Chronologie

von Otto Diederichs

August 2014

01.08.: Hamburger Verfassungsschutz: Manfred Murck, langjähriger Chef des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), geht in den Ruhestand. Nachfolger wird sein Stellvertreter Torsten Voß; dessen Stelle übernimmt Anja Domres, bisher Leiterin der Sozialbehörden.

NSA-Abhör-Affäre: Der Journalist Glenn Greenwald, der die NSA-Affäre publik machte, sagt eine Videobefragung durch den Bundestags-Unter­suchungsausschuss (UA) ab. Ohne eine direkte Befragung Edward Snowdens verkomme die Aufklärung zu „leerer Symbolik“. Am 13.09. wird bekannt, dass die NSA und der britische GHCQ auch direkten Zugriff auf die Netze der Telekom haben. Über das Programm „Treasure Map“ sei auch der Zugriff auf Rechner-Endgeräte, Tablets und Smartphones möglich. Als ersten Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) vernimmt der UA am 25.09. den Leiter der Abhörstation Bad Aib­ling, der eine massenhafte Datenabschöpfung bestreitet, aber eine Nutzung von US-Technik und eine gewisse Zusammenarbeit mit der NSA bestätigt. Auf Detailfragen darf er wegen seiner beschränkten Aussagegeneh­migung nicht antworten. Am 25.09. reichen GRÜNE und LINKE beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Klage gegen die Bundesregierung und VertreterInnen von CDU und SPD im UA ein – mit dem Ziel, Snowden doch noch als UA-Zeugen hören zu können. Laut Medienberichten vom 03.10. geht aus „streng geheimen“ Unterlagen, die der BND dem UA übergeben hat, hervor, dass zwischen 2004 und 2008 am Internet-Knotenpunkt Frankfurt/M. abgefangene Daten auch an die NSA weitergeleitet wurden. Ein Filter, der die Überwachung deutscher Anschlüsse ausschließen sollte, habe nie richtig funktioniert.

04.08: Neue Rechtspartei: Der bayerische Innenminister Joachim Hermann erklärt bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts, Neonazis aus dem Ende Juli verbotenen Kameradschaftsnetzes „Freies Netz Süd“ hätten kurz danach die Partei „Der Dritte Weg“ gegründet.

05.08.: NSU: Nach 135 Verhandlungstagen legt das Gericht einen neuen Terminplan vor, wonach der 30.06.2015 letzter Verhandlungstag sein soll. Bei ihrer Zeugenaussage am 06.08. werfen zwei Kriminalbeamte, die den Mord an Halit Yozgat untersuchten, dem hessischen LfV vor, ihre Arbeit massiv behindert zu haben. Die Rolle des damaligen Verfassungsschützers Andreas T., der sich zur Tatzeit in den Räumen von Yoz­gats Internetcafé in Kassel aufhielt, sich jedoch nicht als Zeuge meldete, ist bis heute nicht geklärt. Mit seinem am 21.08. vorgestellten Abschlussbericht stellt der thüringische NSU-UA den Sicherheitsbehörden ein vernichtendes Urteil aus: Die Fahndung nach dem Trio sei ein „einziges Desaster“ gewesen, die „Häufung falscher oder nicht getroffener Entscheidungen“ lasse „auch den Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen zu“. Durch Presseberichte wird am 22.08. bekannt, dass der Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der nach der Entdeckung des NSU brisante Akten schreddern ließ, später in die interne BfV-Sondergruppe „Lageorientierte Sonderorganisation zur Aufarbeitung der Taten des ‚Nationalsozialistischen Untergrunds‘“ (LoS NSU) berufen wurde. Am 23.09. sagt der frühere V-Mann Tino Brandt im NSU-Prozess aus: Neben dem Honorar – zwischen 140.000 bis 200.000 DM in den Jahren 1994-2001 – habe ihm das LfV Thüringen ein Auto sowie Computer und andere technische Geräte zur Verfügung gestellt. Zudem habe das Amt die An­waltskosten bei seinen diversen Strafverfahren übernommen. Am 30.09. bestätigen zwei frühere V-Mann-Führer Brandts Aussagen teilweise. Am 01.10. muss das BfV einen Pressebericht bestätigen, wonach in seinem Archiv eine CD des NSU lagerte, die der frühere V-Mann „Corelli“ dem Amt bereits 2005 übergeben hatte. Diese sei allerdings erst am 29.09. aufgefunden worden. In einer Sondersitzung setzt das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages am 06.10. den früheren GRÜNEN-Politiker Jerzy Montag als Sonderermittler in der CD-Affäre ein. Wie die Presse am 28.10. berichtet, wehrt sich das brandenburgische In­nenministerium mit einem Sperrvermerk gegen eine öffentliche Zeugenaussage des früheren V-Mannes Carsten S. („Piatto“), der seit Juni 2000 an einem geheimen Ort im Zeugenschutzprogramm lebt. Der Landtag Nordrhein-Westfalens (NRW) beschließt am 28.10. auf Antrag der PIRATEN-Fraktion, einen eigenen NSU-UA einzusetzen.

Kinderpornografie: Auf Antrag der „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität“ in Gießen durchsuchen 550 ErmittlerInnen in mehreren Bundesländern 125 Wohnungen und Geschäftsräume von 115 Verdächtigen und beschlagnahmen 260 Computer. Festnahmen gibt es keine. Durch Presseberichte wird am 19.09. bekannt, dass deutsche Staatsanwaltschaften 705 Ermittlungsverfahren gegen Käufer mutmaßlich kin­derpornografischen Materials eingeleitet haben, deren Daten die kanadische Polizei nach einer Großaktion im Februar übermittelt hat. Im Zuge dieser Operation war auch der Ex-SPD-Bundestagsabge­ord­nete Sebas­ti­an Edathy aufgefallen. Am 22.10. teilt das BKA mit, dass auch einer seiner Beamten des Besitzes von Kinderpornografie verdächtigt wird.

06.08.: „Stille SMS“: Laut Antwort der Bundesregierung auf eine An­frage der LINKEN haben die Sicherheitsbehörden des Bundes im ersten Halbjahr 2014 fast doppelt so viele „Stille SMS“ zur Ortung von Personen versandt wie im ersten Halbjahr 2013 (BfV 53.000; BKA 35.000; Bundespolizei (BPol) fast 69.000; Zoll-Angaben gelten als „Verschlusssache“).

Versammlungsfreiheit: Das BVerfG entscheidet, dass Laut­spre­cher­durchsagen bei Demonstrationen, in denen PolizistInnen als „Bullen“ bezeich­net werden, nicht verboten oder bestraft werden dürfen. Hintergrund ist eine Demo vom Mai 2008, bei der Zivilbeamte aufgefordert wurden, die Versammlung sofort zu verlassen (Az.: 1 DvR 2135/09).

Rechtsextreme Straftaten: Auf Anfrage der Linksfraktion teilt das Bundesinnenministerium (BMI) mit, dass im ersten Halbjahr bundesweit 5.239 rechte Straftaten registriert wurden, darunter 241 Gewaltdelikte, bei denen 216 Menschen verletzt wurden.

Auseinandersetzungen wegen IS: In Herford (NRW) kommt es am Abend zu schweren Auseinandersetzungen zwischen mehreren Hundert JesidInnen einerseits und SalafistInnen sowie AnhängerInnen des „Islamischen Staats“ (IS) andererseits. Die Polizei greift mit mehreren Hundertschaften aus Bochum und Dortmund ein. Am 06. und 07.10. kommt es in Cel­le zu einer ähnlichen Schlägerei. Einer der rund 100 Beteiligten wird schwer verletzt. Nach einer Demonstration gegen den IS kommt es am 07.10. in Hamburg zu einer Straßenschlacht zwischen etwa 800 KurdInnen und IslamistInnen. Die Polizei hat über 1.000 BeamtInnen sowie Wasserwer­fer im Einsatz. Am 11.10. beteiligen sich rund 21.000 KurdInnen an einer Großdemo in Düsseldorf. Die Polizei beschlagnahmt einige Symbole der verbotenen PKK und fertigt Anzeigen. In Berlin kommt es bei einer KurdInnen-Demonstration am 18.10. zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

07.08.: Körperverletzung im Amt: Die Düsseldorfer Polizei leitet ein Straf­verfahren gegen mehrere Beamte ein, die im August 2013 eine laute Party aufgelöst hatten und dabei einen Feuerwehrschlauch und Pfef­ferspray eingesetzt haben sollen. Ein Verfahren gegen zwei Partygäste war zuvor gegen Auflagen eingestellt worden.

11.08.: Polizeilicher Todesschuss: In Goch (Niederrhein) wird die Polizei auf einen Mann aufmerksam gemacht, der einen messerähnlichen Gegenstand schwingend durch den Stadtpark läuft. Auf die Ansprache der eintreffenden Streife reagiert er nicht, sondern geht drohend auf die Polizisten zu. Einer der Beamten schießt und trifft den Mann tödlich.

Prozess wegen „Kugelbombe“: Vor dem Landgericht (LG) Berlin be­ginnt der Prozess gegen drei Männer wegen versuchten Mordes und Ver­sto­ßes gegen das Sprengstoffgesetz. Sie sollen bei einer De­monstration im Juni 2010 mit einer „Kugelbombe“, einem in China hergestellten und in Deutschland verbotenen Feuerwerkskörper, 14 PolizistInnen verletzt haben. Am 13.10. wird der Hauptangeklagte zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, seine Mitangeklagten werden freigesprochen.

13.08.: BPol-Jahresbericht: Die BPol hat 2013 rund 33.000 illegale Einreisen (26,7 Prozent mehr als 2012) und 1.535 SchleuserInnen (70,6 Prozent mehr als 2012) festgestellt.

14.08.: Bundesamt für Verfassungsschutz: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ernennt Hans-Georg Maaßen, der das BfV seit 2012 kommissarisch führt, offiziell zum Präsidenten des Amtes.

15.08.: Trojaner: Auf Anfrage der Linksfraktion teilt die Bundes­regie­rung mit, dass der vom BKA selbst entwickelte Trojaner einsatzbereit sei.

BND: Medien berichten unter Berufung auf Dokumente eines BND-Mitarbeiters, der im Juli wegen Spionage für die CIA festgenommenen worden war, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst in mindestens einem Fall die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton abgehört hat. Am 16.08. wird bekannt, dass der BND gemäß seinem „Auftragsprofil“ seit 2009 systematisch die NATO-Partner Türkei und Albanien überwacht; in mindestens einem Fall soll dabei auch ein Gespräch des US-Außenminister John Kerry mitgeschnitten worden sein.

19.08.: Fall Teresa Z.: Das Münchner Polizeipräsidium teilt mit, dass man sich mit der 23-Jährigen, die im Januar 2013 von einem Münchner Polizisten auf der Wache so schwer misshandelt worden war, dass sie einen Nasenbeinbruch und Brüche der Augenhöhlen erlitt, außergerichtlich auf ein Schmerzensgeld geeinigt hat. Der schlagende Beamte war im März 2014 zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Tod nach Polizeieinsatz: Die Koblenzer Staatsanwaltschaft gibt bekannt, dass sie gegen zwei Polizeibeamte wegen des Verdachtes der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Die Beamten waren Ende Mai zu einem Nachbarschaftsstreit gerufen worden und sollen dabei einen gehörlosen und sprachbehinderten Mann so schwer geschlagen haben, dass dieser sechs Tage später in einer Klinik an einem Hirninfarkt verstarb.

22.08.: Tötung auf Verlangen: Vor dem LG Dresden beginnt der Prozess wegen Mord und Störung der Totenruhe gegen einen Kriminal­beamten, der im November 2013 einen Mann auf dessen Verlangen getötet, zerstückelt und die Leichenteile im Garten vergraben haben soll.

Polizeischuss: Beim Festnahmeversuch eines mit Haftbefehl gesuchten Straftäters schießt im brandenburgischen Cottbus ein Polizeibeamter auf den Mann und verletzt ihn lebensgefährlich.

Pfefferspray: Laut der Antwort des Berliner Senates auf eine Anfrage der PIRATEN-Fraktion hat die Berliner Polizei im ersten Halbjahr 2014 in insgesamt 225 Fällen Pfefferspray eingesetzt; davon in 40 Fällen bei Demonstrationen, in 17 gegen randalierende Personen und in neun bei häuslicher Gewalt. In 150 Fällen habe bereits die Androhung eines Pfeffersprayeinsatzes zum polizeilichen Erfolg geführt.

28.08.: Oury Jalloh-Prozess: Im Revisionsverfahren um den Tod des Asyl­bewerbers, der im Januar 2005 gefesselt in der Zelle eines Dessauer Polizeireviers verbrannte, bestätigt der Bundesgerichtshof (BGH) die Entschei­dung des LG Magdeburg, das den damaligen Dienstgruppenleiter 2012 zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt hatte.

29.08.: Polizeischuss: Bei dem Versuch, in einem Bierzelt im fränkischen Röthenbach einen Randalierer festzunehmen, schießt ein Beamter auf den Mann und trifft ihn in den Oberkörper.

PKK-Mitglied festgenommen: Die Bundesanwaltschaft lässt ein mutmaß­liches Mitglied der verbotenen PKK festnehmen. Der Mann soll in der BRD für die PKK Geld beschafft und Nachwuchs rekrutiert haben.

September 2014

02.09.: Festnahmen mutmaßlicher Dschihadisten: An der österreichischen Grenze werden bei der Ausreise zwei Männer festgenommen. Der eine wird verdächtigt, als Söldner nach Syrien unterwegs zu sein; der andere soll in München versucht haben, Dschihad-KämpferInnen anzuwerben. In den folgenden Wochen kommt es immer wieder zu Festnahmen von mutmaßlichen Dschihadisten – teils bei der Ausreise, insbesondere in Richtung Syrien, teils bei der Rückkehr nach Deutschland. Einige der Rückkehrer standen vor ihrer Festnahme unter einer permanenten Observation. Am 03.10. bestätigt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Festnahme eines Salafisten, der sich in einem Interview ausdrücklich zum IS bekannt hatte. Der Mann stehe seit anderthalb Jahren unter polizeilicher Beobachtung, Hinweise auf konkrete Anschlagpläne gebe es jedoch nicht. Er wird 14 Tage später in die Türkei abgeschoben. Die Innenministerkonferenz beschließt am 17.10., gewaltbereiten IslamistInnen die Ausweise zu entziehen und diese durch eine Art Ersatzausweis zu ersetzen, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen. Laut Aussagen des BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen vom 25.10. schätzt der Verfassungsschutz die Zahl der aus Deutschland nach Syrien ausgereisten DschihadistInnen auf 450 und die Zahl der Rückkehrenden auf 150. Tags darauf zitieren Presseberichte ungenannte VerfassungsschützerInnen mit einer Zahl von rund 1.800 Ausgereisten.

04.09.: Überwachung von Gregor Gysi: Das Verwaltungsgericht (VG) Köln entscheidet, dass der Verfassungsschutz in seinen Dateien und Akten alle Angaben über den Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag löschen bzw. vernichten muss. (Az: 20 K 1468/08).

08.09.: Bonner Bombe: Vor dem OLG Düsseldorf beginnt der Prozess gegen vier Islamisten, die im Dezember 2012 einen Bombenanschlag auf den Bonner Hauptbahnhof versucht haben sollen. Die Bombe war nicht explodiert. Im März 2013 sollen sie zudem einen Anschlag auf den Vor­sitzenden der Rechtspartei „Pro-NRW“ geplant haben.

11.09.: Rassistische PolizistInnen: Durch Presseberichte wird bekannt, dass bei einem „Kommissarsanwärter“-Kurs an der Polizeifachhochschule NRW eine junge Polizistin mit Migrationshintergrund über Wochen ras­sistisch beleidigt und belästigt wurde, bevor dies einer ihrer etwa 30 KollegInnen meldete. Der Haupttäter wurde vom Dienst suspendiert und seine Entlassung eingeleitet. Am 16.09. wird bekannt, dass auch ein zweiter Kursteilnehmer suspendiert wurde. Gegen die übrigen wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet, weil sie die Vorfälle toleriert hatten.

12.09.: IS verboten: Das BMI verbietet die Organisation IS. Untersagt ist nicht nur die Mitgliedschaft, sondern auch das öffentliche Zeigen der „Kennzeichen“ der Organisation bei Demon­strationen oder in sozialen Netz­werken und das Sammeln von Spenden. Rund 140 Ermittlungsverfahren sind anhängig, 33 mit etwa 60 Beschul­digten führt die Bundesanwaltschaft. Am 11.10. spricht Bundesjustizmi­nister Heiko Maas (SPD) bereits von über 200 Verfahren.

15.09: 129b-Urteil: Vor dem OLG Frankfurt/Main beginnt ein Prozess we­gen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gegen einen Mann, der in Syrien für den IS gekämpft haben soll und be­reits bei seiner Rückkehr im Dezember 2013 festgenommen worden war.

17.09: Verwarnung mit Strafvorbehalt: Zwei Polizisten, die im Mai 2014 einen bereits gefesselten Ladendieb geschlagen und getreten hatten, kommen vor dem Amtsgericht (AG) Westerburg (Rheinland-Pfalz) mit einer bloßen Verwarnung davon: Sie müssen je eine Geldstrafe von 5.250 Euro zahlen, wenn sie sich innerhalb eines Jahres eine andere Straftat zuschulden kommen lassen. Das Verfahren gegen zwei Kollegen, die den Vorfall beobachteten ohne einzugreifen, war zuvor eingestellt worden.

21.09.: Keine kriminelle Vereinigung: Die Kampagne „Sachsens Demokratie“ teilt mit, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft sämtliche Verfahren nach § 129 StGB gegen Mitglieder einer angeblichen „Antifa-Sportgruppe“ eingestellt hat. Eine kriminelle Vereinigung, die Jagd auf Nazis mache, habe nie existiert. Das Ermittlungsverfahren war Anlass für Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen sowie für die Funkzellenabfrage während der Anti-Nazi-Kundgebung in Dresden am 19. Februar 2011, bei der die Polizei 900.000 Handy-Datensätze erfasste.

22.09.: Verfassungsschutz und Pressefreiheit: Das Ober­ver­wal­tungsgericht (OVG) Münster verwirft eine Klage des Berliner „Tagesspiegel“ und entscheidet, dass das BfV der Presse Auskunft über die Zahl überwachter JournalistInnen und ParlamentarierInnen verweigern darf.

23.09.: Razzien gegen Islamisten: Wegen des Verdachts einer schwe­ren staatsgefährdenden Gewalttat durchsucht die Polizei in mehreren Bun­desländern Wohnungen von sieben Salafisten. Sie sollen Geld für den IS gesammelt und Fahrzeuge nach Syrien überführt haben. Am 18.10. wer­den in sieben Bundesländern die Wohnungen von 15 mutmaßlichen Is­la­misten durchsucht und vier Männer festgenommen, von denen einer kurz vor der Ausreise nach Syrien gestanden habe.

Prügel-Polizisten: Das AG Tiergarten (Berlin) verurteilt zwei Poli­zis­ten, die im September 2013 betrunken und außer Dienst Jagd auf angebliche Dealer gemacht und dabei eine schwarze Person zusammengeschlagen hatten, zu Geldstrafen von 7.500 Euro.

Rocker: In Berlin beginnt der Prozess gegen drei Hells Angels, die im September den Türsteher eines Clubs erschossen haben sollen. Gleichentags verwirft das BVerfG die Beschwerde eines Hamburger Hells Angel gegen das „Kuttenverbot“ des Hamburger OLG vom 07.04. Bei einer Razzia in Bayern werden sechs Männer festgenommen, darunter ein Führungsmitglied des Regensburger „Bandidos MC“, dem Verbindungen zum Rotlichtmilieu und Drogenhandel vorgeworfen werden und der designierter Bundes-Vize der NPD ist. Wegen Verstößen gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz erhebt die Duisburger Staatsanwaltschaft am 15.10. Anklage gegen ein Mitglied der Duisburger „Saturdarah“-Gruppe, deren ehemaliger Waffenmeister als V-Mann für die Polizei gearbeitet hatte. Niedersachsen verbietet am 24.10. die Göttinger Hells Angels. Am 28.10. kippt das LG Bochum einen Erlass des NRW-Innenministeriums vom Juli 2014, durch den das Tragen von „Kutten“ in der Öffentlichkeit generell verboten worden war.

25.09.: Polizeischuss: In einem Münchner Krankenhaus bricht ein Patient die Behandlung ab und beginnt zu randalieren. Als er zwei herbeigerufene Polizisten mit einem Feuerlöscher angreift, schießt einer der Beamten und trifft den Mann in den Unterschenkel.

26.09.: Freiheitsberaubung, Körperverletzung im Amt: Das AG Rosenheim verurteilt einen Polizeibeamten, der in der Silvesternacht 2013 einen Mann grundlos festgenommen und während der Fahrt aufs Revier und auch in der Zelle schwer misshandelt hatte, zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe sowie 5.000 Euro Geldstrafe.

28.09.: Misshandlung von Geflüchteten: Durch Medienberichte wird bekannt, dass Wachleute in einer Flüchtlingsunterkunft in Burbach (NRW) Asylsuchende gedemütigt und misshandelt haben. Gegen min­des­tens sechs Personen wird ermittelt. Die Betreiberfirma European Homecare (EHC) kündigt daraufhin die Verträge mit dem Sicherheits­unternehmen. Ähnliche Verdachtsfälle gibt es auch in Essen und Bad Berleburg. Am 06.10. ordnet die Staatsanwaltschaft Siegen eine Durchsuchung bei EHC an. Tags darauf wird der Firma die Leitung des Heimes in Burbach entzogen; auch gegen den Heimleiter und den Geschäftsführer wird nun ermittelt. Am 16.10. wird bekannt, dass zwei der beschuldigten Wachleute gegen ihre fristlose Kündigung klagen. Ebenfalls am 16.10. bestätigt die Polizei in München, dass auch dort in vier Fällen gegen Wachleute wegen des Vorwurfs der Körperverletzung ermittelt wird. Am 23.10. wird bekannt, dass im Dezember 2013 auch in der Unterkunft in Bad Berleburg (NRW) ein Wachmann einen Geflüchteten mit dem Schlagstock traktiert hatte. Der Mann wurde suspendiert. Insgesamt laufen unterdessen Verfahren gegen 30 Sicherheitsleute; 18 wurden eingestellt.

Oktober 2014

08.10.: 129b-Anklage: In Berlin erhebt die Bundesanwaltschaft Anklage wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gegen zwei Männer, die in Syrien für eine islamistische Miliz gekämpft haben sollen.

10.10. Krimineller Polizist: Gegen den früheren Chef der Drogenfahndung in Kempten (Allgäu) wird Anklage wegen Drogenbesitz, Vergewaltigung, Körperverletzung und weiterer Delikte erhoben. Der Mann war im Februar 2014 wegen der Misshandlung und Vergewaltigung seiner Frau festgenommen worden. Bei den anschließenden Ermittlungen waren in seinem Büro zudem rund 1,8 Kilo Kokain gefunden worden.

13.10.: Elektronische Fußfessel: Durch Presseberichte wird bekannt, dass ein mutmaßlicher Radikal-Islamist trotz einer elektronischen Fußfessel untertauchen konnte. Der wegen Einbruchs verurteilte Mann sei ver­mutlich nach Syrien ausgereist, bestätigte die „Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL). Die sogenannte „Kleine Fußfessel“ erlaube keine lückenlose Rund-um-die-Uhr-Überwachung.

Suspendiert: In Berlin wird ein Polizist wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, der Dienstgeheimnisverletzung und des Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert.

Tod bei Polizeieinsatz: Im bayerischen Kreis Neuburg-Schroben­hau­sen sollen Polizeibeamte einen Mann dem Gesundheitsamt vorführen. Als er sich weigert und sie ihm Handschellen anlegen, bricht er plötzlich zu­sammen und stirbt kurz darauf im Krankenhaus an einem „lagebeding­ten Erstickungstod“. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Beamten wird nicht eingeleitet.

16.10.: Anti-Terror-Datei: Der Bundestag passt das Anti-Terror-Datei-Gesetz halbherzig an die Forderungen an, die das BVerfG in einem Urteil von 2013 erhoben hat (siehe S. 10-13).

20.10.: Polizeilicher Todesschuss: Als Polizeibeamte bei einem Ehestreit in Stadland (Kreis Wesermarsch) eintreffen, gibt der 77-jährige Ehemann einen Schuss aus einer Schreckschusswaffe ab und weigert sich diese abzulegen. Daraufhin schießt ein Beamter und trifft ihn tödlich.

22.10.: Kennzeichenscanner: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erklärt den Einsatz von Kennzeichenscannern in Bayern für rechtens; das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht verletzt. Die bayerische Polizei setzt seit 2006 insgesamt 22 stationäre und drei mobile Scanner ein (BVerwG 6 C 7.13).

Ausreiseverbot: Das AG München verurteilt einen türkischstämmigen Mann wegen Verstoßes gegen ein Ausreiseverbot zu sieben Monaten Haft.

Übergriff in Abschiebeknast: Die Berliner Polizei bestätigt einen Medienbericht, wonach das Landeskriminalamt (LKA) gegen einen Polizisten, der im September einen Abschiebehäftling getreten haben soll, Ermittlungen eingeleitet hat.

23.10.: Rassistisch und rechtsmotivierte Gewalttat: Nach einem Streit schlagen in Limburg (Hessen) drei Männer solange auf einen aus Ruanda stammenden Mann ein, dass er an inneren Verletzungen stirbt. Polizei und Staatsanwaltschaft vermuten fremdenfeindliche Motive (siehe S. 59-64).

Urteil zu Verdeckten ErmittlerInnen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügt einen Einsatz der deutschen Drogenfahndung aus dem Jahr 2008. Ein bis dahin unbescholtener Mann war von zwei Verdeckten Ermittlern aktiv in ein Drogengeschäft verwickelt und später zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Der Gerichtshof spricht dem Mann ein Schmerzensgeld von 8.000 Euro zu.

Schleuserkriminalität: In einer gemeinsamen Aktion führen LKA Berlin und BPol bei vier Verdächtigen Durchsuchungen durch. Dabei werden Passbilder, umfangreiche IT-Technik und Drogen sichergestellt.

26.10.: Hooligan-Demo gegen Salafismus: Bei einer von „Pro NRW“ angemeldeten Demonstration gegen Salafismus in Köln, an der rund 4.500 Hooligans und Neonazis teilnehmen, kommt es kurz nach Demonstrationsbeginn zu Schlägereien mit der Polizei. Nach etwa 300 Metern löst der Veranstalter die Demo offiziell auf. Die Ausschreitungen dauern bis in den Abend an.

29.10.: Fahrlässige Tötung: In Bochum beginnt der Prozess gegen zwei Polizisten, die im März 2013 nach einem Beziehungsstreit eine unter ih­rem Schutz stehende Frau als erste in die Wohnung gehen ließen, obwohl bekannt war, dass der Ehemann bewaffnet war und zu Wutanfällen neigte. Die Frau wurde erschossen.

Falschaussage: Das AG Ingolstadt verurteilt einen Polizisten wegen falscher Angaben zu einem Schlagstockeinsatz zu einer Strafe von 16 Monaten auf Bewährung. Seine Behauptung, bei einem Fußballspiel im Juli 2013 von einem Fan mit einer abgebrochenen Flasche angegriffen worden zu sein, konnte durch ein Video widerlegt werden.

Warnschuss: Auf dem Münchner Hauptbahnhof bedroht ein Mann zunächst eine Zugbegleiterin und dann Polizeibeamte mit einem Messer. Er wird mit einem Warnschuss gestoppt und festgenommen.