Vereint gegen Bürgerprotest: Staatssicherheit, Volkspolizei und SED-Führung

Zu Demonstrationen waren die BürgerInnen der DDR seit 40 Jahren verpflichtet: am 1. Mai, bei Staatsbesuchen, noch bei den Jubelfeiern am 7.10. zum 40jährigen Bestehen der „Republik“. Doch Demonstrationen, nicht als staatlich organisierte Zurschaustellung des Volkes, sondern als Form der unmittelbaren Artikulation von BürgerInnen sind eine neue Errungenschaft. Sie wurde nicht gewährt, sondern hart erkämpft, von hunderttausenden von Menschen in allen größeren Städten, gegen die Partei- und Staatsführung, gegen Volkspolizei und Stasi. Die Vorgehensweisen der Polizei und vieles, was dabei erlitten wurde, klingt uns durchaus vertraut.

1. Ein Lehrstück

Unsere Kenntnisse vom Vorgehen der Vopo und des Stasi in den letzten Wochen sind noch äußerst begrenzt, unser Überblick über Formen und Ausmaß des staatlichen Umgangs mit politischem Protest auf den Straßen der DDR ist noch recht lückenhaft. Die Kenntnisse basieren vor allem auf Aussagen von Betroffenen und Zeugen, Pressenotizen und Gesprächen mit FreundInnen (vgl. die in dieser Ausg. dokumentierten Betroffenenberichte). Doch soviel läßt sich aus einer Rekonstruktion der Ereignisse jetzt schon sicher sagen: Es geht nicht um „Übergriffe“ einzelner Sicherheitskräfte und die scheinbar abnormen Einsatzbefehle einer greisen Führungsklique. Beide sind vielmehr Ausdruck und zugespitzte Konsequenz einer Herrschafts- und Sicherheitsdoktrin, der die Staats- und Parteiführung, die Stasi, die Volkspolizei und die Staatsanwaltschaft gleichermaßen folgten.

Erkennbar – und hoffnungsträchtig – ist aber auch, daß die Demonstrationen im Herbst dieser Jahres in der DDR ein Lehrstück dafür sind, wie der offene Einsatz staatlicher Gewalt vor den Augen vieler Menschen die noch vorhandene passive Loyalität der BürgerInnen gegenüber der Regierung vollends zerstören kann, und er gerade Frauen wie Männer dazu bringt, ihre Angst zu überwinden, um den Strom jener zu stärken, die begonnen haben, öffentlich und auf der Straße für ihre Forderungen einzutreten.

2. Die Opposition formiert sich

Im Jahre 1988 mochte die Stasi und die SED noch den Eindruck haben, daß sie der Bildung von oppositionellen „informellen Gruppen“, etwa der „Initiative Friedens- und Menschenrechte“, wie früher durch Ausbürgerungen und Abschiebungen Herr werden könnte. Doch die Oppositionsgruppen wuchsen weiter, ja, es gelang ihnen, die Kommunalwahlen im Frühjahr 89 zu einem Votum gegen die SED und ihre Bündnispartner umzufunktionieren. Die Versammlungen der Gruppen in
Räumen der Kirche und die Bittgottesdienste begannen sich zunehmend zu Demonstrationen zu entwickeln, in deren Anschluß es teilweise auch zu Verhaftungen kam. Am 7.9. gab es in Berlin eine kleine Demonstration gegen die Wahlfälschungen bei den Kommunalwahlen, bei der 40 Personen festgenommen wurden. Am 25.9. waren es etwa 8.000, die in Leipzig für die Zulassung des „Neuen Forums“ und für Reformen auf die Straße gingen, was von der Regierung als „staatsfeindliche Aktivität“ deklariert wurde. Eine Woche später waren es dann schon 10.000, die mit „Gorbi-, Gorbi“-Rufen und der Forderung nach freien Wahlen demonstrierten.

Angesichts der Massenausreise von DDR-Bürgern und dem Anwachsen der Opposition war damit die Situation für die „Staatssicherheit“ und die Partei- und Staatsführung kurz vor den offiziellen Jubelfeiern zum 40jährigen Bestehen der DDR äußerst kritisch. Das Gespenst der Konterrevolution ging um – der Inbegriff von vermeintlich organisierter und von außen gesteuerter Aktivitäten zum Sturz der „sozialistischen Staatsmacht“. In der Leipziger Volkszeitung drohte der Kommandeur einer Betriebskampfgruppe damit, daß „wir bereit und willens (sind) … diese konterrevolutionären Aktionen endgültig zu unterbinden. Wenn es sein muß, mit der Waffe in der Hand“ (zit. nach „Die Zeit“, 13.10.89). Und Honecker selbst warnte während der Festivitäten am 7. Oktober noch davor, daß einflußreiche Kräfte in der BRD „durch einen Coup“ den „Vorposten des Sozialismus beseitigen wollen“ (SZ, 09.10.89).

3. Eine Parteiführung feiert ihren Staat, die Bürger demonstrieren für ihre demokratischen Rechte

Die Anwesenheit des Hoffnungsträgers Gorbatschow verstärkte die Gefahr unerwünschter Proteste während der offiziellen Feierlichkeiten. Die Stasi versuchte diese zu unterbinden, indem sie zum einen in altbekannter Manier die Aktivisten informeller Gruppen observierte und unter Druck zu setzen suchte („Bleib zu Haus“), zum anderen, indem sie die Route, die Gorbatschow durch die Stadt nahm, verheimlichte. Gesperrt wurden die Grenzen nach West-Berlin, die gesamte Polizei wurde in Alarmbereitschaft versetzt.

Was dann jedoch am 7. Oktober geschah, konnte durch die Polizei kaum verhindert werden. Viele der unzufriedenen und zornigen BürgerInnen strömten einzeln oder in kleinen Gruppen auf zentrale Plätze und Straßen und bekundeten ihren Unmut gegenüber der sich selbst feiernden Führung – in Berlin und Dresden, in Leipzig und Jena, Potsdam und Plauen. In der Hauptstadt formierte sich am Abend am Alexanderplatz, auf dem zuvor ohne große Resonanz Musikdarbietungen für das Volk stattgefunden hatten, ein Demonstrationszug von sechs- bis siebentausend Menschen. Sie zogen mit Rufen wie „Pressefreiheit“ und „Neues Forum“, die „Internationale“ und „We shall overcome“ singend, in Richtung Prenzlauer Berg und Gethsemanegemeinde, das Brandenburger Tor hinter sich lassend, an dem starke Polizeikräfte zusammengezogen worden waren. Die Polizei zerteilte die Menschenmenge und kesselte unter massivem Einsatz von Knüppeln und Wasserwerfern kleinere Gruppen ein. Etwa 900 Leute wurden sistiert (genaue Angaben liegen uns bis jetzt nicht vor) und auf Polizeiwachen und in Haftanstalten gebracht.

Am Sonntag, dem 8.10., wurde die Gethsemanegemeinde wie schon am Abend zuvor völlig von der Polizei abgeriegelt. Ansätze zu Demonstrationen, von Mahnwachen für die immer noch Inhaftierten wurden schon im Keim zu ersticken gesucht. „Verdächtige“ wurden einfach auf der Straße oder aus der S- oder U-Bahn heraus aufgegriffen und den zentralen Sammelstellen für Inhaftierte zugeführt.

Vergleicht man die von der „Kontakttelefongruppe“ beim Stadtjugendpfarramt Berlin gesammelten, aber auch die aus Dresden kommenden Zeugenaussagen über die Polizeieinsätze am 7./8.10., dann ergibt sich aus den vielfach übereinstimmenden Beobachtungen ein durch folgende Merkmale gekennzeichnetes Bild der polizeilichen Einsätze:

Der Sicherheitsapparat interpretierte die Proteste und die Ansätze zu Demonstrationen offensichtlich in dem von Honecker vorgezeichneten Muster als Ausdruck staatsfeindlicher Aktivitäten und als Ansatz zu einer „Konterrevolution“. Stasi und Vopo erschien es deshalb wichtig, nicht nur mögliche Proteste mit Gewalt zu verhindern, sondern die organisierenden Kräfte dingfest zu machen. Die Massenfestnahmen („Zuführungen“) dienten nicht nur der Abschreckung und Einschüchterung, sondern vor allem auch dazu, die mutmaßlichen „Rädelsführer“ zu erfassen. Systematisch gefragt wurde in den Verhören vor allem nach Kontakten zu den informellen Gruppen, zu einzelnen Aktivisten, zu bestimmten Kirchenkreisen etc. Wurden bei Sistierten Flugblätter des Neuen Forums etc. gefunden – „staatsfeindliche Dokumente“ -, so wurden die Betroffenen besonders intensiv und lange vernommen.

Die Wahrnehmung der Proteste als Ansätze einer gewaltsamen Konterrevolution, wie sie von der Partei- und Staatsführung verbreitet wurde, bestimmte auch die polizeiliche Einsatzkonzeption. Bereitschafts- und Volkspolizisten wie die des Wachregiments Dzierzynski, waren offensichtlich zuvor auf gewaltsame Angriffe eingestimmt worden („Ihr wollt auf dem Alex Polizisten aufhängen, wir werden an Euch Rache nehmen“). Verschiedene Indizien deuten sogar darauf hin, daß eine gewaltsame Auseinandersetzung von Polizei oder Stasi provoziert werden sollte. So verschwand nach Aussagen von Zeugen eine Person, die sich durch besonders militante „Stasi-Schweine“-Rufe und agressives Verhalten hervorgetan hatte, schnell hinter den Polizeilinien, nachdem sie von Demonstranten zur Rede gestellt worden war.

Doch der gewaltsame Angriff fand nicht statt; die Demonstranten hielten trotz der Greifkommandos, dem teilweise exzessiven Gebrauch der Knüppel und des Einsatzes von Wasserwerfern am Prinzip „keine Gewalt“ fest. Versuche, sich aktiv der Festnahme durch die Polizei zu entziehen, blieben die Ausnahme.

Dem friedlichen Verhalten der Demonstranten dürfte es zu verdanken sein, daß sich der Einsatz polizeilicher Gewalt unmittelbar auf der Straße noch in Grenzen hielt. Die von den Betroffenen geäußerten Klagen über das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte beziehen sich deshalb auch vor allem auf die völlige Willkürlichkeit der „Zuführungen“ und den entwürdigenden und gewalttätigen Umgang mit den bereits festgenommenen Personen. Herausgegriffen wurden von der Polizei nicht nur einzelne Demonstranten, verdächtig war viel-fach alleine schon die Anwesenheit auf der Straße. Auf den Sammeltransportern der Polizei fanden sich wieder: Berufstätige, die auf dem Nachhauseweg waren, ein Ehepaar, das seinen Hund ausführen wollte, eine Mutter mit ihrem 12jährigen Kind, Neugierige und Wohnungsinhaber, die Demonstranten Unterschlupf gewährt hatten. Betroffene aus Berlin wie aus Dresden berichten hierbei übereinstimmend von brutalen Polizeimethoden. Schon während sie auf die Wagen gezerrt wurden, erhielten viele Tritte und Schläge mit den Knüppeln, bei der Einlieferung in Reviere und Kasernen wurden sie durch ein Spalier von Polizisten gejagt, die wiederrum Schläge verteilten. Danach dann mußten die Sistierten teilweise über 12 Stunden mit gegrätschten Beinen und ausgestreckten Armen an die Wand angelehnt stehen bleiben.

Der Versuch, zu schlafen, wurde systematisch unterbunden. Die Inhaftierten wurden entwürdigenden Ritualen unterworfen, indem etwa einzelne gezwungen wurden, im Entengang Treppen hinaufzuhüpfen, der Gang zur Toilette versagt wurde oder sie wiederholt aufgefordert wurden, sich nackt auszuziehen. Wenn gegenüber dieser Behandlung der Sistierten durch die Polizisten und Wachen die eigentlichen Verhöre durch Kripo oder Stasi von der Mehrheit der Zeugen als korrekt geschildert werden, so erscheint dies letztendlich selbst nur noch als der psychologisch konsequente Schlußpunkt einer Strategie, die durch psychische Schikanen, Mißhandlungen und Degradierungen die Inhaftierten zu möglichst umfassenden Aussagen bringen sollte. Viele berichten denn auch in ihren Gedächtnisprotokollen, daß sie am Ende ihrer Kräfte die ihnen vorgelegten Protokolle unterschrieben haben und die im Schnellverfahren ausgesprochenen Strafen annahmen.

4. Die Folgen: Solidarisierung statt Rückzug

Der Versuch der Stasi und der Polizei, den harten Kern der Oppositionellen zu erfassen, die Spreu vom Weizen zu trennen, wie ein Vernehmer sagte, schlug fehl. Das brutale Vorgehen der Staatsgewalt trug vielmehr nur dazu bei, daß sich nun weit mehr Bürger bereitfanden, ihre moralische Empörung über die repressive Politik der Staats- und Parteiführung öffentlich kundzutun. Erste Protestnoten von Künstlern und Wissenschaftlern zirkulierten, die Forderung nach einer Untersuchung der Polizeieinsätze wurde laut.

Die Staatsseite blieb jedoch weiterhin bei ihrer harten Linie. Im „Neuen Deutschland“ wurden in der Montagsausgabe die Berliner Demonstranten als „bewaffnete Krakeler“ bezeichnet. In Leipzig, wo für den Montagabend – wie jede Woche – ein Friedensgebet angesetzt war, wurden starke Kräfte der Polizei, der Stasi und die Betriebskampfgruppen zusammengezogen. Auch Militäreinheiten standen in Bereitschaft. Die Krankenhäuser wurden angewiesen, einen Notdienst einzurichten und Blutkonserven bereitzuhalten.

Eine „Atmosphäre schrecklicher Angst“ breitete sich aus (so Superintendent Magirius). Viele rechneten damit, niedergeschossen zu werden (so Sonja Schröter vom „Demokratischen Aufbruch“ in der ARD-Fernsehdiskussion aus Leip-zig, vgl. FAZ 21.11.89). Gleichwohl strömten die Bürger in Massen zur Nikolaikirche.
In dieser angespannten Situation wandte sich der Kapellmeister des Leipziger Gewandhausorchesters Kurt Masur gemeinsam mit dem Theologen Zimmermann und dem Kabarettisten Lange an die Bezirksleitung der SED und erreichten im Gespräch mit drei Bezirkssekretären 45 Minuten vor Beginn der Demonstration eine Übereinkunft. Einerseits wurde in einem gemeinsamen Aufruf, der im Stadtforum, den Friedensgebeten und im Rundfunk verbreitet wurde, zur strikten Gewaltlosigkeit bei der Demonstration aufgerufen. Zugleich sollten aber auch die Kommandeure der Sicherheitskräfte veranlaßt werden, diese zurückzuziehen (Masur, FAZ 21.11.89). Inweiweit Egon Krenz in einem späteren Telefonat noch zum Rückzug der „Sicherheitskräfte“ beigetragen hat, ist für den Ablauf der Ereignisse nur von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend war vielmehr der Mut und die Disziplin der Demonstranten selbst: „Die Leute haben sich aus Angst aneinandergeklammert und sind, siebzigtausend an der Zahl, trotzdem losgegangen. Das war die eigentliche Leistung, die das Ganze zum Kippen brachte“ (so Sonja Schröter in der Fernsehdiskussion, vgl. FAZ 21.11.89).

4. Die Folgen von Leipzig

Die Demonstration von Leipzig bedeutete das Ende der bisher von der Partei- und Staatsführung vertretenen Ideologie von der Konterrevolution. Sie trug mit zum Sturz Honeckers bei, der flugs zum einzig Verantwortlichen mit seinem mutmaßlichen Einsatzbefehl an das Militär stilisiert wurde, währenddessen dem Nachfolger Krenz das Verdienst zugeschrieben wurde, die „chinesische Lösung“ verhindert zu haben. Doch diese falsche Personalisierung der Politik kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vorbereitung des Bürgerkriegs in Leipzig nur die konsequente Fortführung der schon zuvor betriebenen Sicherheitspolitik war, die jeden öffentlichen Protest als Angriff auf die eigene Macht und als Konterevolution wertete. Auch wenn letztendlich die reformwilligen Teile der SED vor einem möglichen Blutbad zurückschreckten, so zeigt Leipzig doch, wie weit die Staats- und Parteiführung als Ganzes zu gehen bereit war.

Genau dieses wurde dann in den Tagen nach der Demonstration des 9. Oktober so weit wie möglich zu vertuschen gesucht. Während Krenz durch gezielt gestreute Gerüchte als Retter von Leipzig aufgebaut wurde, versuchte Schabowski, die weitere Diskussion um die Berliner Vorfälle mit allen Mitteln abzuwürgen. Doch der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche, Stolpe, dem er einen Verzicht auf die Veröffentlichung von Gedächtnisprotokollen abgerungen hatte, konnte seine Zusage nicht einhalten. Am 23.10. veranstaltete das Stadtjugendpfarramt eine Pressekonferenz und legte die Dokumentation vor. Tags darauf forderte Schabowski vor den Volkskammerabgeordneten, die vom Generalstaatsanwalt eingeleiteten Ermittlungen möglichst sofort für beendet zu erklären. Man solle etwa 70 bis 100 Fälle an Übergriffen eingestehen und damit die Sache vom Tisch bringen. Sonst drohe eine weitere Demontage des neuen Generalsekretärs und der Partei (so Schabowski laut einem illegal angefertigten Tonbandmitschnitt, vgl. Tsp. 11.11.89).

Doch die Forderungen nach einer radikalen Aufklärung der Vorgänge und einer grundlegenden Reform der Sicherheitskräfte war nicht mehr zu unterbinden. In der Volkskammer wurde ein Untersuchungsausschuß zur Klärung der Vorgänge gebildet, in Berlin daneben auch noch eine aus Mitgliedern des Magistrats und Vertretern oppositioneller Gruppen bestehende Kommission. Der Generalstaatsanwalt mußte – wenn zunächst auch sehr vorsichtig – Fehlverhalten von Sicherheitsorganen einschließlich der Staatsanwaltschaft einräumen. Und das Ministerium für Staatssicherheit gab bekannt, daß es 1.200 seiner Mitarbeiter in den Braunkohleabbau kommandiert habe, wie es von Demonstranten vielfach gefordert worden war („Stasi in den Tagebau“) (Tsp. 11.11.89).

Inzwischen ist das Stasi-Ministerium in „Amt für nationale Sicherheit“ umbenannt und dem Innenministerium unterstellt worden. Als neue Konzeption für die Arbeit dieses Amtes nannte unlängst das zuständige Politbüromitglied Herger:
* Aufklärung friedensgefährdender Pläne,
* Schutz vor Spionage und Terrorismus,
* Abwehr neofaschistischer und antisemitischer Aktivitäten (FAZ 18.11.89).
Am 23. November kündigte ADN gar die Entlassung von ca. 8.000 Stasi-Beschäftigten an. Westliche Geheimdienstkreise schätzen die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter auf 20.000. Mehr als die Umbenennung, wäre dies ein Signal für eine in der Tat neue Politik.

6. Nachbemerkung

Die Demonstrationen und die staatlichen Reaktionsformen sind in der DDR Gegenstand der politischen Auseinandersetzung geworden. Nicht zuletzt von der Art und Weise, wie sie aufgearbeitet werden, hängt die Neugestaltung des staatlichen Gewaltapparates in der DDR ab. Deshalb geht es bei dem von der Volkskammer eingesetzten Untersuchungsausschuß über die Vorfälle am 7. bis 9. Oktober d.J. um mehr als eine Vergangenheitsbewältigung. Die Frage ist, ob es in der öffentlichen Auseinandersetzung gelingt, nicht nur die Verantwortlichkeit einzelner „brutaler Polizisten“ und Politiker aus der „Viererbande“ um Honecker, Mielke u.a. zu klären, sondern die strukturellen Mechanismen im Herrschaftssystem aufzudecken, die zu den polizeilichen Einsatzstrategien, zu Brutalitäten, Massenverhaftungen, der Vorbereitung des Militäreinsatzes etc. führten.

Die Regierung Modrow hat neue demokratische Formen der Kontrolle von Polizei und anderer Sicherheitsorgane in Aussicht gestellt. Es bleibt zu hoffen, daß es den BürgerInnen in der DDR gelingt, die Polizei und andere „Sicherheitsorgane“ zu Organen ihrer Sicherheit umzugestalten. Mit Selbstkritik und wohlfeilen Entschuldigungen, wie sie jetzt von leitenden Beamten der Stasi, der Polizei und der Staatsanwaltschaft zu hören sind, ist es sicher nicht getan. Wenngleich auch dies, in der staatsautoritären Tradition Deutschlands – Ost wie West -, in der „der Staat“ nie Unrecht tun kann, bereits ein Novum ist.