(2/1990) Stasi & Verfassungsschutz: VfS-Okkupationspläne für die DDR; VfS-Alltagspraktiken; Der „Kalte Krieg“ als Vater der „Sicherheitsapparate“ in der DDR und BRD
Ein Resümee der Auflösung des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit zu ziehen, kann nichts anderes als ein Versuch sein. Es ist noch viel zu früh dafür. Es fehlt uns nicht nur der dafür notwendige zeitliche Abstand, wir stecken noch mitten in den Geschehnissen. Eines kann man jedoch heute schon sagen: Es ist nicht gelungen, diesen Geheimdienst in einer solchen Weise aufzulösen, daß sich an seiner statt kein anderer mehr etablieren könnte. Diese historische Chance ist vertan. Das politische Umfeld, der Drang ins Deutschland einig Vaterland und die mit der überhasteten Vereinigung einhergehenden wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, politischen und ganz persönlichen Probleme haben die Frage nach dem Sinn eines konspirativ tätigen staatlichen Sicherheitssystems erst gar nicht ins Bewußtsein gelangen lassen. Stasi – Die Auflösung eines Geheimdienstes – Versuch eines Resümees – weiterlesen →
Seit 1986 wurde um neue Gesetze für das Bundesamt für Verfassungsschutz, für BND und MAD gestritten. CILIP hat die ersten Entwürfe aus dem Dunkel ministerieller Schreibtische gezerrt und öffentlich zugänglich gemacht (vgl. CILIP 21). Über Jahre gelang es Bürgerrechtsgruppen, der Vobo-Bewegung und Datenschützern, einen Entwurf nach dem anderen durch öffentliche Kritik zu kippen. Dann wurde es um diese Entwürfe still. Im Windschatten des Vereinigungsprozesses wurden überarbeitete Entwürfe plötzlich wieder dem Bundestag vorgelegt und in Windeseile mit der Mehrheit der Bonner Koalitionsparteien am 31. Mai d.J. vom Bundestag verabschiedet. Inzwischen haben die Entwürfe auch den Bundesrat passiert und hier nach Retuschen die Zustimmung der SPD gefunden. Am 21.9. d.J. sind die Gesetze nun auch vom Bundesrat mit Rechtskraft verabschiedet worden. Hierzu – und zu weiteren „Sicherheits“-Gesetzen die folgende Übersicht am Ende dieser Le-gislaturperiode. Gesetzgebung – Geheimdienstgesetze rechtskräftig verabschiedet weiterlesen →
Es wäre wirklichkeitsblind, jene Probleme, die BürgerInnen der Bundesrepublik mit den Ämtern für „Verfassungsschutz“ hatten und haben, gleichzusetzen mit jenen vielfältigen Erfahrungen direkter und verschleierter Repression, denen BürgerInnen der DDR bis vor wenigen Monaten ausgesetzt waren. Es wäre kurzsichtig wie jene geschichtsblinde Gleichsetzung von Praktiken politischer Repression in der Zeit des deutschen Faschismus mit denen in der BRD, die hier und da im linksradikalen Spektrum zu finden ist. Es sind qualitative Unterschiede zwischen diesen drei Herrschaftssystemen, auch wenn subjektives Leiden und private Erfahrungen dazu verleiten können, sie gelegentlich zu verwischen. Reiner Schults „Leben mit der Stasi“ das „Leben mit dem Verfassungsschutz“ folgen zu lassen, soll keineswegs in der BRD „Widerfahre-nes“ mit Schults Erfahrungen gleichgewichtig setzen. Unsere Autor bestand aus persönlichen Motiven darauf, seinen Beitrag nicht namentlich zu zeichnen. Angst vor dem „Verfassungsschutz“ war es nicht. Der Text ist authentisch, die Zwischenüberschriften sind von uns eingefügt worden. BRD – Leben mit dem „Verfassungsschutz“ weiterlesen →
9.4., Köln: Eine Klausurtagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat beschlossen, in den neu zu bil-denden Ländern der DDR Landes-ämter für „Verfassungsschutz“ einzu-richten. Ein neu zu schaffendes „Amt für Innere Sicherheit“ soll nach der politischen Vereinigung der beiden deutschen Staaten das Bundesamt ab-lösen.
11.4., Hamburg: In einem Beru-fungsverfahren vor dem LG wird ein Polizist vom Vorwurf der Sachbeschä-digung im Amt aufgrund mangelnder Beweise freigesprochen. Der Beamte war 1988 vom Amtsgericht zu 3.600 DM Geldstrafe verurteilt worden, weil es das Gericht als erwiesen an-gesehen hatte, daß er im Rahmen des „Hamburger Kessels“ mit seinem Knüppel eine Droschke beschädigt hatte. Chronologie* weiterlesen →
Fricke, Karl Wilhelm:
Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklung, Strukturen, Aktionsfelder, 3. Auflage, Köln (Verlag Wissenschaft und Politik) 1989, 262 S.
Mitter, Armin/ Wolle, Stefan (Hg.):
Ich liebe euch doch alle! – Befehler und Lageberichte des MfS Januar – November 1989, Berlin (BasisDruck Verlagsgesellschaft) 1990, 250 S.
Vorbemerkung der Redaktion: Stasi-Opfer als Stasi-Auflöser – ein Wirklichkeit gewordener Traum? Ob Reinhard Schults utopische Phantasie vor dem Herbst 1989 so übermütig gewesen ist, haben wir zu fragen unterlassen. Jedenfalls war er, Gründungsmitglied des Neuen Forums, von Beginn an bei der Auflösung der Berliner Stasi-Zentrale dabei, zuletzt als Mitarbeiter des „Staatlichen Komitees zur Auflösung der Stasi“. Seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre zählte er für die Stasi zu den feindlichen Kräften in der DDR, zunächst politisch aktiv im Friedenskreis der Evangelischen Studentengemeinde in Ost-Berlin. Acht Monate Haft konnten ihn nicht umerziehen. So blieb er Oppositioneller und Maurer in einem Fleischkombinat der Hauptstadt, bis er zeitweilig „hauptamtlicher“ Stasi-Auflöser wurde und neue Kenntnisse erwarb, die – so hoffen wir, deren Phantasie durch die FreundInnen aus der DDR beflügelt worden ist – auch und gerade im vereinten Deutschland noch demokratischen Nutzen bringen werden. Denn die effektivste Form der Kontrolle politisch-repressiver Apparate ist deren Auflösung. Stasi – Leben mit der Stasi weiterlesen →
Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.