Chronologie

zusammengestellt von Otto Diederichs

Januar 2011

03.01.: Auslieferungsfall: 32 Jahre nach ihrer Flucht setzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Eilanträge von Christian Gauger (68) und Sonja Suder (78) gegen ihre Auslieferung von Frankreich an Deutschland aus. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. beschuldigt sie, als Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ an der Vorbereitung des Anschlags auf die OPEC-Konferenz 1975 beteiligt gewesen zu sein.

04.01.: Juristischer Erfolg für Neonazi: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hebt ein vom Oberlandesgericht (OLG) München verhängtes weltweites Publikationsverbot für einen Neonazi der ehemaligen „Kameradschaft Süd“ auf. Es verletze seine Meinungsfreiheit, wenn er generell keine rechtsextremen Inhalte mehr veröffentlichen dürfe. (Az.: 1 BvR 1106/08)

07.01.: Kopten unter Polizeischutz: Nach dem Anschlag auf koptische Christen in Ägypten erhalten die größeren Gemeinden in Deutschland für ihre Feierlichkeiten Polizeischutz.

Anzeige gegen BKA-Präsidenten: Ein Richter am OLG Karlsruhe zeigt den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, we­gen Beihilfe zum Mord an dem deutschen Islamisten Bün­yamin E. an. E. wurde im Oktober 2010 bei einem US-Drohnenangriff in Afghanistan getötet; das BKA soll im Vorfeld Informationen geliefert haben. Anfang Februar stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein; es gebe „keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat“.

11.01.: „Stuttgart 21“: Bei Protesten gegen das Bahnhofsprojekt nimmt die Polizei zwei Demonstranten fest. Weitere 61 werden wegen Nötigung angezeigt, da sie die Baustellenzufahrt trotz Aufforderung nicht geräumt hatten. Am 8.2. kommt es anlässlich einer geplanten Baumverpflan­zung erneut zu Demonstrationen und Blockaden, die von der Polizei gewaltsam aufgelöst werden. Am 31.3. wird ein Polizist wegen Körperverletzung im Amt zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt.

12.01.: Oury-Jalloh-Prozess: Vor dem Landgericht (LG) Magdeburg wird der Prozess um den Tod des Asylbewerbers wieder aufgenommen. Jalloh war im Januar 2005 in einer Arrestzelle des Polizeireviers Dessau verbrannt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Freisprüche für zwei Polizisten Ende 2008 aufgehoben.

13.01.: Sicherungsverwahrung: Erneut rügt der EGMR die deutsche Sicherungsverwahrung und spricht den Klägern, vier verwahrten Sexualstraftätern, eine Entschädigung von insgesamt 125.000 Euro zu. Am 18.1. lehnt das LG Bayreuth die weitere Verwahrung eines zweimaligen Totschlägers ab, der Mann wird unter Führungsaufsicht gestellt. Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen erklärt am 25.1. die polizeiliche Überwachung eines aus der Verwahrung entlassenen Vergewaltigers für rechtmäßig; seine Familie hatte in der Dauerbeobachtung ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt gesehen. Am 28.2. muss Berlin den ersten Verwahrten auf Beschluss des Kammergerichts freilassen. Am 7.3. segnet der Verwaltungs­gerichtshof (VGH) Baden-Würt­temberg die offene Überwachung von Ex-Ver­wahrten ab. Am 14.4. verurteilt der EGMR die BRD erneut wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Freiheit und spricht dem Kläger 25.500 Euro Schmerzensgeld zu.

Abschiebungen nach Griechenland ausgesetzt: Das Bundes­innen­ministerium (BMI) weist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an, keine Asylsuchenden mehr im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Griechenland abzuschieben. Die Weisung gilt für ein Jahr.

Polizeilicher Schusswaffengebrauch: Nach einem Überfall auf einen Juwelierladen in Berlin gibt ein Polizist zunächst einen Warn-  und dann einen gezielten Schuss auf einen der flüchtenden Täter ab. Der Mann wird in den Oberschenkel getroffen.

16.01.: Anschlagsversuch: In der Poststelle der kroatischen Botschaft in Berlin wird in einem Paket eine Handgranate entdeckt. Die polizeiliche Prüfung ergibt, dass sie voll funktionsfähig war.

17.01.: Heidelberger Spitzel: Der baden-württembergische In­nen­mi­nister Heribert Rech (CDU) bestätigt den neunmonatigen Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des Landeskriminalamts (LKA) in der linken Szene Heidelbergs. Am 7.2. gibt die Antifaschistische Initiative Heidelberg bekannt, sie wisse von zwei weiteren Spitzeln, die noch im Einsatz seien.

Residenzpflicht aufgehoben: Sachsen folgt Berlin und Brandenburg und erlaubt geduldete AusländerInnen, sich im ganzen Land zu bewegen.

Loveparade: Ein halbes Jahr, nachdem bei der Duisburger Loveparade 21 Menschen getötet und rund 500 verletzt wurden, eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen 16 Personen aus Stadtverwaltung, Polizei und Veranstaltungsgesellschaft wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Nicht beschuldigt sind der Oberbürgermeister Adolf Sauerland und der Veranstalter selbst.

Polizeiaffäre Sachsen-Anhalt: Nach über drei Jahren beendet der parlamentarische Untersuchungsausschuss seine Arbeit. Sein von der Opposition heftig kritisierter Bericht erklärt die Vorwürfe gegen die Polizei für unbegründet. Die „Polizeiaffäre“ begann im Februar 2007. Der damalige Vizechef der Polizeidirektion Dessau soll drei Staatsschützer gedrängt haben, die Bekämpfung des Rechtsextremismus „zu bremsen“.

Kontendaten: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisiert, dass die Zahl der Kontenstammdatenabfragen durch Finanz- und Sozialbehörden in fünf Jahren um 560 Prozent gestiegen ist. 2010 griffen sie in 58.000 Fällen zu diesem Mittel (2009: 44.000).

19.01.: Feldpost geöffnet: Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hell­mut Königshaus, bestätigt das Vorliegen von Beschwerden, wonach Briefe von Soldaten aus Afghanistan geöffnet wurden. In seinem Prüfbericht vom 5.4. behauptet das Verteidigungsministerium, die betroffenen Soldaten hätten ihre Sendungen unzureichend verpackt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern an.

Kontrollmängel bei Luftfracht: Die Bundesregierung gibt bekannt, dass bei unangemeldeten Kontrollen, die nach den Paketbombenfunden in Großbritannien und Dubai im Oktober 2010 veranlasst wurden, nur 22 Prozent der überprüften Luftfrachtunternehmen alle Anforderungen erfüllt hätten; 15 Firmen wurde die Lizenz entzogen.

Grundsatzurteil zur PKK: Der BGH entscheidet, dass FunktionärInnen der kurdischen Arbeiterpartei PKK künftig nicht mehr als Mitglieder einer kriminellen Inlandsorganisation, sondern einer ausländischen kriminellen Vereinigung zu verfolgen seien. (Az.: BGH 3 StR 179/10)

26.01.: Razzien bei Rockern: Das hessische LKA durchsucht vier Wohnungen und ein Eros-Center, die Mitgliedern der „Hells Angels“ zugerechnet werden. Anfang Februar durchsuchen auch in Baden-Württem­berg rund 500 PolizistInnen 18 Objekte der „United Tribuns“; sie nehmen sieben Mitglieder vorläufig fest und beschlagnahmen zahlreiche Waffen. In Berlin stürmt die Polizei am 23.2. elf Wohnungen der neu etablierten Rockergruppe „Mongols“ und findet eine größere Menge Sprengstoff sowie zwei Rohrbomben. Neun Männer werden festgenommen, gegen vier ergeht Haftbefehl. Am 29.3. folgt in Brandenburg eine Razzia gegen den Club „Gremium MC“, dessen Anführer festgenommen wird.

28.01.: Schusswechsel mit Polizei: Bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt in Köln kommt es zu einem Schusswechsel. Ein 55-jähriger Mann wird schwer, eine 28-jährige Polizistin lebensgefährlich verletzt.

Neuer Stasi-Beauftragter: Der Bundestag wählt den früheren DDR-Bürgerrechtler Roland Jahn zum neuen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Am 9.2. verlängert die Bundesregierung die Stasi-Über­prüfungen im öffentlichen Dienst bis 2019.

Februar 2011

02.02.: Anti-Terror-Maßnahmen reduziert: Bundesinnenminister Tho­mas de Maizière fährt die Sicherheitsmaßnahmen offiziell zurück. Die schwer bewaffneten PolizistInnen verschwinden aus dem öffentlichen Bild. Mitte Februar wird bekannt, dass die Anschlagswarnungen vom November 2010 auf einen mutmaßlichen Al Qaida-Insider zurück gehen, zu dem die Sicherheitsbehörden unterdessen den Kontakt verloren haben und dessen Glaubwürdigkeit sie mittlerweile bezweifeln.

Häuserräumung in Berlin: Fünf Stunden dauert die Räumung des seit 1990 besetzten Hauses in der Liebigstraße 14 in Berlin-Fried­richs­hain. Rund 2.000 PolizistInnen aus dem ganzen Bundesgebiet sind an diesem Tag im Einsatz. Bei Auseinandersetzungen bei einer Demonstration am Abend kommt es zu 82 Festnahmen. Neun Haftbefehle werden erlassen. Offiziell ist von 60 verletzten PolizistInnen und mehreren hunderttausend Euro Sachschaden die Rede. Am 3.3. wird ein weiteres teilbesetztes Haus geräumt. Am 29.3. endet der erste Prozess um die Räumung der Liebigstraße mit einem Freispruch.

03.02.: Verena Becker-Prozess: Peter-Jürgen Boock erklärt vor dem OLG Stuttgart-Stammheim, Verena Becker habe nicht zu dem RAF-Kom­mando gehört, das im April 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback ermordete. Am 10.2. und 3.3. bekräftigt Boock seine Aussage, Becker sei auch nicht in die Planung des Attentats involviert gewesen. Die am 25.2. vernommene Silke Maier-Witt kann zur Aufklärung nichts beitragen, da sie damals gerade erst der RAF beigetreten und nicht in laufende Aktionen eingeweiht war. Die im März und April als Zeugen vernommenen weiteren Ex-RAF-Mitglieder Stefan Wis­niewski, Günter Sonnenberg, Brigitte Mohnhaupt, Knut Folkerts, Siegfried Haag, Roland Mayer und Werner Lotze verweigern die Aussage.

Überwachung rechtswidrig: Das VG Köln erklärt die von 1970 bis 2008 währende Überwachung des Bremer Rechtsanwalts und Bürgerrechtlers Rolf Gössner durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) für rechtswidrig. Er erhält nun Einsicht in seine 2.000 Seite starke Akte.

04.02.: El Masri verklagt Mazedonien: Der Ende 2003 von der CIA verschleppte Khaled el Masri verklagt die mazedonische Regierung wegen Duldung und Unterstützung der Entführung. In der BRD war er zuvor mit dem Versuch gescheitert, die Bundesregierung gerichtlich zu einem Auslieferungsantrag gegen die CIA-Beamten zu zwingen.

06.02.: Rechte Straftaten: Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion ist die Zahl polizeilich erfasster rechtsradikaler Straftaten 2010 auf 13.622 gesunken (2009: 19.468 Fälle).

08.02.: Schleuserbande zerschlagen: Im Rahmen einer länderübergreifenden Razzia geht die Polizei in Berlin, München und Eisenhüttenstadt gegen eine mutmaßliche vietnamesische Schleuserbande vor. 22 Personen werden festgenommen. Zeitgleich finden auch in Frankreich, Großbritannien, Tschechien und Ungarn Razzien statt.

11.02.: Prozess gegen Rechtsextremisten: Vor dem LG Aachen beginnt der Prozess gegen die Rechtsextremisten Falko W. und Daniel T., die am Maifeiertag 2010 in Berlin mit sechs selbstgebauten Sprengsätzen festgenommen worden waren. Berlin hatte das Verfahren abgegeben, da beide aus Aachen stammen und sich auch dort strafbar gemacht hatten.

Castor-Transport: Kurz vor dem geplanten Transport vom Kernforschungszentrum Karlsruhe ins Zwischenlager Lubmin bei Greifswald ent­deckt die Polizei auf der Bahnstrecke Oranienburg-Neustrelitz zwei Brandsätze und durchtrennte Signalkabel. Am 12.2. demonstrieren mehrere tausend Menschen an 23 Orten entlang der Transportroute. Als der Zug am 16.2. startet, nimmt die Polizei in Karlsruhe rund 300 GleisblockiererInnen vorläufig fest. Nach 26 Stunden Fahrt trifft der Zug in Lubmin ein. Insgesamt waren rund 8.400 PolizistInnen eingesetzt.

Gewaltsamer Angriff: Auf dem Berliner U-Bahnhof Lichtenberg schlagen und treten vier Jugendliche auf einen Mann ein und berauben ihn. Das Opfer erleidet lebensgefährliche Verletzungen. Ein Überwachungsvideo zeigt, dass Zeugen der Szene einfach weitergehen.

13.02.: Neo-Nazi-Demos in Dresden: Die Polizei riegelt ganze Stadtviertel ab, um das Demonstrationsrecht der Nazis durchzusetzen. Sie folgt damit einem Urteil des sächsischen VG. Am 18.2. genehmigt das VG drei Neo-Nazi-Aufmärsche für den Tag darauf, die von über 20.000 Menschen blockiert werden. Die Polizei setzt Wasserwerfer, Reizgas und „Pepperballs“ ein – Kunststoffkapseln, die beim Aufprall zerspringen und Pfefferstaub freisetzen. 78 DemonstrantInnen werden festgenommen. Nach offiziellen Angaben werden über 80 der 4.500 BeamtInnen bei den Auseinandersetzungen verletzt. Mit Genehmigung der Einsatzleitung fahren 600 Rechte weiter nach Leipzig. Im Zuge des Dresdner Einsatzes stürmt die Polizei auch das Haus der Partei Die Linke.

15.02.: BND-Informant gibt Lügen zu: Ein ehemaliger Informant des Bundesnachrichtendienstes (BND) und anderer Geheimdienste erklärt gegenüber dem „Guardian“, seine Angaben über irakische Massenvernichtungswaffen frei erfunden zu haben. Laut Bericht des NDR-Magazins „Panorama“ erhielt der Mann noch bis Ende 2008 monatliche Zahlungen in Höhe von 3.000 Euro und wurde in Deutschland eingebürgert.

16.02.: Prozess gegen Buchhändler: Vor dem Amtsgericht Tiergarten (Berlin) beginnt der Prozess gegen einen linken Buchhändler wegen „Anleitung zu Straftaten“ (§ 130a StGB). Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, das linke Szene-Blatt „Interim“ verkauft zu haben, in dem Bauanleitungen für Brandflaschen abgedruckt waren. Am 8.3. wird das Verfahren eingestellt. Ähnliche Anklagen erwarten zwei weitere Buchhändler.

Stasi-Fälle bei Brandenburger Polizei: Durch Fernsehberichte werden ein Polizeipressesprecher und am 2.3. der Leiter der Cottbuser Polizeiwache als ehemalige Stasi-Mitarbeiter enttarnt. Mitte März ordnet das Landesinnenministerium die Überprüfung dreier weiterer hoher Beamter sowie von insgesamt 68 Schutzbereichs- und Wachleitern an. Nach 1989 wurden, so das Ministerium, bei der Polizei 1.480 frühere Stasi-Mit­arbeiter festgestellt und rund 600 bis Ende 2009 entlassen. Am 5.4. bestätigt das brandenburgische Justizministerium, dass auch dort noch 82 Ex-Stasi-Mitarbeiter tätig sind, lehnt aber eine Neu-Überprüfung ab.

18.02.: Digitalfunk: Die Münchner Polizei muss den in Dezember 2010 begonnenen Probebetrieb des digitalen Sprechfunkverkehrs aussetzen; die Verbindungen funktionieren nur teilweise. Die Kosten für das gesamte Digitalfunk-Pro­jekt für Bayern werden auf rund 700 Mio. Euro beziffert.

19.02.: BND-Areal unter Denkmalschutz: Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass das bayerische Landesamt für Denkmalpflege etwa ein Drittel des BND-Geländes unter Schutz gestellt hat. Dessen geschätzter Wert von 500 Mio. Euro sinkt rapide. Durch den Verkauf sollte ein Teil des Neubaus und Umzuges der BND-Zentrale nach Berlin finanziert werden (geschätzte Kosten: 1,4 Mrd. Euro).

Polizeilicher Schusswaffengebrauch: Nach einer Verfolgungsjagd schießt ein Beamter in Zöschingen (Bayern) auf den Fahrer und trifft ihn in die Schulter. Der Mann hatte zuvor im benachbarten Baden-Würt­temberg einen Unfall verursacht und war bei der Flucht auf einen Polizisten zugefahren, der ihn stoppen wollte.

22.02.: Demonstrationsrecht: Das BVerfG urteilt, dass die Versammlungsfreiheit auch auf dem teilprivatisierten Frankfurter Flughafen (und ebenso in Bahnhofshallen der Bahn AG) gilt. Die Klägerin hatte 2003 wegen Flugblattverteilens Hausverbot erhalten. (Az.: 1 BvR 699/06)

Rassistische Übergriffe: Die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt weist auf massive Diskrepanzen zwischen ihren Zahlen und der offiziellen Polizeistatistik des Landes über rassistisch motivierte Gewalttaten hin. Die Opferberatung dokumentiert 101 Fälle, die Statistik enthält nur 80.

Islamisten festgenommen: In Nordrhein-Westfalen nimmt die Polizei zwei Männer fest, die der „Islamischen Bewegung Usbekistan“ (IBU) zugerechnet werden.

23.02.: Cyber-Abwehrzentrum: Die Bundesregierung beschließt den Aufbau eines „Nationalen Cyber-Abwehrzentrums“ (vgl. S. 12 ff.).

28.02.: Eingestellte Ermittlungsverfahren: Laut Mitteilung des Statistischen Bundesamts wurden 2009 ca. 62 Prozent aller Ermittlungsverfahren eingestellt. Ein Drittel davon, weil die Tat nicht nachweisbar war, 24 Prozent aus Opportunitätsgründen ohne und fünf mit Auflagen.

Erschossener Polizist: Das LG Koblenz verurteilt einen „Hells Angel“, der im März 2010 einen SEK-Beamten erschossen hat, wegen Totschlags zu neun Jahren Haft. Die Verteidigung legt Revision ein.

März 2011

02.03.: Attentat auf US-Soldaten: Am Frankfurter Flughafen erschießt ein Attentäter zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere lebensgefährlich. Er wird von einem Soldaten und Bundespolizisten überwältigt. Gegen den als Einzeltäter eingestuften Mann ergeht Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und dreifachen Mordversuches.

Murat Kurnaz: Der frühere Guantánamo-Häftling wirft den Wachmann­schaften des US-Gefangenenlagers vor, ihn zu medizinischen Versuchen missbraucht zu haben. Seine Aussagen decken sich mit Informationen der US-Menschenrechtsorganisation „Truthout“.

Polizeilicher Schusswaffengebrauch: Ein Zivilbeamter gibt in Berlin-Wedding mehrere Warnschüsse gegen einen 25-Jährigen ab, der sich mit einem Messer und Pfefferspray seiner Festnahme entziehen will.

03.03.: Neuer Bundesinnenminister: Hans-Peter Friedrich (CSU) löst Thomas de Maizière (CDU) ab, der nach dem Rücktritt Karl-Theodor zu Guttenbergs Verteidigungsminister wird.

08.03.: Bewährung für Todesschuss: Das LG Neuruppin bestätigt im Revisionsverfahren die zweijährige Bewährungsstrafe für den Polizisten, der in der Silvesternacht 2008 im brandenburgischen Schönfließ einen Jugendlichen erschossen hatte. Seine zwei Kollegen werden wegen Strafvereitelung im Amt zu hohen Geldstrafen verurteilt (Az.: 5 Str 534/10).

Anti-Mafia-Aktion: Im Rahmen einer internationalen Razzia unter Führung der italienischen Carabinieri werden auch in Hessen und Baden-Württemberg sechs Verdächtige festgenommen.

60 Jahre BKA und Bundespolizei: In einem Festakt feiert das BKA sein 60-jähriges Bestehen. Am 15.3. folgt die Bundespolizei.

09.03.: Terrorismusprozess: Das Kammergericht Berlin verurteilt die Ehefrau des Anführers der „Sauerland-Gruppe“ zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Unterstützung einer terroristischer Vereinigung im Ausland – begangen durch Spenden und Propaganda im Internet. Die Reststrafe nach über einem Jahr U-Haft kann die Frau zu einem späteren Zeitpunkt antreten. Die Verteidigung kündigt Revision an.

14.03.: Anklage gegen mutmaßlichen Terroristen: Die Bundesanwaltschaft klagt den Deutsch-Syrer Rami M. der Mitgliedschaft in der Terrororganisation Al Kaida an. Er soll im März 2009 in ein pakistanisches Ausbildungslager gereist sein. Bei seiner Rückreise ein Jahr später war M. von pakistanischen Sicherheitskräften festgenommen und nach Deutsch­land überstellt worden.

20.03.: Polizeilicher Schusswaffengebrauch: In Berlin schießt bei einer Verkehrskontrolle ein Polizist auf einen Mann, der die Beamten mit einem Messer und einem Brandsatz angriff, und verletzt ihn am Bauch.

26.03.: Polizei filmt AKW-GegnerInnen: In Berlin demonstrieren über 100.000 Menschen gegen AKWs. Die Polizei filmt – trotz eines VG-Ur­teils vom September 2010, das Video-Überwachung bei Demos nur noch bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässt. Am 28.3. gibt sich Polizeipräsident Dieter Glietsch im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses überrascht und verspricht Aufklärung.

28.03.: Pistolenkugeln per Post: Die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit der Post eine 8-mm-Patrone und die Drohung zugesandt wurde: „Die nächste Zustellung erfolgt per Express …“. Die gleiche Drohung erhalten auch der „Extremismusforscher“ Uwe Backes und die Bundesanwaltschaft selbst. Absender ist die Gruppe „Revolutionäre Aktionszellen (RAZ)“.

30.03.: Körperscanner: Das BMI zieht eine positive Bilanz der Ende September 2010 gestarteten Testphase mit Körperscannern am Hamburger Flughafen und verlängert sie um weitere vier Monate.

Sitzblockaden: Im Falle einer Blockade gegen den Irak-Krieg entscheidet das BVerfG, dass gewaltfreie Sitzblockaden strafbar sind, wenn sie einen Verkehrsstau verursachen (Az.: 1 BvR 388/05; vgl. S. 81 f. in diesem Heft).

April 2011

01.04.: Kripo-Jubiläum: Die Berliner Kriminalpolizei ist 200 Jahre alt.

Brandenburger „Polizei 2020“: Der Aufbaustab des künftigen Polizeipräsidiums legt das Konzept der Polizeireform vor. Bis 2020 soll die Zahl der PolizistInnen, die dann in 16 Inspektionen und 29 Revieren arbeiten, von 8.900 auf 7.000, die der Chefposten von 50 auf 16 sinken.

05.04.: Internetsperren: Die Bundesregierung beschließt, das Gesetz zur Sperrung von Kinderporno-Webseiten aufzuheben. Künftig sollen solche Seiten gleich gelöscht werden. Nach BKA-Angaben werden derzeit 93 Prozent innerhalb von zwei Wochen gelöscht, nach vier Wochen seien es sogar 99 Prozent.

06.04.: Urteil zur Identitätsfeststellung: Das BVerfG erklärt die Inhaftierung und erkennungsdienstliche Behandlung zur Identitätsfeststellung von Verdächtigen für unrechtmäßig, wenn diese gültige Ausweise vorlegen können. Geklagt hatten 2003 zwei Personen aus der Hamburger Bauwagen-Szene (Az.: 1 BvR 47/05 u. 1 BvR 142/05).

Terrorunterstützer verurteilt: In Berlin wird ein 31-jähriger Mann zu 22 Monaten Haft verurteilt; er hatte gestanden, im Jahre 2009 insgesamt 1.400 EUR an die „Islamische Dschihad-Union“ (IJU) und die „Deutschen Taliban Mudschahedin“ (DTM) gespendet zu haben.

11.04.: Neo-Nazi-Verein verboten: Das brandenburgische Innenministerium verbietet die „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF). Gleichzeitig durchsuchen Polizeibeamte 20 Büros und Wohnungen der FKTF.

Anschlag auf Polizeiwache: Unbekannte verüben einen Brandanschlag auf eine Berliner Polizeiwache. Dabei gerät ein Mitarbeiter einer Reinigungsfirma in Gefahr. Zwei Tage später zieht die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen „versuchten Mordes“ an sich.

12.04.: „Kriminelle Vereinigung“: PolizistInnen durchsuchen 20 Wohnun­gen in Sachsen und Brandenburg. Die InhaberInnen, 16 Männer und eine Frau, werden der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ beschuldigt. Sie sollen mindestens drei Überfälle auf Rechtsextremisten begangen haben.

Prozess wegen Terrorpropaganda: In München beginnt der Prozess gegen sieben Männer und eine Frau, die Propaganda der „Globalen Islamischen Medienfront“ im Internet verbreitet haben sollen. Am zweiten Prozesstag deckt einer der Verteidiger auf, dass der Anführer der Gruppe, ein V-Mann des Verfassungsschutzes, nicht unter den Angeklagten ist.

15.04.: Freispruch nach Todesschuss: Das Bonner Landgericht spricht einen Polizisten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Der Beamte hatte im Mai 2010 bei einem Einsatz einen Mann erschossen.

19.04.: Sächsisches Demonstrationsrecht gekippt: Der sächsische Verfassungsgerichtshof verwirft das Versammlungsgesetz wegen gravierender Formfehler. Es war im Januar 2010 im Landtag in Windeseile beschlossen worden, um einen für Februar angekündigten Nazi-Auf­marsch in Dresden zu verhindern.

29.04.: Mutmaßliche Terroristen gefasst: Nach monatelanger Über­wachung nimmt die Polizei in Nordrhein-Westfalen drei Marokkaner fest, die einen Anschlag auf den öffentlichen Nahverkehr geplant haben sollen. Bei den Männern, die der Al Qaida zugerecht werden, findet man größere Mengen Sprengstoff und Chemikalien.