Mit dem „Gesetz zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts“ hat die Koalition von SPD, Grünen und FDP im Bund Ende 2023 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2354/13 v. 28.9.2022) zu den Übermittlungsvorschriften der Dienste an die Polizei umgesetzt.[1] Die Richter hatten die vorherigen Regelungen als zu unbestimmt und unverhältnismäßig gewertet. Erhebungsschwellen der Polizei drohten, durch geheimdienstliche Ausforschung und anschließende Übermittlung unterlaufen zu werden.
Das Gesetzgebungsverfahren verlief einigermaßen holprig. Die Koalition hatte noch umfangreiche Änderungen am ursprünglichen Entwurf aus dem Bundesinnenministerium vornehmen müssen. In einer gewohnt umständlichen Formulierung hat nun auch die aus dem Polizeirecht bereits bekannte „drohende Gefahr“ ihren Weg in das Nachrichtendienstrecht gefunden. Wenn „Tatsachen im Einzelfall auf die Entstehung einer konkreten Gefahr hinweisen“, darf der Verfassungsschutz seine Erkenntnisse an die Polizei übermitteln (§ 19 Abs. 2 BVerfSchG), bei unmittelbarer Gefahr ist er dazu nun verpflichtet. Mit einer Auflistung der gefährdeten Schutzgüter versucht der Gesetzgeber zudem die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots zu erfüllen. Auch die Übermittlung für Sicherheits- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen u. a. im Beamten- und im Waffenrecht erhält nun eine eindeutige Rechtsgrundlage. Angehoben werden die Schwellen zur Übermittlung von Informationen für die Strafverfolgung. Erweitert werden die Übermittlungsbefugnisse an nicht-öffentliche Stellen, wobei entgegen der ursprünglichen Entwurfsfassung die bisherige Systematik eines Übermittlungsverbots mit Ausnahmen erhalten bleibt. Nachdem mit der Verfassungsschutzreform 2015 bereits die Speicherung der Daten von über 14-jährigen Minderjährigen zugelassen wurde, wird nun auch die Weitergabe dieser Daten ohne weitere Beschränkungen sowie durch eine Ausnahmeregelung auch für unter 14-Jährige zugelassen.
Neu geregelt werden Befugnisse der Geheimdienste zur Eigensicherung. Ein zweites Gesetz zur Neuordnung des Nachrichtendienstrechts wird in diesem Jahr folgen, in dem insbesondere der Einsatz von V-Leuten der Dienste und weitere Überwachungsbefugnisse der Rechtsprechung des BVerfG angepasst werden sollen.