Dokumentation

Ministerium für Staatssicherheit
Der Minister

Geheime Verschlußsache
MfS 0008 Nr. 1/79
1600 Ausf. 34 Blatt

Richtlinie Nr. 1/79

für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern (IM)
und Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit (GMS)

4.3 Die Werbung der IM

Durch die Werbung sind
– die innere Bereitschaft der Kandidaten zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS zu schaffen bzw. auszubauen und ihre eigenständige Entscheidung herbeizuführen,
– feste Bindungen der Kandidaten an das MfS zu entwickeln,
– die Überprüfung der Kandidaten unter den spezifischen Bedingungen der Werbungssituation fortzusetzen.

Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben in Vorbereitung der Werbung – als Höhepunkt im Gewinnungsprozeß – insbesondere zu sichern, daß
– die Werbung auf der Grundlage der bisherigen Resultate im Gewinnungsprozeß, vor allem unter Berücksichtigung der Aufklärungsergebnisse über die Persönlichkeit der Kandidaten, richtig geplant und
– die geeignete Vorgehensweise, Argumentation, Arbeit mit kompromittierendem Material u.ä. festgelegt wird.

Bei besonders bedeutsamen und komplizierten Werbungen haben sie durch persönliche Teilnahme an der Werbung den Erfolg zu sichern.

Werbegrundlagen können sein
– positive gesellschaftliche Überzeugungen der Kandidaten,
– persönliche Bedürfnisse und Interessen der Kandidaten,
– Auslösung von Rückversicherungs- und Wiedergutmachungsbestrebungen der Kandidaten mit Hilfe kompromittierenden Materials oder
– Kombinationen zwischen diesen verschiedenen Grundlagen.

2. Bei der Werbung auf der Grundlage persönlicher Bedürfnisse und Interessen sind die bei den Kandidaten bereits vorhandenen persönlichen Bestrebungen mit den möglichen Ergebnissen und Folgen der Arbeit für das MfS zu verbinden und daraus die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu entwickeln. Dafür sind die unterschiedliche Richtung und Qualität der Bedürfnisse und Interessen zu nutzen wie

– materielle Bedürfnisse, die auf das Erlangen finanzieller Zuwendungen und anderer Vorteile, auf die Befreiung von materiellen Belastungen und Ver-pflichtungen, auf das Beibehalten besonderer Lebensgewohnheiten gerichtet sind,
– soziale Bedürfnisse, die auf das Erlangen eines besonderen Ansehens und Rufs, auf gesellschaftliche und staatliche Wertschätzung und Vertrauensbe-weise, auf den Ersatz für tatsächliche oder scheinbare Benachteiligungen ge-richtet sind,
– geistige Interessen, die auf neu- und andersartige Tätigkeiten und Wirkungs-bereiche, auf den Gewinn eines neuen Lebensinhaltes, auf das Bekanntwerden mit noch nicht zugänglichen Problemen und Erkenntnissen gerichtet sind.

Die Arbeit mit dieser Werbegrundlage erfordert:
– Überzeugungsarbeit zur bewußten Verknüpfung dieser persönlichen Bestrebungen mit den Erfordernissen der Zusammenarbeit;
– Vermeiden nicht erfüllbarer Versprechungen und illusionärer Angebote;
– die allmähliche Ergänzung oder Ersetzung der auf Materielles bezogenen Motive durch stabile Überzeugungen.

3. Bei der Werbung auf der Grundlage der Auslösung von Rückversicherungs- und Wiedergutmachungsbestrebungen der Kandidaten mit Hilfe kompromittierender Materialien ist auszugehen von der Verletzung gesellschaftlicher Normen durch die Kandidaten einerseits und andererseits von ihrem Verlangen, negative Folgen dieser Normverletzung von sich abzuwenden bzw. eingetretene Schäden durch eigene Leistung wiedergutzumachen oder zu ersetzen. Das kompromittierende Material muß

– geeignet sein, den Kandidaten die Normverletzung bewußt zu machen, ihr Gewissen anzusprechen, Schuldgefühle zu wecken bzw. Unsicherheit zu erzeugen,
– auf die Besonderheiten der einzelnen Kandidaten, auf ihre konkreten Moral-normen, ihr Rechtsbewußtsein, auf ihre charakterliche Feinfühligkeit und Ge-fühlswelt, auf ihr berufliches Ethos oder ihr Geltungsbedürfnis ausgerichtet sein.

Der Einsatz des kompromittierenden Materials hat in Abhängigkeit von seiner Beschaffenheit und der Persönlichkeit des Kandidaten differenziert zu erfolgen durch
– die kompakte Anwendung des kompromittierenden Materials, um in ihrer feindlichen Einstellung verhärteten Kandidaten den Ernst der Lage bewußt zu machen
– die ausgewählte teilweise Anwendung des kompromittierenden Materials, um damit Impulse zur selbständigen Stellungnahme der Kandidaten zu geben
– den Verzicht auf den direkten Einsatz des kompromittierenden Materials, dessen Vorhandensein die Kandidaten vermuten, um damit die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, verbunden mit positiven Haltungen zu den operativen Mitar-beitern zu entwickeln.

Zersetzung

Aus der Richtlinie Nr. 1/76 des MfS zur Entwicklung und Bearbeitung operativer Vorgänge

„Bewährte anzuwendende Formen der Zersetzung sind:
– systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben;
– systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Mißerfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen;
– zielstrebige Untergrabung von Überzeugungen im Zusammenhang mit bestimmten Idealen, Vorbildern usw. und die Erzeugung von Zweifeln an der persönlichen Perspektive;
– Erzeugen von Mißtrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen;
– Erzeugen bzw. Ausnutzen und Verstärken von Rivalitäten innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen durch zielgerichtete Ausnutzung persönlicher Schwächen einzelner Mitglieder;
– Beschäftigung von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen mit ihren internen Organisationen mit dem Ziel der Einschränkung ihrer feindlich-nega-tiven Handlungen;
– örtliches und zeitliches Unterbinden bzw. Einschränken der gegenseitigen Beziehung der Mitglieder einer Gruppe, Gruppierung oder Organisation auf der Grundlage geltender, gesetzlicher Bestimmungen, z.B. durch Arbeitsplatz-bindungen, Zuweisung örtlich entfernt liegender Arbeitsplätze usw.“