienste“, die zahlreiche Unterstützer und potenzielle Terrorzellen „unbrauchbar gemacht“ hätten. Mediterrane Triangel weiterlesen

Freispruch nach Todesschuss

Marion Knorr

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 30.6.2004 ein Urteil des Landgerichts Mühlhausen, das im Oktober 1993 einen 30-jährigen Polizisten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen hatte. Der Beamte hatte am 28.7.2002 in Nordhausen (Thüringen) den gleichaltrigen Zimmermann René Bastubbe durch einen Schuss in den Rücken getötet. Auch der BGH meint nun, der Polizist habe in Notwehr gehandelt (Az.: 2 StR 82/04). Freispruch nach Todesschuss weiterlesen

Automatische Kfz-Kennzeichenerfassung verrechtlicht

Ohne ein entsprechendes Gesetz ist die automatische Erfassung von Kfz-Kennzeichen und der Abgleich mit Fahndungsdaten rechtswidrig. Diese Erkenntnis, auf die die Datenschutzbeauftragten stets hingewiesen haben, hat sich auch in den Ländern herumgesprochen. Die Testbetriebe in Bayern (an den Grenzübergängen Schirnding und Waidhaus-Autobahn) und Thüringen (Rennsteigtunnel) wurden daher eingestellt. In Thüringen endete der Versuch sogar mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, da der Innenminister den Probebetrieb nach Ansicht der Opposition vor der Öffentlichkeit verheimlichen wollte und es „versehentlich“ zur Speicherung von 658 Kfz-Kennzeichen gekommen war. Automatische Kfz-Kennzeichenerfassung verrechtlicht weiterlesen