Carl-Dieter Spranger, CSU-Politiker und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, hatte einmal Recht. Als er Ende Februar in einem Zeitungsinterview vor der „Fehleinschätzung“ warnte, mit dem sog. Asylkompromiß sei die „Ausländerfrage in der Bundesrepublik vom Tisch“, reagierten FDP- und SPD-Politiker zunächst noch empört mit Rücktrittforderungen. Nur wenige Wochen später, nach ‚Newroz‘, dem kurdischen Neujahrsfest, waren „Ausländerkriminalität“ und deutsche Überfremdungsängste in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gerückt: Bundesweite Protestaktionen und heftige Auseinandersetzungen kurdischer DemonstrantInnen mit der Polizei lieferten einen willkommenen Anlaß, die von parteipolitischem Kalkül getragene Asyldebatte des vergangenen Jahres mit neuer Munition fortzusetzen. Asyl- und Ausländerpolitik zur Parteienprofilierung – Beispiel: Der aktuelle Konflikt um die Abschiebung von Kurden weiterlesen →
Im Juni 1889 gab die Schweiz dem Drängen Bismarcks nach und führte eine ständige Bundesanwaltschaft und damit die politische Polizei ein. Damit war gesichert, daß die Schweiz keine „Sicher-heitsinsel“ für deutsche Sozialisten wurde, die sich in die Schweiz geflüchtet hatten. Der Bundesrat (Exekutive) nutzte die Gunst der Stunde und ’sicherte‘ sich zugleich die Bespitzelung der eigenen Bürgerinnen und Bürger. Wie weit diese ging, zeigte der 100 Jahre später aufgeflogene ‚Fichenskandal‘. Eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), die die Geschäftsführung des ‚Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes‘ (EJPD = Justiz- und Polizeiministerium) durchleuchten sollte, fand bei der Bundespolizei (BUPO) Karteien und Akten über ca. 900.000 Personen und Organisationen fast ausschließlich des linken und grünen Spektrums sowie Ausländerinnen und Ausländer. Der ‚Fichenskandal‘ führte aber nicht zur Abschaffung der Politischen Polizei, sondern im Gegenteil zu ihrer Modernisierung und Zentralisierung. Wie schon 100 Jahre zuvor ist es auch diesmal wieder äußerer Druck, der gelegen kommt, die Überwachungsstrukturen auf- und auszubauen: Die Schweiz dürfe nicht zur ‚Sicherheitsinsel‘ in Europa werden. 100 Jahre Sicherheitsinsel Schweiz – Innere Sicherheit im Gotthardtunnel weiterlesen →
01.03.: Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft ordnet die Durchsuchung der Privatwohnungen der Autoren des Buches ‚Das RAF-Phantom‘ an. Ihnen wird vorgeworfen, aus Ermittlungsakten zitiert zu haben.
02.03.: Das Bundeskabinett billigt den Gesetzentwurf für das Ausländer-zentralregister. Das Gesetz legalisiert u.a. die Weitergabe von Daten über den illegalen Aufenthalt von Ausländern an die Abschiebebehörden. Am 10.3. lehnen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (mit Ausnahme Bayerns) den Entwurf ab. Der Bundestag stimmt dem Gesetz am 16.6. zu.
03.03.: Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für 1993 einen Anstieg der polizeilich registrierten Kriminalität von 6,3 auf mehr als 6,7 Mio. De-likte aus.
05.03.: Im Verlauf einer unangemeldeten Demonstration zur Unterstützung von Hausbesetzungen in Potsdam kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. 83 Personen werden vorläufig festgenommen; drei Polizisten und 30 DemonstrantInnen werden verletzt. Wegen Landfriedensbruch bzw. Beleidigung wird gegen fünf Personen ermittelt. In der Nacht vom 12.3. kommt es zu erneuten Ausschreitungen in der Potsda-mer Innenstadt; 57 Personen werden vorläufig festgenommen. Chronologie weiterlesen →
An Editorial Comment by Otto Diederichs
Now that the CILIP editorial staff has dealt in detail with specific aspects of domestic security in the Federal Republic of Germany over the past three years, the general question of ‚domestic security‘ policies once again comes under review – last but not least in as much as this is an important national election year and ‚domestic security‘ has or will play an important role in the elections to the European parliament and local and state elections throughout the country. Due to the fact that the performance records of each of the parties contending for election is to come under scrutiny, CILIP has made a conscious effort to engage the services of authors as distant as possible from party affiliations. Summaries weiterlesen →
Das unentwegte Drucken von Geldscheinen entwertet bekanntlich eine Währung. Mindestens ebenso inflationär wirkt der permanente Ausstoß jener Maschine, mit der in den vergangenen 20 Jahren ohne Unterlaß Entwürfe und Gesetze im Sicherheitsbereich hervorgebracht und die Befugnisse von Polizei und Geheim-diensten gesichert oder erweitert wurden. Die aktuellen Gesetzesprojekte der Wahlkampfzeit – allen voran das ‚Verbrechensbekämpfungsgesetz‘ der Koalition und das ‚Zweite Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Formen der organisierten Kriminalität‘ der SPD – beweisen das.
In den zurückliegenden Jahren bestand mehrfach die Notwendigkeit, die sich teilweise überschlagenden Gesetzentwürfe zu dokumentieren und (mit wachsendem Verdruß) zu kommentieren. In den 70er Jahren waren es vor allem die diversen Anti-Terror-Gesetze sowie die Musterentwürfe für ein einheitliches Polizeirecht und die daran orientierten Strafverfahrensänderungen. In den 80er Jahren riß die Kette der ‚Sicherheits‘-Gesetze nicht ab. Gesetzesinflation und Parteienkartell – SPD- und Koalitionsentwürfe im Wahlkampf weiterlesen →
„Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangt.“ Diese Formulierung ist das Ergebnis einer langen und heftigen politischen Debatte über die Notstandsgesetze in den 60er Jahren, die schließlich durch eine entsprechende Grundgesetzänderung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD beendet wurde. Seither war es ruhig geblieben um diese Notstandsgesetze – seit ihrer Verabschiedung wurden sie nie angewendet, als drohendes Repressionsinstrument gerieten sie schließlich nahezu in Vergessenheit. Risikoreserve im Sicherheitsverbund: Die Bundeswehr weiterlesen →
Wenn man die Welt betrachtet, wie sie in den Medien präsentiert wird; wenn man Zeitungen liest und Illustrierte durchblättert oder durch die Fernsehkanäle irrt, so wird der Eindruck schier unabweisbar: Wir leben in unsicheren Zeiten. Lauscht man auf ‚Volkes Stimme‘, hört seinen Nachbarn zu oder fragt Verwandte und Bekannte, dann bestätigt sich im vielstimmigen Echo: Wir leben in unsicheren Zeiten. Glaubt man aber denen, die gewählt oder wiedergewählt werden wollen, ist kaum noch zu zweifeln: Der Kampf gegen die Angst hat längst begonnen.
Alle, so scheint es, reden von Kriminalität: von Drogen-, Straßen- und Ban-denkriminalität; von Einbrechern, Vandalen, Strichern; von Vergewaltigern und Räubern; von Extremisten und von Asylanten. Unsicherheit, so die ebenso simple wie falsche Argumentationslogik, resultiert aus Gefährdung, Gefährdung aus Bedrohung, Bedrohung aus Kriminalität. Die neuen Vigilanten – Über Formen der Bewältigung alltäglicher Verunsicherung weiterlesen →
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die jährlich von den Landeskriminalämtern (LKÄ) als Landes- und auf dieser Datenbasis vom Bundeskriminalamt (BKA) als Bundesstatistik herausgegeben wird, ist in Deutschland die einzige kontinuierlich verfügbare Datenquelle für Aussagen über die Kriminalitätslage und -entwicklung. Die Zahlenwerte und Trends der PKS bilden dem-entsprechend einen zentralen Bezugspunkt für die politische Dis-kussion um Kriminalität und Innere Sicherheit.
Die bedeutsamste Bühne dabei ist die öffentliche Diskussion in den Medien, an der sich neben Journalisten insbesondere Partei-Politiker und (Stan- des-)Vertreter der Polizei beteiligen. Die PKS wird in diesem Zusammenhang in-strumentalisiert sowie über- und fehlinterpretiert, um z.B. den innen- und rechtspolitisch eingeschlagenen Kurs zu legitimieren oder die Aufmerk-samkeit für einen politisch besonders willkommenen Themenbereich am Le-ben zu halten. Daß sich die PKS so gut für Instrumentalisierungen eignet, hat viel mit den Eigenheiten dieser Statistik zu tun. Politische Instrumentalisierung von Kriminalstatistiken weiterlesen →
„Der Staatsschutz lebt davon, daß er von Leuten wahrgenommen wird, die sich dafür engagieren. Und Leute, die sich dafür engagieren, wie Herold und ich, die finden immer einen Weg. Wenn sie eine gesetzliche Regelung haben und sie mal strapazieren müssen, funktioniert sie ja meistens doch nicht“ (Generalbundesanwalt Siegfried Buback).
Veränderung und Beschleunigung sind die Zeichen der Zeit. Inmitten der Flucht der Zeiten stellt die herrschaftliche Einrichtung des Staates und ihre Stabilität einen sichernden Bezug dar. Diese Stabilisierung im Kern leisten das Recht und das seinerseits mit rechtlichen Gamaschen versehene staatliche Gewaltmonopol. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung lauten deshalb seine Grundfunktionen. Freilich: Dieses Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit, wie Max Weber das eigensinnige Instrument des Staates gültig genannt hat, besteht seinerseits nicht unveränderlich. Es wandelt sich und kündet in seinem Wandel von staatlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Das ‚System Innere Sicherheit‘ – Eine erstaunlich kontinuierliche Karriere weiterlesen →
„Sicherheit statt Angst“ versprach uns die eine große Volkspartei zur Europawahl; als Garanten gegen Gewalt und Terror empfahl sich die andere. Innere Sicherheit ist im Jahr der vielen Wahlen ein besonders beliebtes Thema. Während auf den Plakatwänden von der Werbepsychologie inspirierte Slogans zu lesen sind, ver-sprechen Parteiprogramme und -beschlüsse eher einen Einblick in den Zustand unserer Parteien: Welches Bild zeichnen also sie von der „Inneren Sicherheit“ in der BRD? Welche Probleme werden wie angesprochen, welche Antworten werden als ‚Lösungen‘ präsentiert?
Die Lektüre dieser programmatischen Bemühungen, soviel sei vorweg verraten, ist enttäuschend. Die bereits sprichwörtliche ‚Große Koalition in Fragen der Inneren Sicherheit‘ wird von den Programmen eindringlich bestätigt. Von den ‚Altparteien‘ war anderes wohl auch nicht zu erwarten, und wer das Tagesgeschehen ein wenig verfolgt, dem konnte nicht entgehen, daß die SPD verstärkt versucht, dem (irrigen) Eindruck entgegen zu wirken, sie sei bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht zu allem entschlossen. Von größerem Interesse erscheinen deshalb allenfalls die Beschlüsse von Bündnis 90/Die Grünen (B’90/Grüne) und PDS. Aber: Trotz mancher Unterschiede im Detail werden die Erwartungen auch hier enttäuscht. Parteien zur ‚Inneren Sicherheit‘ – Ein Blick in die Parteiprogramme im Superwahljahr weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.