von Elke Steven
Anfang Juni gaben sich die Staats- und RegierungschefInnen der Gruppe der acht mächtigsten Industriestaaten ihr jährliches Stelldichein – diesmal im Ostseebad Heiligendamm. Proteste gegen diese Demonstration der Macht waren nicht erwünscht. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat die Ereignisse mit einer Gruppe von BeobachterInnen begleitet.[1]
Seit die WTO-Ministerkonferenz 1999 wegen massiver Proteste abgebrochen werden musste, gelten Gipfeltreffen als gefährdete Ereignisse. Mit dem legitimatorischen Rückenwind des 11.9.2001 und nachfolgender Anschläge scheint den Sicherheitsbehörden heute jedes Mittel recht, Proteste publizistisch in den Dunstkreis des Terrorismus zu rücken, einzuschränken und weitestgehend zu verbieten. Von Beginn an sah sich denn auch das breite und heterogene Bündnis, das zu den Protesten gegen den G8-Gipfel mobilisierte, mit repressiven und eskalierenden politisch-polizeilichen Strategien konfrontiert. Früh begannen vor allem Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz medienwirksam vor terroristischen Anschlägen, vor Straf- und Gewalttätern zu warnen, mussten aber bei Nachfragen zugeben, über keine konkreten Hinweise zu verfügen. Das verhinderte jedoch nicht, dass die Sicherheitsbehörden seit Anfang 2007 eine Art polizeiliche Propaganda der Tat entfalteten.
Bereits vor der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 durchsuchte die Polizei linke Projekte, Betriebe und Privatwohnungen in der bayerischen Landeshauptstadt. Zur Legitimation mussten dabei Flugblätter herhalten, die zur Blockade des Flughafens Rostock-Laage im Kontext des G8-Treffens aufriefen. In den Augen von Polizei und Amtsrichter mutierte die geplante friedliche Sitzblockade in eine Stürmung des Flughafens und das Flugblatt in eine strafbare öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Strafgesetzbuch – StGB). Das Landgericht München konnte nur im Nachhinein feststellen, dass diese Hausdurchsuchungen rechtswidrig waren.[2] Die Polizei hatte jedoch zunächst eine Menge Daten über diejenigen gesammelt und ausgewertet, die die Proteste gegen die Sicherheitskonferenz in München organisierten.
Brandanschläge auf Autos in Hamburg und Berlin dienten Polizei und Bundesanwaltschaft im Frühjahr 2007 zur Konstruktion einer „terroristischen Vereinigung“. Zwar erfüllen diese Taten, die den Staat oder eine internationale Organisation sicherlich nicht „erheblich schädigen“ können, die Voraussetzungen des § 129a StGB nicht. Erfahrungsgemäß führen solche absurden Verdachtskonstruktionen nur in den seltensten Fällen zu Anklagen oder gar Verurteilungen. Sie erlauben es jedoch, das breite Spektrum von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, die an den Vorfeldparagraphen gebunden sind, gegen die Betroffenen in Anschlag zu bringen: An den Hausdurchsuchungen unter anderem in Berlin und Hamburg waren 900 PolizistInnen beteiligt. Computer wurden beschlagnahmt und „Geruchsproben“ genommen. Die Grund- und Menschenrechte der von den Hausdurchsuchungen Betroffenen, auch derjenigen, deren Daten auf diese Weise in die Hände der Ordnungsmacht gerieten, wurden so schon vor dem Gipfel massiv verletzt.
Auf dem Hintergrund dieser Kriminalisierung wurde dann eine Allgemeinverfügung erlassen, die die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit weit über den von einem 12 km langen Zaun abgegrenzten Bereich um Heiligendamm hinaus außer Kraft setzen sollte. Erst am 5. Juni, am Dienstag der Gipfelwoche also, erging die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den für zwei Tage danach geplanten Sternmarsch. Das Gericht bewertete das weiträumige Demonstrationsverbot zwar als verfassungswidrig, hielt es aber dennoch aufrecht.[3] Ausschlaggebend dafür waren die vielen Fehlinformationen der Polizei und der Medien über die Ereignisse bei der samstäglichen Großdemonstration in Rostock.
Das demonstrative Geschehen
Zwei gänzlich unterschiedliche Bilder prägen die Erinnerung an die Proteste: Da sind zum einen jene von „Krawallen“ im Rostocker Hafen, das Bild eines brennenden Autos, das sich in der Medienberichterstattung vervielfacht hat, schwarz gekleidete Personen, die in aggressiver und gefährdender Weise Steine, Flaschen und Stöcke warfen. In Erinnerung bleiben andererseits die Bilder von großen Gruppen Demonstrierender, die sich – der „Fünf-Finger-Taktik“ folgend – aufteilten, Polizeiketten umfließend über Felder und Wiesen gingen und wieder zusammenkamen, um die Zufahrtswege nach Heiligendamm zu blockieren. Diese medialen Bilder sind jedoch verkürzt.
Die Großdemonstration am Samstag, dem 2. Juni, in Rostock konnte zunächst weitgehend ohne polizeiliche Begleitung und Eingriffe durch die Innenstadt ziehen. Am Hafen angekommen beobachteten wir einen ersten Versuch einer kleinen Polizeigruppe, mitten aus der Versammlung heraus wahrscheinlich zwei Personen festzunehmen. Dies schlug fehl aufgrund sofortiger Proteste und erster massiver Steinwürfe. Fast gleichzeitig eskalierten die Auseinandersetzungen an anderer Stelle am Rande der Demonstration. In der Folge stieß die Polizei immer wieder in kleinen Gruppen mitten in die Menge der am Hafen anwesenden mehreren zehntausend Demonstrierenden vor, machte Videoaufnahmen und nahm in manchen Fällen Personen fest. Dies war nur unter rabiatem Wegdrücken und -schlagen Umstehender möglich und trug zur Eskalation bei. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen schwarz gekleideter und vermummter Leute, die aus der Versammlung heraus Steine warfen, und ebenfalls vermummten PolizistInnen in schwarzer oder olivgrüner Kampfmontur gingen bis zum Abend weiter. Die Polizei schien einseitig an der Strafverfolgung und Sichtbarmachung von Straftätern interessiert. Versuche von beherzten DemonstrantInnen, sich zwischen die Kontrahenten zu stellen oder zu setzen, und Aktionen der „Clownsarmee“ zur Entspannung der Lage wurden von beiden Seiten ignoriert.
Die der Auftaktveranstaltung folgenden Tage waren jeweils unter einen thematischen Schwerpunkt gestellt: „Globale Landwirtschaft“, „Flucht & Migration“ und „Gegen Militarismus, Krieg und Folter“. Es formierte sich ein breiter, unterhaltsamer, die Themen an symbolischen Orten aufgreifender Protest. Hier wurde deutlich, in welchem Maße die Demonstrierenden vielfältige Formen des deeskalierenden Eingreifens entwickelt haben. Clownsgruppen sorgten für Spaß und Ironisierung angespannter Situationen. Musikwagen sowie Trommel- und Rhythmusgruppen ermöglichten Entspannung, Unterhaltung und Bewegung. Lautsprecherwagen gaben Information und Orientierung. Vor allem am Montag, dem Protesttag „Flucht & Migration“, wurde die Geduld dieser Demonstrierenden durch die polizeilichen Verunsicherungs- und Desinformationsbemühungen auf eine harte Probe gestellt: Über Stunden hinweg hielt die Polizei die Demonstration am Auftaktort fest, ohne irgendeine stichhaltige Begründung zu liefern. Danach wurde der Zug nach einer kurzen Wegstrecke vor Erreichen der Innenstadt gestoppt. Die Gesamteinsatzleitung hatte – ohne Kenntnisnahme der tatsächlichen Situation – beschlossen, den Zugang zur Innenstadt zu verbieten, weil sich angeblich tausende „Gewaltbereite“ in der Demonstration aufhielten. Selbst der Einsatzleiter vor Ort remonstrierte gegen diese Entscheidung. Nach der Auflösung zogen eben diese Demonstrierenden in einer Spontandemonstration in die Stadt und zum Hafen.
Wer in diesen Tagen demonstrieren wollte, musste ständige Durchsuchungen von Rucksäcken, vielfach auch das Abtasten des Körpers über sich ergehen lassen. Immer wieder nahm die Polizei Personen aus größeren Gruppen heraus fest, ohne dass ein Anlass ersichtlich gewesen wäre. Die Begründung – sofern die Umstehenden überhaupt eine erhielten – lautete meistens, die Festgenommenen seien auf Ausdrucken von Videoaufnahmen als Gewalttäter identifiziert worden.
Die folgenden Blockadetage – Mittwoch und Donnerstag (6./7. Juni 2007) – haben dann gezeigt, mit welcher Disziplin und Konsequenz, mit wie viel Phantasie und unbedingtem Willen dieser Protest sich auszudrücken vermochte. Die Demonstrierenden drangen in die Verbotszone der Allgemeinverfügung ein, machten jedoch vor dem Zaun und den Toren halt. Es war nicht ihr Ziel, den Zaun zu stürmen, sondern den Protest sichtbar zu machen und die Infrastruktur des Gipfels zu blockieren. In anstrengenden Märschen durch Weizenfelder und über Wiesen, sich aufteilend und wieder zusammenfindend, wurden die Polizeiabsperrungen umgangen. Gegen diese Gruppen, die nichts als ihren Körper und ihren Willen zur Demonstration einsetzten, setzte die Polizei immer wieder Wasserwerfer, teilweise Tränengas und Hunde ein. Am Mittwoch Nachmittag hatten die Demonstrierenden dennoch ihre Ziele erreicht und blockierten sitzend die Zufahrtsstraßen und die Kleinbahn nach Heiligendamm – immer wieder aufgeschreckt vom unkommentierten martialischen Auftreten der Polizei.
Zwei Sitzblockaden konnten am Donnerstag bestehen bleiben, ein ungehinderter Zugang war möglich, und der weitere Weg oder der Zaun wurde nur von wenigen Polizisten gesichert. Dagegen rüstete die Polizei rund um das westliche Eingangstor des Zauns martialisch auf. Sie hatte die Straße besetzt, die Demonstrierenden befanden sich auf einer großen Wiese nebenan. Ohne konkrete Aufforderungen oder polizeiliche Ansagen wurden letztlich neun Wasserwerfer gegen die ca. 1.000 Demonstrierenden auf der Wiese eingesetzt. Einige schwerwiegende Verletzungen – vor allem Augenverletzungen – wurden hier verursacht. Die Ansage nach mehrfachem Wasserwerfereinsatz – „Bleiben Sie ruhig, wir verschaffen uns nur ein bisschen Platz“ – kann nur als zynisch verstanden werden. Flaschenwürfe gegen diesen Einsatz – es handelte sich vor allem um Plastikflaschen – waren auch hier willkommene Anlässe zum Videographieren von „Tätern“, die dann wiederum eskalierend aus Versammlungen herausgegriffen wurden.
Im Verlauf dieser knappen Woche brachte die Polizei etwa 1.057 Personen in die Gefangenensammelstelle. Die vor Ort anwesenden AnwältInnen zeigten sich überzeugt, dass die weitaus meisten Festnahmen unbegründet waren. Neben den herausgegriffenen Einzelnen wurden auch ganze Gruppen oder sämtliche Passagiere eines Busses mit fadenscheinigen Begründungen – oder auch ohne – kurzerhand festgenommen. Die Umstände in der Gefangenensammelstelle – in Käfigen, rundum einsehbar, Tag und Nacht beleuchtet und videoüberwacht – waren menschenrechtswidrig.
Neun JournalistInnen war im Vorhinein aufgrund geheimdienstlicher „Erkenntnisse“ die Akkreditierung für die Berichterstattung vom offiziellen Gipfel verweigert worden. MedienvertreterInnen, die vom Protest berichten wollten, wurden häufig behindert. Sie wurden bedroht und geschlagen, Kameraobjektive wurden zugehalten. Am Sonntag, 3. Juni 2007, beim Aktionstag „Globale Landwirtschaft“, wollten PolizistInnen einen Fotografen zwingen, ihnen sofort ein Foto von einer kleinen Aktion am Rande eines Feldes mit gentechnischen Pflanzen zu „überlassen“. Das Foto könne als Beweismittel dienen. Erst deutlicher Protest konnte diese Beschlagnahme verhindern. Am Donnerstag wurden die MedienvertreterInnen zwischen den ca. 1.000 Demonstrierenden auf der Wiese am Westtor aufgefordert, den Bereich zu verlassen. Sie hätten jetzt „letztmalig“ die Gelegenheit, durch die Polizeikette auf die Straße zu gelangen. Anderenfalls gefährdeten sie sich und die Polizeiarbeit! Diese unverhohlene Drohung verdeutlichte, wie selbstverständlich die Polizei jede öffentliche Kontrolle ihrer Arbeit zu verhindern suchte.
Die Strategien
(1)
Umfassende Kooperation:
Die Gesamtverantwortung für die Einsätze während des Gipfels lag bei der schon 2005 gebildeten Besonderen Aufbauorganisation (BAO) „Kavala“.[4] In deren Kontext haben alle irgendwie beteiligten staatlichen Institutionen und auch internationale Vertreter formell und informell zusammengearbeitet – über alle Zuständigkeitsgrenzen hinweg. Im Kavala-Führungsstab waren Verbindungsbeamte von BKA und Bundespolizei integriert. Auch Spezialisten der Bundeswehr wurden der BAO beigestellt.
(2) „
Beweissichere Festnahme“:
Besonders aufgefallen sind in der Woche rund um Rostock und Heiligendamm die kleinen Trupps der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) sowie ähnlicher Einsatzgruppen der Polizei.[5] Das diesen Einheiten zugrunde liegende Konzept geht auf dem Papier von der Legitimität der Wahrnehmung des Demonstrationsrechts aus. Statt die Konfrontation mit der Demonstration als ganzer zu suchen, soll sich die Polizei darauf konzentrieren, jene Personen, die sich in oder im Umfeld der Demo „unfriedlich“ verhalten (könnten), möglichst schnell und „beweissicher“ festzunehmen – und d.h. im Regelfall aus der Menge herauszugreifen.
Dementsprechend unterscheiden sich die BFE von der üblichen Bereitschaftspolizei. Zu ihrer Ausrüstung gehören keine Schutzschilder, die für diesen schnellen und gewaltsamen Einsatz in einer Menschenmenge nur hinderlich wären. Die wesentlichen Waffen dieser in Schutzkleidung und mit vollem Körpereinsatz agierenden BeamtInnen waren beim G8-Gipfel der Mehrzweckschlagstock (Tonfa) und die Tränengas- bzw. Pfefferspraydose. Zu den Einsatztrupps gehören regelmäßig auch BeamtInnen, deren Aufgabe einzig im Führen der auf Teleskopstangen montierten Videokameras besteht. Das ständige Filmen soll die Festnahme „beweissicher“ machen.
Zu den BFE gehören aber auch Beamte in Zivil, die im Outfit der Demonstrierenden an den Demonstrationen teilnehmen, in Kontakt mit ihrer Einheit stehen und gegebenenfalls Festnahmen dirigieren. Im Kontext der Sitzblockaden am Mittwoch wurden zwei Zivilbeamte einer Bremer BFE entdeckt und einer der Polizei übergeben. Zeugen berichten, dass die als „Autonome“ auftretenden Polizisten andere zu Steinwürfen animieren wollten. Die Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft jedoch bereits eingestellt.
Das Vorgehen der BFE und vergleichbarer Einsatzgruppen gefährdet die Versammlungsfreiheit. Die von ihnen ausgehende Gewalt trifft nicht nur Störer und Gewalttäter, sondern immer wieder sämtliche Umstehenden und die gesamte Demonstration – mittelbar, indem diese Einsätze Angst und Schrecken verbreiten und zur Eskalation beitragen, aber auch real und unmittelbar. Die Polizei hat in Versammlungen nichts zu suchen. Sie gefährdet damit selbst die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
(3)
Public Relations:
Die Polizei ist zwar zu einer wahrheitsgemäßen Information der Öffentlichkeit verpflichtet, die „Öffentlichkeitsarbeit“ der BAO Kavala entpuppte sich aber vor allem als PR-Arbeit. Die (mediale) Deutungshoheit sollte bei der Polizei bzw. beim Innenministerium liegen. Während der Gipfel-Tage hat die Polizei massiv verfälschte Informationen verbreitet. Nach den Auseinandersetzungen am 2.6. berichtete sie, 433 PolizistInnen seien verletzt worden, darunter mindestens 32 schwer. Der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns Lorenz Caffier sprach noch nach dem Gipfel von 43 BeamtInnen, die vorübergehend dienstunfähig gewesen seien. Während der Gipfel-Tage hatte die Presse jedoch aufgedeckt, dass allenfalls von zwei schwerverletzten Polizisten die Rede sein konnte, da nur sie stationär behandelt, aber bereits nach einer Nacht aus dem Krankenhaus entlassen worden waren. Kavala belieferte die Medien immer wieder mit falschen Meldungen über „gewaltbereite Autonome“, über Säureattacken durch Clowns, über gefährliche Gegenstände und Planungen in den Camps. Solche Geschichten heizten auch innerhalb der Polizei die Stimmung gegen die Demonstrierenden an.
(4)
Zivil-militärische Zusammenarbeit:
Die grundgesetzliche Trennung von Polizei und Bundeswehr ist in diesen Tagen in beängstigender Weise aufgeweicht worden. Die Öffentlichkeit, auch die Parlamentsöffentlichkeit, wurde lange falsch oder unvollständig informiert. Insgesamt wurden 33 Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr gestellt, das erste bereits am 21.3.2006 durch Innenminister Caffier. Das Bundesverteidigungsministerium überprüfte nur deren rechtliche Zulässigkeit, nicht aber, ob sie im Sinne des Subsidiaritätsprinzips notwendig waren.[6] Da die Bundeswehr außer im Katastrophenfall nicht im Inneren eingesetzt werden darf, wurden all diese Einsätze – entgegen den bisherigen Gepflogenheiten – nach Artikel 35 Abs. 1 GG als Amtshilfe verbucht.
So standen statt der dem Parlament mitgeteilten 1.100 Soldaten wohl 2.100 zum Einsatz bereit.[7] Sie wurden nicht wie angekündigt „ausschließlich für Transportaufgaben“ eingesetzt und waren entgegen der vorhergehenden Informationen durchaus „in erster Reihe im Straßenbild“ zu sehen. Sie stellten nicht nur Material und Unterkunft zur Verfügung, sondern übernahmen zeitweise das Hausrecht im Bad Doberaner Krankenhaus. Zur Überwachung der Camps wurden Tornados eingesetzt. Es gab weit mehr Flüge als ursprünglich genehmigt. Ebenfalls im Überwachungseinsatz waren Fennek-Spähpanzer, die wie die Tornados bisher vorrangig in Afghanistan eingesetzt wurden.[8]
Die Polizei betreibt – gemeinsam mit BKA und Verfassungsschutz – zunehmend eine eigene Politik. Behält man das Grundgesetz, die garantierten Grundrechte und die demokratische Verfasstheit im Auge, muss diese Politik beängstigen. Die Polizei schafft mit Fehlinformationen und grundrechtlich nicht legitimierbaren Aktionen und Eingriffen eine Lage, in der sie im selbst geschaffenen Ausnahmezustand gemäß ihrer unüberprüfbaren Kriterien agieren kann: Sie kann Sitzblockaden hoheitlich zulassen oder Versammlungen mit (Wasserwerfer-)Gewalt und ohne Kommunikation auflösen. Die Kontrolle über die exekutive polizeiliche Gewaltausübung droht in solchen Ausnahmesituationen zu entgleiten. Voraussetzung hierfür ist eine Öffentlichkeitsarbeit, die polizeiliche und geheimdienstliche Erkenntnisse behauptet, ohne sie zu belegen, oder schlicht falsche Angaben verbreitet. Der Fehlinformation der Öffentlichkeit entspricht auf der anderen Seite die Nicht-Kommunikation mit den Demonstrierenden. Sie wurden meist nicht über Forderungen und polizeiliche Maßnahmen informiert, sondern begegneten einer wortlosen Gewaltdemonstration, von der man nie wusste, wann und ob sie eingesetzt wird.