Laut der EU-Grundrechteagentur haben Deutschland, Italien, Malta, die Niederlande und Spanien in den vergangenen sieben Jahren Dutzende Verwaltungs- oder Strafverfahren gegen Träger oder Angehörige der Crews von Seenotrettungsschiffen eingeleitet.[1] In dem im Oktober veröffentlichten Bericht betrachtet die Agentur den Zeitraum von 2017 bis zum 30. Juni 2023. Ein Drittel der juristischen Vorgänge sind Strafverfahren, die meisten anderen Fälle betreffen Inspektionen, Untersuchungen oder Beschlagnahmungen durch die Hafenbehörden. Dazu behaupteten die Behörden etwa technische Unregelmäßigkeiten. Im Verhältnis habe die Zahl der Verwaltungsmaßnahmen gegen die Seenotretter in den vergangenen Jahren zu- und die Zahl der Strafverfahren abgenommen. Fast alle abgeschlossenen Strafverfahren endeten mit einem Freispruch oder der Freigabe des beschlagnahmten oder festgehaltenen Schiffes oder seien aus Mangel an Beweisen eingestellt worden.
Die meisten Repressalien erfolgen in Italien. Die Regierung in Rom ist dazu übergegangen, Geldstrafen bis zu 10.000 Euro zu verhängen und die betroffenen Schiffe für 20 Tage im Hafen festzusetzen. Am 24. Februar 2022 hatte das italienische Parlament hierzu ein neues Gesetz verabschiedet und damit einem Dekret Rechtskraft verliehen, das die von der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni geführte Koalition bereits Anfang des Jahres erlassen hatte.[2] Das neue Gesetz zwingt die Organisationen, einen von den Behörden bestimmten Hafen anzulaufen. Solche Häfen liegen häufig tausende Kilometer vom Einsatzgebiet entfernt. Zusätzliche Rettungen auf dem Weg dorthin sind der Besatzung verboten.
Die Hilfeleistung für Menschen in Seenot ist nach internationalem Recht eine Pflicht aller Staaten und Schiffskapitäne, erinnert die Grundrechteagentur in ihrem Bericht.