SIS im „Kampf gegen den Terror“

Der Rat hat in seiner Fortschreibung des Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung nach dem EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel die Errichtung des neuen Schengener Informationssystems (SIS II) forciert.[1] Gleichzeitig beschlossen die Minister neue Funktionen, die sie schon ins bestehende SIS einbauen wollen.[2]

Bislang beschränkte sich die Ausschreibung auf die Personalien, den Fahndungszweck wie etwa Einreiseverweigerung und die ausschreibende Stelle. Die Speicherung der Daten war auf einen Zeitraum von drei Jahren begrenzt. Dieser wird nun erheblich verlängert. So werden zukünftig Daten nach Art. 99 Abs. 1 erst nach fünf Jahren gelöscht. Danach können „Personen oder Fahrzeuge, Wasserfahrzeuge, Luftfahrzeuge und Container“ zur polizeilichen Beobachtung – in der Schengener Formulierung „zur verdeckten Registrierung oder zur gezielten Kontrolle“ ausgeschrieben werden. Im Bereich der Sachfahndung werden zusätzliche Datenkategorien aufgenommen: Container, Schecks, Kreditkarten, Wert­papiere, Schiffe und Flugzeuge. Auch diese können nun zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben werden, was bisher im Sachfahndungsbereich nur für Autos zulässig war.

Entscheidend ist aber nicht nur die Speicherung der Daten, sondern die Nutzung, also wer welchen Zugriff auf die erstellten Dateien hat. So erhalten nun „auch die nationalen Justizbehörden, unter anderem diejenigen, die für die Erhebung der öffentlichen Klage im Strafverfahren und justizielle Ermittlungen vor Anklageerhebung zuständig sind“ (in Deutschland: die Staatsanwaltschaften), Zugriff auf das SIS.

Gleiches gilt für Europol. Dem Amt ist es zwar untersagt, SIS-Daten in sein eigenes Datensystem zu übernehmen, gleichwohl ist nun ein Abgleich zwischen SIS und Europol-Daten möglich. So muss zukünftig die europäische Polizeibehörde ebenso wie Eurojust den ausschreibenden Mitgliedstaat über einen Treffer im SIS in Kenntnis setzen und darf Informationen aus dem SIS mit Zustimmung des betreffenden Staates an Drittstaaten und -stellen weitergeben. Da Europol eng mit den jeweiligen Geheimdiensten zusammenarbeitet und von dort auch viele seiner Daten erhält, wird durch die Verzahnung von SIS mit den Europol-Servern die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und den Polizeien der einzelnen Mitgliedstaaten immer enger. Die Trennung von Geheimdiensten und Polizei und die Nichtverwertbarkeit von Geheimdienstinformationen vor Gericht wird so auf europäischer Ebene stark ausgehöhlt.

Mit diesem Beschluss zum bestehenden SIS wurden zum Teil Änderungen eingeführt, die zuvor erst für SIS II vorgesehen waren. Dass nicht alle Vorhaben umgesetzt werden konnten, liegt an den fehlenden technischen Möglichkeiten des alten Systems. Immerhin sind dort rund 1 Million Personen- und über neun Millionen Sachfahndungsdaten gespeichert. Doch wie betonte der Rat ausdrücklich: Dieser Beschluss berühre „nicht die künftige Annahme“ von Rechtsvorschriften „für die detaillierte Beschreibung des rechtlichen Aufbaus, der Ziele, des Betriebs und der Nutzung von SIS II“. Das neue System soll Ende 2006 einsatzbe­reit sein.

(Martin Beck)

[1]      Ratsdok. 19585/04 v. 15.6.2004
[2]     Ratsdok. 10667/04 v. 24.6.2004