Das ‚System Innere Sicherheit‘ – Eine erstaunlich kontinuierliche Karriere

„Der Staatsschutz lebt davon, daß er von Leuten wahrgenommen wird, die sich dafür engagieren. Und Leute, die sich dafür engagieren, wie Herold und ich, die finden immer einen Weg. Wenn sie eine gesetzliche Regelung haben und sie mal strapazieren müssen, funktioniert sie ja meistens doch nicht“ (Generalbundesanwalt Siegfried Buback).

Veränderung und Beschleunigung sind die Zeichen der Zeit. Inmitten der Flucht der Zeiten stellt die herrschaftliche Einrichtung des Staates und ihre Stabilität einen sichernden Bezug dar. Diese Stabilisierung im Kern leisten das Recht und das seinerseits mit rechtlichen Gamaschen versehene staatliche Gewaltmonopol. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung lauten deshalb seine Grundfunktionen. Freilich: Dieses Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit, wie Max Weber das eigensinnige Instrument des Staates gültig genannt hat, besteht seinerseits nicht unveränderlich. Es wandelt sich und kündet in seinem Wandel von staatlichen und gesellschaftlichen Veränderungen.

Am bedeutsamsten war seine Ausdifferenzierung in Militär und Polizei im 19. Jahrhundert. Soll das Militär die territoriale Integrität und die Hoheit souveränen Handelns gegen äußere Feinde mit der tödlichen Waffe sicherstellen, so kommt der Polizei die Aufgabe zu, im Innern des Landes gegen Störer, Gesetzesbrecher und Aufrührer Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Auch sie verfügt hierzu über die Instrumente und Kompetenzen des unmittelbaren Zwangs. Dieser Zwang ist jedoch darauf gerichtet, gesetzeswidriges und gewaltsames Handeln von einzelnen und Gruppen zu unterdrücken, sie ihrer Strafe zuzuführen oder vorweg von solchem Handeln abzuschrecken. Die störend-aufmüpfigen Bürger sollen „in Ordnung gebracht“, nicht getötet werden.

Seit dieser Ausdifferenzierung in zwei institutionelle Repräsentanten staatlichen Gewaltmonopols, die sich im Notfall ergänzen, ist die polizeiliche Ent-wicklung nicht stehengeblieben. Je stärker sich der Staat verdichtete und die Gesellschaft insgesamt verrechtlichte, je mehr also von einer „Durchstaatung“ gesprochen werden kann, desto mehr dehnten sich die Aufgaben der Polizei und änderten sich dementsprechend ihre Aufgaben- und Befugnisnormen.

Das Ende der Nachkriegszeit

Auch während der letzten 25 Jahre stellt die Polizeientwicklung einen schaffenden Spiegel der bundesdeutschen Staats-Gesellschaftsentwicklung dar. Mit den Notstandsgesetzen wurde die Restauration der bundesdeutschen Polizei abgeschlossen. Hier war in der Tat das „Ende der Nachkriegszeit“ erreicht. Die Polizei war, preußisch-deutscher Tradition entsprechend, strikt staatlich reorganisiert worden. Der militärisch-polizeiliche Zwitter Bundesgrenzschutz wurde verpolizeilicht. Die Polizeien waren in ihren Kompetenzen, technisch und organisatorisch auf Störer „programmiert“ und entsprechend auf ihre re-pressive Funktion in Strafverfolgung und Gefahrenabwehr geeicht. Gleicherweise war die immer prekäre Trennung zwischen polizeilichem Handeln i. S. unmittelbaren Zwangs und den Nachrichtendiensten vergleichsweise eindeutig. 1969 hub eine neue Etappe der Polizeientwicklung an. Sie reicht in die Ge-genwart. Trotz wechselnder Legitimationsmuster und mancher Korrektur im einzelnen läßt sich eine erstaunliche Linearität der Entwicklung feststellen. Dieselbe steht unter zwei einander zublinkenden Leitsternen. Der „Modernisierung“ der Polizei und der Rolle der Polizei im „System Innerer Sicherheit“. Die „Modernisierung“ wurde in der Regierungserklärung der frisch gebackenen sozialliberalen Koalition im Herbst 1969 von Willy Brandt (SPD) im Zuge der „Inneren Reformen“ verheißen. Sie stellt eine der wenigen erfolgreichen „Inneren Reformen“ dar, wenn nicht gar die einzige. Das „Programm Innere Sicherheit“ wurde von der Innenministerkonferenz (IMK) erstmals 1972 verabschiedet und 1974 erneuert. Es schloß an das „Sofortprogramm zur Verbrechensbekämpfung“ von 1970 an. Das „Programm Innere Sicherheit“ leitete den Aus- und Umbau der Polizei und der Nachrichten-dienste ein. Sie wurden personell vergrößert; sie wurden technisiert, wenn nicht technologisiert und teilweise verwissenschaftlicht; sie wurden in Richtung Zentralisierung und informationeller Vernetzung reorganisiert; sie gewannen zusätzliche Kompetenzen, indem nicht zuletzt der Gefahrenbegriff von seinem konkreten Bezug abstrahiert wurde. Die deutsche Tradition, das Gewaltmonopol und seine Repräsentanten im Innern, Polizei und Geheimdienste feinsinnig zu verrechtlichen, ist in der Folgezeit in einer Weise fortgesetzt worden, daß ein feinmaschiges Sicherheitsnetz entstanden ist, das für nahezu alle Gelegenheiten alle polizeilichen Handlungen trägt.

Allgemeine Merkmale der „neuen“ deutschen Polizei

Am wichtigsten ist die allmähliche Ausweitung, ja Auflösung des Polizeibe-griffs. Herkömmlich war die Polizei auf die Abwehr vergleichsweise konkreter Gefahren und die Verfolgung hochgradig verdächtiger Täter ausgerichtet. (Siehe S. 13 – 21) Heute wird der konkrete Gefahren- und Täterbezug verallgemeinert. Diese Verallgemeinerung wird rechtlich in Aufgaben- und Befugnisnormen umgeetzt, so daß deren detaillierte Verrechtlichung die Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Polizei nicht verstärkt, sondern schwächt. Polizei, in einer Fülle ausdifferenzierter Untereinheiten diversen Grades institutioneller Eigenständigkeit, wird nun in der Tat zu einem „System Innerer Sicherheit“. Sie läßt sich im Rahmen einer konventionellen Rechts- und Organisationsanalyse nicht erfassen.

Der Gefahrenbegriff macht es deutlich. Die potentiellen Gefahren, welche die Polizei abwehren soll, werden „enteignet“, normalisiert und universalisiert. „Der Prototyp dieses „modernen“ Täters ist in den polizeilichen Analysen der Terrorist: Sozial läßt er sich nicht mehr eindeutig bestimmen; seine Aktionen sind nicht zu berechnen; nationale Grenzen kennt er nicht; jedes Mittel ist ihm recht“. Heute ist an die Stelle des Terroristen als Prototyp eines moder-nen Verbrechers ein Mitglied der internationalen Drogenmafia oder der Or-ganisierten Kriminalität getreten. Täter sind potentiell überall. Mitten unter uns. Sie besitzen keine ausmachbare soziale Physiognomie mehr. Also gilt es für die Polizei in ihren Kompetenzen und ihren Mitteln allzeit bereit, durchgehend eingriffsfähig und möglichst überall zu sein. Lauschangriffe verstehen sich so von selbst. Die Folgen veränderter „Ge-fahrenlagen“ drücken sich formal und inhaltlich im Polizeirecht aus. Die Formulierungen werden so aus-geleiert, daß sie für viele Situationen passen. Die Mittel, sog. Standard-maßnahmen, werden so angereichert, daß sie rechtlich schlechterdings nicht mehr vertäut werden können. Entscheidend ist insgesamt: Die Polizei wird rechtlich vom „Konditional“- auf ein „Zweckprogramm“ umgepolt. Konditio-nalprogramm meint, daß die Polizei auf Gefahrenanreize oder Rechtsbrüche reagiert, die rechtlich vergleichsweise klar und eindeutig markiert worden sind. Wenn Rechtsnormen statt dessen auf allgemeine Zwecke, also in diesem Falle auf unspezifizierte Gefahren und Vergehen aller Art ausgerichtet werden, dann entgrenzen sie das polizeiliche Handeln und machen Kontrolle schier unmöglich. Das Zweckprogramm läßt gerade die Art, wie die Zwecke jeweils verfolgt werden offen und widerspricht damit dem bürgerlichen Zweck des Polizei-rechts, klar und deutlich zu wissen, was die Polizei wann wie und wem gegenüber darf oder nicht.

Die „Modernisierung“ ist weiterhin in vollem Gange. Modernisierung, verstanden als Übernahme der Techniken der modernen Datenverarbeitung durch die Polizei. Die verändernde Wirkung dieser technologischen Rezeption durch die Polizei kann unschwer überschätzt werden. Sammlung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung von Informationen stellten immer schon ein wichtiges polizeiliches Mittel dar. Insbesondere die Kripo, soweit gegeben die politische Polizei und die Geheimdienste lebten von Anfang an von ihrem Informationsmanagement und ihrer Informationspolitik. Die Computertechnologie hat die polizeiliche Infor-mationsverarbeitung jedoch in einer Weise revolutioniert, daß polizeiliche Organisation und polizeiliches Handeln nur noch angemessen verstanden werden können, wenn man deren qualitativen Effekte bedenkt. Die Trennung zwischen Exekutiv-Polizei und Nachrichtendiensten zerfließt. Datenschutzvorkehrungen, von denen Polizei- und Geheimdienste ohnehin weitgehend ausgenommen worden sind, griffen allenfalls, wenn gänzlich neue Kontrollvorkehrungen eingebaut würden. Genau dies aber unterbleibt, um die allgemeine Effizienz der Polizei hinsichtlich allgemein formulierter Gefahren nicht zu gefährden. Also schwindet jegliche Kontrollierbarkeit selbst der Chance nach.

Etappen der Legitimation polizeilichen Aus- und Umbaus

Die Gründe, die den polizeilichen Um- und Ausbau rechtfertigen, zeitigen erhebliche Effekte. Sie dienen nicht allein dazu, bestimmte Sicherheitspro-gramme i. S. eines Akzeptanzmanagements durchzusetzen. Sie prägen vielmehr – ob sie nun genauerer Analyse standhalten oder nicht – auch das inner-polizeilich wirksame Gefahren- und Täterbild. Dies wiederum bestimmt erheblich mit, wie Gesetze und die von ihnen gewährten Kompetenzen und Mittel in der polizeilichen Praxis ausgelegt und eingesetzt werden. Die jeweils vorherrschenden Legitimationsmuster besitzen eindeutige Akzente. Alle Legitimationsmuster, die während der letzten 25 Jahre im Schwange waren, müssen verstanden werden im Kontext der Basislegitimation „Innerer Sicherheit“ in der Bundesrepublik, dem Konzept der „streitbaren Demokratie“. Dasselbe, bis tief in die 80er Jahre stark – wenn nicht exklusiv – antikommunistisch ausgerichtet, veranlaßte widerspruchsvollerweise schon den Grundgesetzgeber dazu, zentrale Grundrechte und Grundgesetzartikel mit Vorbehalten zu versehen.

Das erste „Programm Innere Sicherheit“ wurde erheblich vom Geist des Anti-Terrorismus bestimmt, wenngleich es damit mitnichten zureichend erklärbar ist. Die meisten in ihm enthaltenen „Modernisierungsmaßnahmen“ haben mit dem Anti-Terrorismus und den entsprechenden Gesetzen wenig zu tun. Das weitverbreitete Bild vom „Sympathisantensumpf“ erlaubte, den Kampf gegen den Terror der RAF als Kampf gegen „den Terrorismus“ zu verallgemeinern und in jedem potentiell einen Sympathisanten auf der schiefen Ebene zu Gewaltanschlägen zu sehen. Entsprechend tief wurde ins Strafrecht, Strafprozeßrecht, Strafvollzugsrecht und ins Polizeirecht eingegriffen. Die konkrete Gefahr mit dem Namen RAF war namenlos geworden. Deswegen mußte sie mit allgemeinen gesetzlichen Änderungen, neuen polizeilichen Ermächtigungen und Techniken bekämpft werden. Die Formulierung und die Karriere des 129a StGB, der 1986 noch einmal nachgebessert wurde, ist dafür kennzeichnend. Insbesondere das Strafrecht und Strafprozeßrecht wurden in den geänderten bzw. hinzugefügten Paragraphen ihrer aufklärerisch-grundrechtsgemäßen Eigenart beraubt, indem Tatmerkmale in die Gesinnung verlegt und pauschaliert oder die Verteidigerrechte überaus beschnitten wurden.

Der Anti-Terrorismus, der den Legitimationshimmel der 70er Jahre überspannte, wurde in den hauptsächlichen Rechtfertigungsgründen vom Kampf gegen die „internationale Drogenkriminalität“ und die „Organisierte Kriminalität“ (OK) abgelöst. Erneut gilt, daß diese sich überschneidenden Legitimationsmuster die Änderungen rund um die Polizei nicht ausreichend erklären lassen. Eine Reihe von Änderungen, etwa die Einführung des Großen Lauschangriffs, sind jedoch auf die (behauptete) Eigenart der (angeblich) neuen Verbrechensform zurückzuführen. Ihre Internationalität, ihre Kollek-tivität, ihr technisches Know-how, ihre quasiwissenschaftliche Verschwörungsqualität und ihre Normalität (sprich, daß sie eingelassen ist in höchst reputierliche Berufe und Institutionen). Noch mehr als dies für den verallgemeinerten Terrorismus galt, trifft für die OK zu, daß sie eine angenommene Erscheinungsform des bundesdeutschen, wenn nicht des weltweiten Alltags darstellt. Entsprechend kann sie nicht mehr mit konkreten Verdächten verfolgt werden, sondern müssen Polizei und Geheimdienste den Fisch im Wasser spielen.

Die neuen Technologien, insbesondere die Informations- und Bildtechnologie erlauben nicht allein verändertes staatliches und privates Handeln, sie machen neue bürgerliche Schutzvorkehrungen erforderlich. Entsprechend dieser Einsicht wurde 1974 vergleichsweise früh ein Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung erlassen. Der Einsicht in die zentral gewordene Bedeutung des Datenschutzes im elektronischen Zeitalter folgte auch das Bundesverfassungsgericht Ende 1983 in seinem sog. Volkszählungsurteil. Information wurde als Handlung und insofern als po-tentieller Eingriff in die Integrität des Menschen bestimmt. Aus Art.2 GG wurde das „informationelle Selbstbestimmungsrecht des Menschen“ hergeleitet. Zahlreiche neue Gesetze im Umkreis von Polizei und Geheimdiensten beziehen sich auf dieses Urteil. Sie legitimieren sich vor allem damit, daß ihre neue oder (im Falle des Bundesnachrichtendienstes) erstmalige Formu-lierung deswegen vonnöten sei, um dem Volkszählungsurteil zu entsprechen. Nimmt man diese, wie man sagen könnte, Volkszählungsberufungsgesetze unter die Lupe, dann erkennt man durchgehend die normreiche Bildung einer Schutzmauer, hinter der sich in unveränderter, ja rechtlich besser abgesicherter Freiheit Informationen erheben, speichern und weitergeben lassen. Der Datenschutz zuvor pauschal abgeblockt, wird nun normativ detailliert aus- oder genauer als polizeilicher Informationsschutz eingeschlossen.

Nach dem „Links-“ nun auch der „Rechtsextremismus“. Der erste Teil dieser Variante galt für die gesamte Geschichte der Bundesrepublik bis 1989. Wenn auch ohne genauere Spezifikation lautete die Prämisse: Die Gefahr steht links. Und „links“ bedeutete i.S. eines CDU-Wahlkampfplakats von 1953: Alle Wege führen nach Moskau bzw. von dort zurück in die Bundesrepublik. Dieser grundrechtliche Generalpardon aller „Inneren Sicherheit“ ist nach dem Zusammenbruch des „realen Sozialismus“ nicht mehr möglich. Wenn auch nicht an seine Stelle, so doch zusätzlich sind rechtsextremistische Verlautbarungen und Umtriebe getreten. Das neuerdings in den Vordergrund gerückte Legitimationsmuster der inneren Entgrenzung Europas (bei gleichzeitig ver-festigter äußerer Begrenzung) soll hier allenfalls erwähnt werden. Desgleichen der periodische Dauerbrenner: Wahlkonkurrenz um das beste Sicherheitsprogramm (siehe S. 22 – 29).

An all diesen sich überschneidenden Legitimationsmustern fällt auf, daß sie zum einen durchgehend in eine ähnliche Richtung weisen – der Ausdehnung des Sicherheitsbegriffs und entsprechend der diffundierenden Veralltäglichung polizeilicher Sicherheitsleistungen. Keine weggefallene oder veränderte Gefahr läßt irgendwelche Reduktionen in Kompetenzen und Mitteln zu. Typischerweise blieb die deutsche Einigung in Sachen Sicherheitspolitik so institutionell und funktionell ein Ereignis ohne Folgen. Das Legitimationspolster wurde allenfalls dicker.

Knappe Summe

Seit 25 Jahren ist eine ungebrochene Kontinuität des Aus- und des Umbaus zu beobachten. Trotz zweifelhaftem Erfolg einer Kette von vorbeugenden Verbrechensbekämpfungsprogrammen und den aus ihnen gefolgerten Ermächtigungen begründen ihre Mißerfolge gleich die nächsten, nebst ausgeweiteten Verallgemeinerungen der Aufgaben- und insbesondere der Befugnisnormen. Das Vierteljahrhundert „Innere Sicherheit“ wird durchgehend von einer Kehre bestimmt. Sie gilt der Ausrichtung der Polizei in Richtung unspezifizierter, zukünftiger Gefahren: Prävention statt Repression. Da Polizei und Geheimdienste letztlich auf Bestandsschutz mit informationeller und physischer Gewalt ausgerichtet sind, bedeutet die präventive Kehre notwendigerweise, daß die Grundrechtsverletzungen potentiell zunehmen.
Von einem „System Innerer Sicherheit“ kann insofern gesprochen werden, als dasselbe trotz aller internen Differenzierungen, trotz aller institutionellen Konflikte und Leerläufe über eine bemerkenswerte Eigendynamik verfügt und so etwas wie eine „Welt für sich“ darstellt. Diese Eigendynamik und „operationelle Geschlossenheit“ (Luhmann) wird durch die politische Um-welt verstärkt. Zum Zirkel der „Inneren Sicherheit“ und seiner professionellen Propagandisten gehört, daß das, was konkrete bürgerliche Sicherheitsleistung bedeutet, unklar gelassen wird. So gerinnen sehr unterschiedliche Sicher-heitsbegriffe und Sicherheitsleistungen im unausgewiesenen Begriff „Innere Sicherheit“. Die angenommene Statik des Gewaltmonopols erweist sich als überaus dynamisch. In diesem Sinne bildet sie kein „Gegengift“ gegen die be-schleunigt auseinanderlaufende Gesellschaft. Im Gegenteil. Die dynamisch veränderte, technologisch hochgerüstete Polizei und die Geheimdienste lockern den dringenden bürgerlichen Bedarf nach Rechtssicherheit. Sie machen Kontrolle schier unmöglich. Skandale haben deswegen zur Folge, daß sie keine tatsächlichen Folgen haben, sondern eher Ministerrücktritte statt organisato-rische Änderungen zeitigen.

Wolf-Dieter Narr lehrt Politologie an der Freien Universität Berlin und ist Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP
Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.