Redaktionsmitteilung

Wer dieser Tage in die Zeitung schaut, könnte meinen, das Abendland sei wieder am Untergehen. In NRW behauptet die Justizministerin, kriminelle Clans stünden „über dem Recht“. In Essen seien nach einer Schlägerei von ein „paar hundert Arabern“ die „Anwohner angewidert“ und der „deutsche Staat“ machtlos, weiß die WELT. Weil dies die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetze, verfolgt der Innenminister von NRW eine „Null-Toleranz-Strategie“. Auch der Bundesinnenministerin machen Clans „viel Sorge“, denn sie störten „Familien mit Kindern“ (keine Clans) bei ihren Freibadbesuchen.

Deutschland versus der einfallende Orient – das Spektakel wird ausgetragen in unzähligen Großrazzien, bei denen am Ende schon fast egal ist, wenn das medienwirksame Ereignis v. a. Verkehrsdelikte und Kleinstvergehen zu Tage fördert. Denn offenbar geht es gar nicht um Gewaltbekämpfung, sondern, ja, um was eigentlich?

Unter dem Titel „Mythos Clankriminalität“ beleuchten wir die Frage aus verschiedenen Perspektiven und geben angesichts komplexer Interessenpolitiken mehr als nur eine Antwort. „Clankriminalität“, das ist die straf- und ordnungspolitische Verwaltung migrationspolitischer Ausschlüsse. Die Debatte kann Gentrifizierung und Verdrängung legitimieren. Oft sind polizeiliche Macht- und Ressourcenpolitik ebenso im Spiel wie Wahlkampf und politische Profilierung. Doch wir schauen nicht nur auf Profitierende der Debatte, sondern auch auf Betroffene – die sich zunehmend organisieren gegen Stigma und Rassialisierung.

Die nächste Ausgabe von Bürgerrechte & Polizei/CILIP befasst sich mit der Kontrolle der Polizei. Eines unserer ältesten Themen, das jüngst durch antirassistische polizeikritische Proteste neue politische Brisanz erhielt und von neuen Forschungen in den Blick genommen wird.

Beitragsbild: „Razzia“ (Polizei Essen).

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