Die Zirkel, in denen Polizei und Geheimdienste (aber auch Militärs) sich bundes- bzw. europaweit treffen, um ihren Kampf gegen die „Cyberkriminalität“ zu koordinieren, sind (wieder einmal) unübersichtlich und intransparent.
Im Februar 2011 beschloss die Bundesregierung ihre „Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland“. Diese will eine möglichst effektive Zusammenarbeit der Bundesbehörden unter Einbindung der Privatwirtschaft erreichen.[1] Hierfür wurden drei Modelle entwickelt: Erstens wurde im Mai 2011 auf ministerieller Ebene ein „Nationaler Cyber-Sicherheitsrat“ (NCSR) gebildet. Dieser soll „strukturelle“ Fragen erörtern und „präventive“ Instrumente bzw. zwischen Staat und Wirtschaft „übergreifende Politikansätze“ koordinieren. Die Leitung des NCSR obliegt der Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik, der Staatssekretärin im Bundesinnenministerium (BMI), Cornelia Rogall-Grothe. Ähnlich wie im „Rat der IT-Beauftragten des Bundes“ sind am NCSR auch das Bundeskanzleramt sowie sieben weitere Bundesministerien beteiligt. (Auswärtiges Amt, Verteidigung, Justiz, Finanzen, Wirtschaft und Technologie sowie Bildung und Forschung) Hinzu kommen VertreterInnen der Länder. Die Wirtschaft ist lediglich „assoziiertes Mitglied“. Wer gegen wen? Gremiendschungel zur Bekämpfung der Cyberkriminalität weiterlesen →
Das Gespenst der Vorratsdatenspeicherung geht um in Europa. Die Richtlinie 2006/24/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, nationale Gesetze zu erlassen, die die Erfassung aller Daten von Internet-, Telefon- und Handyverbindungen für eine Mindestdauer von sechs Monaten festschreiben.[1]
Eigentlich hätten die Mitgliedstaaten die Richtlinie bis zum 15. September 2007 für Telefon- bzw. bis zum 15. März 2009 für Internetdienste umsetzen müssen. Dass die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor nicht EU-weit verankert ist, verdankt sich einem breiten Protest. Vor allem Bürgerrechtsbewegte stellen den angeblich zu erwartenden Ermittlungserfolgen eklatante Grundrechtseinschränkungen gegenüber. „Data retention is here to stay!“ – Der andauernde Streit um die Vorratsdatenspeicherung weiterlesen →
Das Internet hat Polizeien und Geheimdiensten eine Serie neuer Methoden beschert – von der Auswertung allgemein zugänglicher Quellen bis hin zur gezielten Einschleusung von Schadsoftware auf den Computer einer Zielperson.
„Die Täter nutzen die neuesten technischen Möglichkeiten.“ So erklärt das Bundeskriminalamt (BKA) auf seiner Homepage. „Damit die Entwicklung nicht nur auf der falschen Seite Fortschritte macht, wurden im Bundeskriminalamt schon frühzeitig Einheiten aufgebaut, die im Internet ‚Streife surfen‘, die verdächtige Auftritte und Angebote sichern und national wie international die Strafverfolgung einleiten.“[1] In der BKA-Abteilung „Schwere und Organisierte Kriminalität“ ist heute das Referat SO 43 zuständig für „Auswertungen/Ermittlungen IuK-Kriminalität“. Daran angegliedert ist auch die 1999 nach einem entsprechenden Auftrag der Innenministerkonferenz eingerichtete „Zentralstelle für die anlassunabhängige Recherche in Datennetzen“ (ZaRD). Der Staat surft mit – Ermittlungen von Polizei und Geheimdiensten im Internet weiterlesen →
Das Internet eröffnet nicht nur Ermittlungsbehörden ungeahnte Möglichkeiten. Es ist auch Ort politischer Vernetzung und Engagements. Trendsetterfunktion in Deutschland hatte vor zehn Jahren die Onlinedemonstration gegen das Abschiebegeschäft der Lufthansa. Über die damalige Aktion sprach Martin Beck mit Hans-Peter Kartenberg von der Kampagne Libertad!
Ihr seid weder als Internetnerds bekannt noch als Flüchtlingsaktivisten. Libertad! setzt sich vielmehr für politische Gefangene weltweit ein. Gleichwohl habt ihr 2001 maßgeblich die Onlinedemonstration gegen Lufthansa gestemmt, warum?
Die Onlinedemonstration war eingebettet in die Kampagne von „kein mensch ist illegal“ gegen die „deportation.class“, wie die massenhafte Abschiebung von Flüchtlingen mit Lufthansa-Flügen damals anschaulich beschrieben wurde. Sie sollten den öffentlichen Druck auf die Lufthansa AG erhöhen und so den Konzern zur Aufgabe der Abschiebeflüge bewegen. Bereits auf der Hauptversammlung des Konzerns im Jahr 2000 hatte man das Abschiebegeschäft erfolgreich thematisiert und in Misskredit gebracht. Dies sollte 2001 wiederholt werden. Dabei kam die Idee auf, die geplanten Aktivitäten um eine Aktionsform zu ergänzen, die es hier bis dahin noch nicht gegeben hatte. Es schien uns faszinierend, eine Praxis zu entwickeln, die eingreift und gleichzeitig viele mobilisiert, die innovativ und zeitgemäß in der Wahl der Mittel ist. Am Ende beteiligten sich mehr als 13.000 Menschen am virtuellen Protest gegen das Geschäft mit Abschiebungen der Lufthansa. Das Netz als Ort des Protests – Gilt die Demonstrationsfreiheit auch im Internet? weiterlesen →
03.01.: Auslieferungsfall: 32 Jahre nach ihrer Flucht setzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Eilanträge von Christian Gauger (68) und Sonja Suder (78) gegen ihre Auslieferung von Frankreich an Deutschland aus. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. beschuldigt sie, als Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ an der Vorbereitung des Anschlags auf die OPEC-Konferenz 1975 beteiligt gewesen zu sein.
04.01.: Juristischer Erfolg für Neonazi: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hebt ein vom Oberlandesgericht (OLG) München verhängtes weltweites Publikationsverbot für einen Neonazi der ehemaligen „Kameradschaft Süd“ auf. Es verletze seine Meinungsfreiheit, wenn er generell keine rechtsextremen Inhalte mehr veröffentlichen dürfe. (Az.: 1 BvR 1106/08) Chronologie weiterlesen →
Dass mit dem „cyberspace“ ein neuer „Raum“ entstanden ist, in dem es nicht nur – auch – zu illegalen Handlungen kommt, sondern der bestimmte Formen von Kriminalität erst ermöglicht, ist eine banale Feststellung. Sie wird erst zum Problem, wenn mit ihr im polizeilich-sicherheitspolitischen Diskurs die Forderung begründet wird, alles das, was dem Staat und seinen Organen in der „realen“ Welt – mittlerweile – erlaubt sei, dass müsse auch in dem virtuellen Welten des Internet gelten. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung beliebiger alltäglicher Tätigkeiten bedeutet das nicht weniger als eine vollständige Kommunikations-, Mobilitäts- und Gedankenkontrolle: Denn meine online-Spuren verraten nicht nur, wann ich mit wem und von wo aus Kontakte unterhielt oder aufzunehmen versuchte, sondern auch, was ich wann kaufte, was mich wie lange und wie oft interessierte etc. Die schöne neue Überwachungswelt steht zweifellos noch am Anfang. Und die Apparate kämpfen allerorts zugleich damit, auf der Höhe des technisch Möglichen zu bleiben und die institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, das Mögliche auch umsetzen zu können. Literatur weiterlesen →
Das schweizerische Justizministerium und sein Überwachungsdienst wollen den ganzen Internet-Verkehr verdächtiger Personen abzapfen und nicht nur ihre E-Mails.
Anfang Juni 2009 erhielten die rund 650 beim Bundesamt für Kommunikation registrierten Internetprovider Post vom Dienst „Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs“ (ÜPF). Man lud sie ein, zur neuen „IP-Richtlinie“ sowie den zugehörigen „organisatorischen und administrativen Anforderungen“ Stellung zu nehmen.
Von der „Echtzeit-Überwachung der kompletten Kommunikation des Breitband-Internetanschlusses“ war in den Dokumenten die Rede.[1] Konkret sollten die Provider nun das gesamte Surfverhalten einer NutzerIn an den Dienst umleiten, sofern gegen die Person ein entsprechendes Strafverfahren eröffnet worden ist, die zuständige Staatsanwaltschaft die Überwachung angeordnet und das Zwangsmassnahmengericht eines Kantons oder die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts das Ganze genehmigt hat. Der Staat sollte also Diskussionen in Chats oder Einträge in Foren mitlesen, bei Gesprächen über Dienste wie Skype mithören oder zusehen können, sobald die Person eine Webcam aktiviert. Internet-Überwachung à la suisse – Zwischenbilanz eines Rechtssetzungsprozesses weiterlesen →
Nach mehrjähriger Vorbereitung zeigte das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat“. Offiziell beendet sind damit die Jahrzehnte des Verdrängens, Verleugnens und Schönredens: Die Polizei war als aktiver Teil der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an Terror und Holocaust maßgeblich beteiligt.
Die von April bis August 2011 im Pei-Bau des DHM geöffnete Ausstellung geht auf einen Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) von 2008 zurück. Vom damaligen IMK-Vorsitzenden und brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) auf Initiativen des vormaligen Potsdamer Polizeipräsidenten Detlef Graf v. Schwerin als Projekt zur öffentlichen Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Polizei im Nationalsozialismus im Kreis der Innenminister durchgesetzt, bestand (und besteht) das Vorhaben aus drei Teilen: 1. die jetzt gezeigte zeitlich befristete Ausstellung, 2. die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien für die Aus- und Fortbildung der Polizei und 3. die Herstellung eines Ausstellungsmoduls, das durch länderspezifische Aspekte erweitert an den Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung auf Dauer die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus darstellen soll. Insgesamt handelt es sich damit um eine Initiative, die nach außen an die allgemeine Öffentlichkeit adressiert ist, die aber auch nach innen als didaktisch aufbereitetes Angebot in die polizeiliche Ausbildung und damit auf die geschichtlichen Kenntnisse von (zukünftigen) Polizisten wie auf deren Selbstbild wirken soll. Ordnung und Vernichtung – Geschichtspolitischer Meilenstein der deutschen Polizei weiterlesen →
Ende 2010 löste der Bericht der Werthebach-Kommission[1] wüste Proteste aus. Bundespolizei (BPol) und Bundeskriminalamt (BKA), die Polizeigewerkschaften und einige Landesinnenminister wehrten sich gegen eine Fusion der beiden „Sonderpolizeien des Bundes“. Nach dem Amtsantritt des neuen Bundesinnenministers schienen die Pläne erledigt. Wirklich?
Den Vorschlag, „aus den Polizeien des Bundes eine Polizei des Bundes zu machen“, fände er „überzeugend, bedenkenswert und verfolgenswert“, hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärt, als er am 19. Dezember 2010 den Bericht der von ihm einberufenen Kommission unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Eckart Werthebach, präsentierte. „Kurz und schnell“ wollte er die Organisationsreform vollziehen und deshalb bereits im März 2011 eine Grundsatzentscheidung treffen.[2] Dazu kam es – dank der Kabinettsrochade – nicht mehr. Top oder Flop? Werthebach-Kommission und neue Sicherheitsarchitektur weiterlesen →
Menschen kommunizieren, planen, organisieren im Netz und können darüber auch Gleichgesinnte mobilisieren. Strafverfolger können aus den dabei anfallenden Daten nicht nur soziale Netzwerke rekonstruieren, sie können auch Social-Network-Dienste direkt für ihre Zwecke verwenden.
Eine Vielzahl von Diensten unterstützt die Kommunikation im so genannten Social Web. Über Soziale Netzwerke wie Facebook, Xing oder LinkedIn können Menschen Kontakte aufbauen und pflegen oder ihre Beziehungsnetze erweitern. Plattformen wie YouTube und Flickr bieten einfache Möglichkeiten für die Veröffentlichung oder den Tausch von Videos und Fotos. Über Microblogging-Dienste wie Twitter lassen sich per Rechner oder Smartphone Kurznachrichten und Bilder nicht nur an Freunde, sondern ganze Scharen von Interessierten verteilen. Kooperation und Kollaboration über Dienste, die Gruppenkommunikation unterstützen, erweitern die Reichweite der Nutzer – und erlauben eine orts- und zeitunabhängige Präsenz im Netz. Die Menschen geben dabei nicht nur Inhalte preis, sondern auch, wann sie wo mit wem kommunizieren. Gläserne soziale Netzwerke – Fahndung in digitalen sozialen Interaktionen weiterlesen →
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