Schlagwort-Archive: DDR

Neue Begünstigte des MfS? Geheimdienste und Polizei erobern die Stasi-Akten

von Heiko Stamer

23 Jahre nach dem Ende des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR ist das Interesse von Polizei und Geheimdiensten an seinen Akten ungebrochen. Grund genug, ihre Anfragen beim Bundesbeauftragten unter die Lupe zu nehmen.

Ein erheblicher Teil der vom MfS angelegten Akten- und Datenbestände enthält sensible personenbezogene Informationen, die unter Verletzung elementarer Menschenrechte, durch zielgerichtete Bespitzelung, Post- und Fernmeldekontrolle oder unzulässige Verhörpraxis über Jahrzehnte gesammelt worden sind. Die Verwertung solcher „Erkenntnisse“ für aktuelle Strafverfahren[1] oder zur „Gefahrenabwehr“ wurde nach anfänglichen Diskussionen 1991/1992 kaum weiter problematisiert und ist heute nahezu in Vergessenheit geraten. Auch die Verwendung der Stasi-Unterlagen für Zwecke der Geheimdienste hat sich mittlerweile auf einem Niveau verstetigt, das weit über die anfänglichen Bedarfsbekundungen der Behördenvertreter und die befürchteten Szenarien der damaligen Sachverständigen hinausgeht.[2] Neue Begünstigte des MfS? Geheimdienste und Polizei erobern die Stasi-Akten weiterlesen

Unbrauchbar und kontraproduktiv – Für die Abschaffung des Bundesnachrichtendienstes

von Gaby Weber

Niemand hat den BND je geliebt, doch keine der im Bundestag vertretenen Parteien plant seine Abschaffung. Im Gegenteil: Alle hoffen darauf, wenn sie nur endlich mal an den Schalthebeln sitzen, dass er auch ihnen zu Diensten sein könnte, zum Beispiel im Kampf gegen den politischen Gegner.

Ein bisschen Bespitzelung hier, ein wenig Telefonabhören dort – praktischerweise alles auf Steuerkosten. Es kommt ja nie heraus, im Zweifelsfall wird zur Vertuschung die „Nationale Sicherheit“ bemüht. Dabei ging die Rechnung eigentlich nie auf. Keine Regierung war je zufrieden mit dem Dienst. Konrad Adenauer wollte 1962, während der Spiegelaffäre, den BND-Präsidenten Reinhard Gehlen verhaften lassen. Sein Nachfolger warf die Pullacher Verbindungsgruppe aus dem Palais Schaumburg. Ludwig Erhard wörtlich: „Ich will mit diesen Leuten nicht unter einem Dach sitzen“. Willy Brandt ignorierte die „geheim“ gestempelten Berichte, die der Dienst aus der Zeitung abgeschrieben hatte. Helmut Schmidt schimpfte ihn einen „Dilettantenverein“, und Helmut Kohl strafte ihn mit Nichtachtung. Unbrauchbar und kontraproduktiv – Für die Abschaffung des Bundesnachrichtendienstes weiterlesen

Geheimdienstliche Sumpfblüten – Versuch einer Chronologie

von Otto Diederichs

Es liegt in der Natur von Geheimdiensten, dass sie einer wirksamen öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen sind. Dass sich auf solch sumpfigem Boden eine eigenwillige Dienstauffassung entwickeln kann, bei der nur noch der scheinbare Erfolg zählt, liegt auf der Hand. Ebenso, dass in solcher Art Gestrüpp regelmäßig Affären und Skandale blühen.

Die nachfolgende Chronologie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einerseits sind es zu viele und andererseits kommen die Skandale und Affären der Geheimen in der Regel erst mit deutlicher Verspätung ans Licht. Die Themenpalette reicht dabei von Fällen der Spionage/Ge­genspionage bis hin zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen. Dass eine Angelegenheit sich zum Skandal auswächst, erklärt sich oft nur aus der jeweils aktuellen politischen Situation. Geheimdienstliche Sumpfblüten – Versuch einer Chronologie weiterlesen

DDR-Kriminalstatistik – Immer mit Blick Richtung Westen

von Falco Werkentin

Wer zu DDR-Zeiten sich kundig machen wollte über kriminalstatistische Daten im ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat, suchte nahezu vergeblich.

Zwar gab es in den statistischen Jahrbüchern der DDR seit den 50er Jahren zunächst eine Rubrik „Rechtsprechung“ und danach eine mit dem Titel „Kriminalität und Zivilprozesssachen“, die dann Mitte der 60er Jahre in „Rechtspflege“ umbenannt wurde. Doch blieben die Angaben so hoch aggregiert, dass ihr Aussagewert gegen Null ging. Veröffentlicht wurden fast ausschließlich Insgesamt-Angaben über festgestellte Straftaten und verurteilte Personen sowie Angaben zu wenigen ausgewählten Deliktgruppen aus den Bereichen der Gewalt-, Eigentums- und Sexualkriminalität und Verkehrsdelikte. Seit 1978 waren es immerhin 25 Deliktgruppen, zu denen Jahreszahlen vorgelegt wurden. Zeitweilig, in den Jahrbüchern 1973-1977, hatte man selbst die Veröffentlichung dieser aggregierten Daten eingestellt. Sonstige statistische Fachserien und Publikationen – vergleichbar etwa der Rechtspflege- oder der polizeilichen Kriminalstatistik der BRD – gab es nicht. DDR-Kriminalstatistik – Immer mit Blick Richtung Westen weiterlesen

Notizen zur Geschichte der Bürgerrechtsgruppen im Nachkriegsdeutschland

Ungeachtet ihres rinnsalartigen Begleitens des mächtig etablierten Stroms alt- und neubundesdeutscher und ehemals auch DDR-licher Politik hat es Bürgerrechtsgruppen immer gegeben. Die von dem Politologen und Theologen Alfred Roos getroffene Feststellung, „(…) wenn es sich schon um Bürgerrechtsthemen handelt, dann stehen die Menschen- und Bürgerrechtsbewegten im größeren Deutschland mit dem Rücken zur Wand“ kennzeichnet die randständige Rolle aller Bürgerrechtsgruppierungen in den beiden kleineren Deutschlands, BRD und DDR, von Anfang an. Freilich, es handelt sich um einen oszillierenden Zustand: Phasen nahezu völligen Schweigens folgen auf Phasen erheblicher Aktivitäten. Nur einmal allerdings schienen Bürgerrechte und entsprechende Gruppierungen eine entscheidende Rolle zu spielen, in der besonderen Konstellation 1989/90. Ansonsten wirkten alle Aktivitäten bestenfalls als Nadelstiche oder leisteten einzelne Personen nützliche, zuweilen sogar existentielle Hilfe. Insgesamt betrachtet und gewertet, vermochten die Bürgerrechtsgruppen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als Sand ins Getriebe einer politischen Maschinerie zu werfen, die allzusehr nach dem Motto funktionierte, daß Bürger- und Menschenrechte nur dann zu beachten seien, wenn sie dem etablierten System herrschender Interessen nützten. Notizen zur Geschichte der Bürgerrechtsgruppen im Nachkriegsdeutschland weiterlesen

Politische Polizei im geteilten Deutschland – Hinweise zur Entwicklung des repressiven Staatsschutzes

von Falco Werkentin

Das besiegte Deutschland zur Demokratie zurückzuführen, das faschistische Herrschaftssystem zu zerschlagen und durch einen konsequenten Elitenaustausch die Voraussetzungen für einen demokratischen Neuanfang zu schaffen – dies waren die Vereinbarungen der Anti-Hitler-Koalition, als ihre Truppen in Deutschland einmarschierten. Dementsprechend wurden mit dem Kontrollrats-Gesetz Nr. 1 vom 20. September ’45 zentrale Straftatbestimmungen des faschistischen Strafrechts aufgehoben, mit Gesetz Nr. 2 vom 10. Oktober ’45 über die „Auflösung von Naziorganisationen“ u.a. die Gestapo als aufgelöst erklärt, mit Gesetz Nr. 11 vom 30. Januar ’46 das Strafrecht von allen politischen Straftatbeständen (vom Hoch- bis Landesverrat) bereinigt und schließlich mit dem Gesetz Nr. 31 vom 1. Juli ’46 alle „Polizeibüros und Agenturen politischen Charakters“ verboten. Politische Polizei im geteilten Deutschland – Hinweise zur Entwicklung des repressiven Staatsschutzes weiterlesen

Das polizeiliche Meldewesen in der DDR – Struktur, Datenbestände, Informationsbeziehungen

von Kirsten Paritong-Waldheim u.a.

Das Meldewesen der DDR war zentralistisch organisiert. Umfangreiche Dateien wurden auf örtlicher wie auf zentraler Ebene geführt. Zahlreiche staatliche und sonstige Stellen wurden ständig mit aktuellen Daten versorgt. Die zentrale Datenbank in Berlin besteht nach wie vor. Das polizeiliche Meldewesen in der DDR – Struktur, Datenbestände, Informationsbeziehungen weiterlesen

Das Gemeinsame Landeskriminalamt der fünf neuen Länder – Nachruf zu Lebzeiten

von Bernhard Gill

Aus dem deutsch-deutschen Vereinigungsprozeß ist ein organisatorisches Spezifikum hervorgegangen – oder besser gesagt, in Nachfolge des ehemaligen Zentralen Kriminalamtes (ZKA) übriggeblieben: das Gemeinsame Landeskriminalamt der fünf neuen Länder (GLKA). Im folgenden sollen die Geschichte, die gesetzlichen Grundlagen, Aufbau, Funktion und Perspektive des GLKA erörtert werden.

Am 5. Februar 1990 wurde das Zentrale Kriminalamt durch den Befehl Nr.0104/90 der 2.Regierung Modrow gegründet, kurz nachdem im Januar der Runde Tisch die endgültige Auflösung der STASI erzwungen hatte. Keimzelle des ZKA war dabei die Hauptabteilung Kriminalpolizei des Ministerium des Inneren, die vor der Wende zentralen Aufgaben der Kriminalitätsvorbeugung und -bekämpfung nachging und zentrale Weisungsgewalt gegenüber den Kriminalabteilungen der Volkspolizei auf Bezirks- und Kreisebene ausübte. Dem Leiter der Hauptabteilung Kriminalpolizei unterstanden auch das Kriminalistische Institut, das entsprechenden Einrichtungen im BKA vergleichbar sein soll1, und die Zentralstelle für Kriminalistische Registrierung. Das Gemeinsame Landeskriminalamt der fünf neuen Länder – Nachruf zu Lebzeiten weiterlesen