Immer öfter sind Polizei und Militär mit der unerwünschten Nutzung von handelsüblichen Drohnen konfrontiert. Für ihre Bekämpfung müssen die Fluggeräte blitzschnell entdeckt und analysiert werden. Um sie unschädlich zu machen, haben Rüstungskonzerne verschiedene Verfahren entwickelt.
Jedes Jahr werden allein in den USA und Europa rund eine Million kleine Drohnen verkauft. Diese Zahl nannte der stellvertretende Direktor der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge der Bundeswehr (WTD 61) vergangene Woche bei einer Technikvorführung am Sitz der Abteilung in Manching. Gemeint sind mehrere Kilogramm schwere Multikopter mit mehreren Rotoren, die eine Kamera oder andere Sensoren befördern.
In Deutschland müssen die Daten der BesitzerInnen auf einer Plakette am Gerät angebracht werden. In vielen Ländern sind der Verkauf oder die Nutzung von unbemannten Systemen aber nicht reglementiert, womit sie als „terroristisches Tatmittel“ für das Militär im Einsatzgebiet zur Gefahr werden könnten. Das jedenfalls schreibt die Bundesregierung. Kleine Drohnen haben sich demnach „als vielseitig anwendbares technisches Hilfsmittel in Planung, Durchführung und Auswertung von Operationen terroristischer Organisationen erwiesen“. Als „terroristisches Tatmittel“ würden sie zur „luftgestützten Aufklärung und Spionage, zum Identifizieren potentieller Schwachstellen im Vorfeld von Angriffen sowie Lenken von Steilfeuer“ eingesetzt.
Bundeswehr kauft „tragbare Störausstattungen“
Zur Erkennung von unerwünschten Drohnen verfügt die Bundeswehr über ein „leichtes Gefechtsfeldaufklärungsradar“ vom französischen Rüstungskonzern Thales. Es dient der Aufklärung von bewegten Zielen am Boden und in geringen Höhen. Die Technik ist für die Drohnenabwehr nur schlecht geeignet, denn sie muss auch falsche Alarme erkennen, etwa Vögel oder Drohnen, die mit einer Lizenz zu kommerziellen Zwecken unterwegs sind.
Dieses Arsenal rüstet die Bundeswehr jetzt auf. Für den Schutz von Kasernen werden fünf stationäre Systeme angeschafft, sie sollen gefährliche Drohnen unschädlich machen. Außerdem will die Bundeswehr 30 „tragbare Störausstattungen“ einkaufen. Das Gerät „HP 47+“ stammt von der Firma H.P. Marketing & Consulting Wüst GmbH, die auf die Herstellung von Störsendern spezialisiert ist. Zur Wirkungsweise schreibt der Hersteller, Drohnen könnten damit zur Landung gezwungen oder „zum Ausgangspunkt zurück geschickt werden“, um die steuernde Person zu identifizieren.
Datenbank mit optischen und akustischen Informationen
Auch die Radare zur Entdeckung der Drohnen werden bald durch neue Technik ersetzt. Das Verteidigungsministerium hat dazu eine Studie bei der Firma IABG in Auftrag gegeben. Zur Erkennung und Einordnung eines anfliegenden Luftfahrzeugs setzen die Hersteller dieser Technologie auf unterschiedliche Methoden. Die erste Erkennung und anschließende Verfolgung der Flugbahn kann mit Bewegungsmeldern und Kameras erfolgen. Verschiedene Sensoren analysieren gleichzeitig die Bewegung, das Aussehen, elektromagnetische oder elektrostatische Emissionen oder die Temperatur. Die Drohnen können auch anhand ihres Geräuschs oder der Funkfrequenz der Fernbedienung identifiziert werden.
In Deutschland forschen unter anderem sechs verschiedene Fraunhofer-Institute zu solchen Verfahren: Es geht um Radargeräte mit einer Reichweite von angeblich mehreren Kilometern, um Richtmikrofone und Laserentfernungsmesser.
Die Erkennungssysteme gleichen die Informationen mit einer sogenannten Signaturdatenbank ab. Sie enthält optische, akustische und andere technische Daten bekannter Drohnen. Eine solche „Merkmalsdatenbank“ hat das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung vorgestellt. Dort sind die Eigenschaften „einer Vielzahl bekannter Drohnenmodelle“ hinterlegt. Nach einer Abfrage der „Merkmalsdatenbank“ erfährt die AnwenderIn, welches Verhalten die Drohne bei einer „Abwehrmaßnahme“ zeigen würde.
Fälschung von GPS-Signal
Zur Abwehr der Drohnen wird zwischen „weichen oder harten Methoden“ unterschieden. Zu den weichen Maßnahmen zählen Störsignale, mit denen eine Drohne zur Landung gezwungen wird. Einzelne Komponenten (etwa die Fernsteuerung oder Motoren) können mithilfe von Störsendern lahmgelegt werden. Diese Technik nutzen die „tragbaren Störausstattungen“, die jetzt von der Bundeswehr beschafft werden.
Mit einem gefälschten GPS-Signal kann zudem der Kurs der Drohne beeinflusst werden, das Verfahren wurde vergangene Woche in Manching (vielleicht erstmals) vorgeführt. Auch der in manchen Drohnen eingebaute „E-Kompass“ ist aus der Ferne manipulierbar. Denkbar ist sogar, die Sensoren, mit denen das Gleichgewicht oder die Richtung der Drohne reguliert wird, zu stören. Bei einigen Modellen soll es möglich sein, den Videostream abzufangen und die Steuerung zu übernehmen.
Erkennen, Stören und Abschießen
Auch die Polizei klagt in zunehmendem Maße über die unerwünschte Nutzung handelsüblicher Drohnen. Die von PilotInnen gemeldeten Behinderungen nehmen ebenfalls rasant zu, Drohnen werden außerdem für Protestaktionen oder unerlaubte Lieferungen in Gefängnisse benutzt. Die Deutsche Flugsicherung schätzt, dass die Gesamtzahl der kleinen Fluggeräte in Deutschland bis nächstes Jahr auf über eine Million steigt.
Die Polizeien des Bundes verfügen selbst über keine eigene Drohnenabwehr. Für Einsätze, bei denen eine terroristische Gefährdung angenommen wird (etwa bei Staatsbesuchen oder Gipfeltreffen) mieten die PersonenschützerInnen des Bundeskriminalamtes (BKA) deshalb entsprechende Geräte.
In vielen Fällen stammt die Technologie vom Militär. Wie die Bundeswehr nutzen auch Polizeibehörden das „HP 47“. Schweizer Behörden haben die Technik für das World Economic Forum in Davos gemietet, ein „HP 47“ kam außerdem beim letzten Besuch des US-Präidenten Barack Obama in Berlin zum Einsatz. Das BKA hatte dort auch das tragbare Modell „SkyWall 100“ der britischen Firma OpenWorks mitgebracht. Die martialisch anmutende Waffe verschießt ein Projektil mit einem Netz, das eine Drohne einfangen kann. Anschließend sinkt das Paket mit einem Fallschirm zu Boden.
Kooperation mehrerer Rüstungskonzerne
Zuletzt wurde die Luftfahrtmesse ILA in Berlin mit dem „SkyWall 100“ bewacht. Die Abwehrwaffe von OpenWorks war dabei in das System „GUARDION“ eingebunden, das die deutsche Polizei bereits bei Gipfeltreffen in Bayern und Hamburg genutzt hat. „GUARDION“ ist eine Kooperation mehrerer deutscher Rüstungskonzerne. Die Anlage kann Drohnen aufspüren und in einem Führungssystem der Firma ESG, das ursprünglich für das Militär entwickelt worden ist, anzeigen.
Erweist sich das Fluggerät als feindlich, wird es mit Störsendern des Überwachungsdienstleisters Rohde & Schwarz bekämpft. Bleibt dies wirkungslos, wird geschossen. Die Plattform „GUARDION“ nutzt dafür das „HPEMcounterUAS“ von Diehl Defence. Die Drohnen werden mit elektromagnetischen Wellen traktiert, elektronischen Systeme dadurch lahmgelegt. Andere Rüstungskonzerne haben sogar den Abschuss einer kleinen Drohne mit einem Hochenergielaser vorgeführt. Zur „harten Abwehr“ gehört außerdem das Abschießen mit Wasserwerfern oder einer Schusswaffe, der Angriff mit „Kamikazedrohnen“ oder das Besprühen der Drohnen mit Kleber.
Unter Leitung des Fraunhofer Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie und im Verein mit Rüstungsfirmen entwickeln deutsche und österreichische Polizeibehörden unter dem Kürzel „AMBOS“ eine Plattform, bei der verschiedene Abwehrmaßnahmen zur Auswahl stehen. Die Forschungen werden mit Geldern aus dem Programm „Zivile Sicherheit – Aspekte und Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und enden in diesem Jahr. Das System soll dann unter anderem bei Großveranstaltungen eingesetzt werden. Ähnliche Verfahren finanziert das BMBF unter den Namen „ArGUS“ und „MIDRAS“. Dort wird auch der Einsatz von „Abfang-Drohnen“ erprobt.
Internationale Arbeitsgruppen
Obwohl das BKA über keine eigene Technik verfügt, hat die Behörde in der Vergangenheit zwei internationale Arbeitsgruppen zur Drohnenabwehr angeführt. Bei der Europäischen Union ist das polizeiliche Netzwerk von Personenschützern mit dem Thema befasst, zu den Mitgliedern gehört auch die Polizeiagentur Europol. Die Gefahren von kleinen Drohnen werden außerdem im Rahmen eines weltweiten Netzwerkes staatlicher Personenschutzdienststellen untersucht. Teilnehmer dieser „Association of Personal Protection Services“ sind Polizeibehörden aus Polen, den Niederlanden und Südkorea sowie der israelische Inlandsgeheimdienst.
Neben den technischen Möglichkeiten tauschen sich die Behörden auch zu möglichen Einsatzgebieten der Drohnenabwehr aus. Zusammen mit der US-Regierung hat das deutsche Auswärtige Amt eine Initiative gegen die „terroristische Nutzung“ von Drohnen im Rahmen des „Global Counterterrorism Forum“ gestartet. An dem Zusammenschluss von 29 Regierungen ist neben Australien, Kanada, China, Russland, Saudi Arabien und der Türkei auch die Europäische Union beteiligt.
Die Drohne als fliegendes Telefon
Die Forschungen zur Abwehr von Drohnen eröffnen auch neue Möglichkeiten zu ihrer Regulierung. Denn die Erkennungssysteme sollen „kooperative“ von „nicht kooperativen“ Luftfahrzeugen unterscheiden. Als „kooperativ“ gelten beispielsweise Transportdrohnen oder fliegende Kameras, die für die Kontrolle von Hochspannungsleitungen, Pipelines und zur Überwachung eingesetzt werden.
Im Projekt „Connected Drones“ haben die Deutsche Flugsicherung GmbH und die Deutsche Telekom eine solche Plattform vorgestellt. Die erlaubten Fluggeräte führen dafür eine Mobilfunk-Sendeeinheit mit sich. Über eine SIM-Karte sendet die Drohne bis zu einer Höhe von 100 Metern Positionsdaten an die Flugsicherung, wo sie im Luftlagebild angezeigt werden.
Auf diese Weise geortet, könnten unbemannte Luftfahrzeuge von Polizei und Rettungskräften als „besonders autorisierte Nutzer“ sogar in gesperrten Lufträumen fliegen. Umgekehrt würden Drohnen, deren Telefonnummer nicht registriert ist, als „nicht kooperativ“ erkannt. Diese „Datengrundlage“ wird dann für ihre Bekämpfung genutzt.
Beitragsbild: Drohnenabwehr bei einer Präsentation der WTD 61 (WTD 61).