von Dirk Burczyk
Die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes und der späteren Bundespolizei ist eng eingewoben in die Geschichte der Bundesrepublik – vom Ringen um die staatliche Souveränität über die diversen Konjunkturen der „Inneren Sicherheit“ bis zur Ausdehnung von Handlungsfähigkeit und Ressourcen des Bundes zulasten der Länder.
Die Geschichte des Bundesgrenzschutzes (BGS) beginnt 1948 mit den Beratungen im Parlamentarischen Rat über das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland. Eingeführt wurde mit dem Art. 87 GG die Kompetenz des Bundes zum Aufbau eines Bundesgrenzschutzes. Doch schon die Debatten vor der Vorlage eines Bundesgrenzschutzgesetzes zeigten, dass es nicht nur allein um den Schutz der Grenze zur DDR und ČSSR ging. So träumte der FDP-Abgeordnete Max Becker schon 1950 davon, der Bundesgrenzschutz könne „Grundlage einer anständigen Bundespolizei selbst sein“.[1] Anlass war eine Debatte des Bundestages zur „Polizeifrage“. Dabei war zwischen den Fraktionen weitgehend unumstritten, dass es in Reaktion auf die Aufstellung kasernierter Verbände der Volkspolizei der DDR und angeblicher Überfälle von FDJ-Gruppen auf das Gebiet der BRD eines bewaffneten Grenzschutzes bedürfe. So sollte eine militärische Eskalation an der innerdeutschen Grenze durch das Einschreiten der alliierten Westmächte verhindert werden und gleichzeitig auch ein Stück staatlicher Souveränität der jungen BRD erreicht werden. Und schließlich war es dem Bundeskanzler ein persönliches Anliegen, polizeiliche und keine militärischen Kräfte einzusetzen: die Grenze sollte als inner-deutsche und damit polizeiliche Angelegenheit behandelt werden.[2]
Doch neben der umstrittenen außenpolitischen ging es auch um die innenpolitische Souveränität – im Falle von Unruhen und politischen Aufständen wäre die deutsche Polizei in ihrer damaligen Verfassung kaum in der Lage gewesen zu reagieren, und die Bundesregierung hätte nur tatenlos zusehen können. Zwar enthielt das Grundgesetz mit dem Art. 91 Abs. 2 die Befugnis für den Bundesinnenminister, zur Durchsetzung der Bundestreue in einem Bundesland die Polizei dieses Landes und die Polizeien anderer Länder seinen Weisungen zu unterstellen. Aber die Alliierten hatten diese Regelung zunächst suspendiert, so weit ging das Vertrauen dann doch noch nicht. Die Bundesregierung wollte zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Polizeieinheit zum Schutz der Verfassungsorgane in Bonn; darüber blieb es den Ländern überlassen, sich gegenseitig bereitschaftspolizeilich zu unterstützen.[3] 1950 konnten dafür bundesweit 30.000 Mann bereitgestellt werden.
In der ersten Beratung zum Bundesgrenzschutzgesetz am 25.1.1951 wurde die Idee von Becker durch Bundesinnenminister Lehr aufgegriffen: der „Weg über Grenzschutzbehörden“ schaffe „den ersten Ansatz für ein Machtinstrument der Bundesrepublik nach innen“.[4] Das schlug sich folgend im Aufbau des Bundesgrenzschutzes nach Inkrafttreten des Bundesgrenzschutzgesetzes (BGSG) am 16.3.1951 und dem beginnenden Aufbau ab dem 23.4.1951 nieder. Während der Grenzeinzeldienst weiter von Landespolizisten ausgeübt wurde, war der BGS in Verbänden organisiert, die über die BRD verteilt waren. Der erste Großeinsatz erfolgte aus Anlass der III. Weltfestspiele der Kommunistischen Jugend und Studenten im August 1951 in Ostberlin. Der BGS sollte dabei verhindern, dass größere Gruppen von Mitgliedern der FDJ „provokativ“ die Grenze zur DDR überschritten. Noch im selben Jahr erfolgte der Auftrag, das Bundeskanzleramt in Bonn zu schützen, eindeutig eine polizeiliche Aufgabe. Echte Grenzpolizeiarbeit verrichtete der BGS erst ab 1954, als er in der Britischen Zone den Passkontrolldienst übernahm.[5]
Entmilitarisierung und Verpolizeilichung
Der BGS hatte einen paramilitärischen Charakter. Die zunächst 9.600, ab 1953 20.000 Dienstposten hatten Offiziers- und Mannschaftsdienstgrade, die Beamten trugen feldgrau. Die Offiziere waren als solche auch schon in der Wehrmacht gewesen. 1951 wurden 50 Spähpanzer Ford M8 „greyhound“ in Dienst gestellt, die das US-Militär ausrangiert hatte, auf denen Maschinengewehre MG 42 und Flugabwehrkanonen montiert wurden.[6]
Mit der in den Pariser Verträgen 1954 weitgehend wiederhergestellten Souveränität Deutschlands unter der Bedingung einer Beteiligung an der Verteidigung Westeuropas in den Strukturen der NATO stellte sich zum ersten Mal die Frage nach der weiteren Existenzberechtigung des BGS. Erst recht, da der BGS nun als Aufbauorganisation für die Bundeswehr diente. Doch viele BGSler blieben, zugleich konnte mit neu geworbenem Personal die Mannstärke von etwa 7.000 (1955) wieder auf 12.000 (1958) aufgestockt werden. Zur Legitimation dienten erneut vermeintliche Aggressionen von Osten, etwa das Nachsetzen der dortigen Grenzschützer gegen Flüchtende aus der DDR bzw. der ČSSR.[7] Der kommunistische Feind wurde aber nicht nur außen gesehen: ab 1956 übte der BGS in Manövern regelmäßig die Bekämpfung von kommunistisch agitierten Arbeiteraufständen. Bis 1968 blieb die Aufstandsbekämpfung Bezugspunkt von Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung des BGS.[8]
Zugleich setzte in dieser Phase die weitere Verpolizeilichung des BGS ein. Mit dem Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) vom 18. März 1961 wurde der Gewalteinsatz analog zu den Landespolizeigesetzen geregelt. Bedeutend war das Auftreten terroristischer Gruppierungen in der BRD, allen voran die RAF. Der BGS wurde im Mai/Juni 1972 für Großfahndungen eingesetzt. Im April 1973 erhielt er durch die dritte Änderung des BGSG weitere Aufgaben – wie die Unterstützung der Länder „in besonderen Lagen“ – zugeteilt. Die Begrenzung seiner Tätigkeit auf den 30km-Streifen im Hinterland der Grenze wurde aufgehoben. Der BGS wurde zur Sicherheits- und Eingreifreserve für die Länder. Mit der im September einsatzbereiten Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) konnte diese Reserve Fähigkeiten bereitstellen, die sonst in der Polizei nicht vorhanden waren. Am 1. Juli 1976 trat das Gesetz zur Personalstruktur des Bundesgrenzschutzes in Kraft, mit dem die militärischen Dienstgrade zugunsten der polizeilichen Laufbahnstrukturen abgelöst wurden (auch wenn das am internen Umfang wenig änderte[9]). Maschinengewehre und Granaten wurden durch „polizeitypische“ Waffen wie Schlagstöcke, Wasserwerfer, Reizgas usw. abgelöst. Schließlich erfolgte der Anschluss an das polizeiliche Fahndungssystem. Weiterhin prägend blieb aber zunächst der Einsatz in geschlossenen Verbänden, nur jeder zehnte BGSler verrichtete Einzeldienst. Schwerpunkt der geschlossenen Einsätze waren Versammlungslagen u.a. bei den Protesten gegen das AKW Brokdorf, gegen die Startbahn-West in Frankfurt oder in der Hamburger Hafenstraße. 1994 wurden weitere bislang landespolizeitypische Befugnisse in das BGSG übernommen: längerfristige Observation, der Einsatz akustischer und optischer Mittel zur Überwachung und der Einsatz von V-Leuten im Rahmen der Gefahrenabwehr. 2016 wurde dann auch der Einsatz von Verdeckten Ermittlern ermöglicht.
Mit der Umbenennung in „Bundespolizei“ wurde 2005 der Wandel von der Grenzschutztruppe zu einer „echten“ Polizeibehörde mit besonderen Aufgaben auch nach außen sichtbar dokumentiert. Die grünen Uniformen wurden im Trend der Zeit durch blaue ersetzt. Dennoch bleibt die Bundespolizei auch als Verfügungstruppe relevant: von den derzeit über 42.000 Bundespolizisten tun 5.100 Dienst in der Bundesbereitschaftspolizei.
Grenzregime im Wandel
1985 wurde das Schengener Abkommen geschlossen, in dem sich die Vertragsstaaten auf den Abbau der Binnengrenzkontrollen verständigten. Für den BGS entfiel damit auf absehbare Zeit seine weiterhin prägende Aufgabe der Grenzüberwachung. 1987 wurde die „Planungsgruppe BGS 2000“ eingesetzt. Sie sollte neue Aufgaben für den BGS finden und schlug schließlich vor, ihm vermehrt Personenschutzaufgaben, bahnpolizeiliche und Luftsicherheitsaufgaben zu übertragen, die bislang durch die Bahn selbst oder die Länderpolizeien wahrgenommen wurden. Schneller als gedacht bot sich dazu die Gelegenheit durch den Beitritt der Neuen Bundesländer. Das neue Grenzschutzkommando Ost übernahm mit dem 3. Oktober 1990 bahnpolizeiliche und Luftsicherheitsaufgaben. Am 1. April 1992 galten diese Regelungen nach einer erneuten Reform des BGSG auch im Westen, wo innerhalb der Deutschen Bahn eine eigene Bahnpolizei existiert hatte. Zugleich wurde die Trennung in Grenzschutzverbände und Grenzschutzeinzeldienst in einer integrierten Organisationsform aufgehoben, alle Führungs- und Verwaltungsaufgaben wurden nun in regionalen Grenzschutzpräsidien (territorial deckungsgleich mit den alten Grenzschutzkommandos) wahrgenommen.
Der Beitritt der neuen Bundesländer sorgte aber auch für neue Aufgaben im Grenzschutz. Der Einsatz richtete sich nicht mehr gegen staatliche Grenzverletzungen und Infiltrationsversuche, sondern gegen diejenigen, die vor den neuen Zuständen in den ehemaligen Ostblock-Staaten oder dem Bürgerkrieg im zerfallenden Jugoslawien fliehen mussten. Die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl 1993 „kann somit als fast unbegrenzte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den BGS gelten. Unmittelbar kontrollierende und abschiebende Tätigkeit im Rahmen der Flughäfen und an anderen Grenzkontrollstellen; ausgefächerte, technisch verfeinerte Fahndung nach illegalen Grenzgängern, die notfalls auch landeinwärts weiter gesucht werden (…).“[10] Der altbekannte 30-km-Streifen für die Zuständigkeit des alten BGS landeinwärts erhielt eine neue Bedeutung. An die Stelle des alten kommunistischen Schreckgespenstes trat eine vermeintlich neue Bedrohung in Gestalt des „illegalen Migranten“, der die ständige Angst um Eigentum und Freiheit mit wohligem Schauer versetzte.
Mit Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens 1995 fielen im Westen die Grenzkontrollen tatsächlich weg, zugleich erhielt die Schleierfahndung im Hinterland ihre europarechtlichen Weihen als „Ausgleichsmaßnahme“ für diesen Wegfall. Und sie wurde noch erweitert: 1998 wurde die Befugnis zur anlasslosen Kontrolltätigkeit des BGS auf sämtliche Züge und Bahnhöfe ausgedehnt, bei denen sich irgendwie ein Bezug zum grenzüberschreitenden Verkehr herstellen ließ. Zunächst auf fünf Jahre befristet, wurde sie 2003 bis 2007 verlängert und dann entfristet. Hunderttausende anlasslose Kontrollen jährlich sind seitdem regelmäßiger Arbeitsnachweis der Bundespolizei.
Doch der 2005 den Realitäten folgend nun in „Bundespolizei“ umbenannte BGS ist nicht nur im Land gegen illegalisierte Migration aktiv. Die letztlich wahnhafte Idee der Polizeiapparate, bei der Bekämpfung von Kriminalität „vor die Lage“ zu kommen, gebiert u.a. die „Vorverlagerungsstrategie“: Bundespolizist*innen werden in alle Welt gesandt, um als „grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte“ oder „Dokumentenberater“ sowohl die deutschen Botschaften als auch die Transit- und Herkunftsstaaten bei der Unterbindung von unerwünschter Migration zu unterstützen. Im Jahr 2021 waren 70 Bundespolizist*innen in 25 Ländern außerhalb der EU als „Dokumenten- und Visa-Berater“ eingesetzt. 40 verrichteten ihren Dienst als „grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte“ in 37 Ländern (mit „Nebenzuständigkeit“ für 27 weitere). In anderen EU-Mitgliedsstaaten sind 23 Polizeibeamte als „Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte Ausland“ eingesetzt. Schwerpunktmäßig an griechischen Flughäfen sollen sie eine Weiterreise von Inhaber*innen gefälschter Reisedokumente innerhalb des Schengenraums verhindern.[11] Noch handfester ist der Einsatz von Bundespolizist*innen im Rahmen von Operationen der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Beginnend 2005 mit der ersten Frontex-Operation „Hera I“ zur Abwehr von Bootsflüchtlingen an den Kanarischen Inseln mit nur wenigen Beamt*innen sind mittlerweile jährlich um die 700 Beamt*innen der Bundespolizei für die EU-Grenzagentur im Einsatz. Nicht mitgezählt sind dabei die Einsätze im Rahmen von Abschiebeaktionen, die die Agentur koordiniert. Bundespolizei und Frontex folgen beide einem „modernisierten“ Konzept des Grenzschutzes, das diesen erweitert als „Migrationskontrolle“ begreift, die von der vorgelagerten Verhinderung illegalisierter Migration in Herkunfts- und Transitstaaten bis zur zwangsweisen „Rückführung“ all derer reicht, die durch das engmaschige Netz vor, an und hinter den Grenzen geschlüpft sind.
Die Spinne im Netz – Bundespolizei in der „Sicherheitsarchitektur“
Die Diffusion des Grenzregimes in einen fast konturlosen „Grenzraum“, die Aufgaben- und Befugniserweiterungen des BGS bzw. der Bundespolizei und die inhaltlich-konzeptionellen Entwicklungen insbesondere nach „9/11“ mit der unterstellten Verschränkung von unterschiedlichen Kriminalitätsfeldern („Organisierte Kriminalität“, Terrorismus, Migration) haben dazu geführt, dass die Bundespolizei ein Treiber der umgemodelten „Sicherheitsarchitektur“ der Bundesrepublik geworden ist. Eine „Sicherheitsarchitektur“, die nicht dem quasi naturwüchsigen Chaos von Parallel- und Doppelzuständigkeiten durch klare Aufgabenzuweisung ein Ende bereitet, sondern versucht, Reibungsverluste und Doppelarbeit durch Kooperation und Koordination zu vermeiden.
Im noch einigermaßen ureigenen Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei sind hier die Gemeinsamen Zentren zu nennen, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einer Landespolizei mit dem jeweiligen EU-Nachbarstaat koordinieren sollen, an denen aber immer auch die Bundespolizei beteiligt ist (sowie der Zoll). Im Inland ergeben sich – in polizeifachlicher Diktion – „gemeinsame Gefahrenräume“ vor allem durch die Übertragung bahnpolizeilicher Aufgaben an den BGS in den 90er Jahren (s. o.) und die verstärkte Wahrnehmung grenzüberschreitender Kriminalität (bspw. Einbruchsdiebstahl in Grenzregionen). Gemeinsames Vorgehen unter Nutzung der jeweiligen Befugnisse wird durch „Gemeinsame Einsatzgruppen“, „Gemeinsame Fahndungsgruppen und Diensteinheiten“ und sogar „gemeinsame Ermittlungsbüros“ sichergestellt, in denen Bundes- und Landespolizisten gemeinsam Dienst tun. In Sachsen existieren sogar „Fahndungs- und Kompetenzzentren“, in denen Fahndungsmaßnahmen (im Sinne erhöhter, verdachtsunabhängiger Kontroll- und Streifentätigkeit) initiiert und gesteuert werden.[12] Auch die Entsendung von „Verbindungsbeamten“ zu den Landeskriminalämtern oder in das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie in Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende („AnkER“-Zentren u. ä.) dient dem Bemühen, Kooperationen zu pflegen und den Zugriff auf Informationen zu erweitern. Auf strategischer Ebene ist die Bundespolizei in Gremien der Innenministerkonferenz eingebunden, im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismuszentrum (GETZ) vertreten und selbst Taktgeber für das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASiM).[13] Mag die Bundespolizei gerade im GTAZ und GETZ eher eine untergeordnete Rolle spielen, zeigen sich aber auch bei ihr die Probleme dieser neuen „Sicherheitsarchitektur“ nach 9/11. Statt Polizei und Nachrichtendienste wieder stärker zu entflechten, wird nicht nur niemandem etwas seiner Aufgaben genommen, sondern ein Ausgreifen von operativen Zuständigkeiten eher noch befördert, wie sich am Ausbau des polizeilichen Staatsschutzes bei der Bundespolizei zeigt. Was in diesen Zentren geschieht und wer letztlich für Datenaustausch und Durchführung operativer Maßnahmen die Verantwortung trägt, wird diffuser und einer Kontrolle durch Öffentlichkeit und Parlamente, letztlich sogar der Ministerialbürokratien, immer weniger zugänglich.[14]
Ein Verschwimmen der Grenzen zwischen den Ressorts und Sparten der Institutionen von Sicherheitspolitik zeigt sich schließlich auch im Aufweichen der Trennung von „innerer“ und „äußerer“ Sicherheit, letztere zu verstehen als Durchsetzung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik mit Mitteln operativen Gewalteinsatzes. Hier ist nicht nur das Agieren der Bundespolizei im Rahmen der „Vorverlagerungsstrategie“ zu beachten, sondern auch in anderen Auslandseinsätzen, bei denen es der Bundesregierung um strategischen Einfluss durch „Stabilisierungsmissionen“ und den Aufbau funktionaler Polizeistrukturen in avisierten Einflusssphären geht. Der erste Einsatz bewaffneter deutscher Kräfte der BRD im Ausland fand keineswegs durch die Bundeswehr statt, sondern 1989 mit der Beteiligung an der UN-Mission UNCTAD ausgerechnet in Namibia (der früheren Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“), bei der der BGS unmittelbar im Grenzschutz und dem Aufbau einer Grenzschutztruppe beteiligt war. Auch im Kosovo, Mali oder in der Ukraine sowie weiteren Staaten Afrikas und des Nahen und Mittleren Ostens ist die Bundespolizei innerhalb von EU- und UN-Missionen im Einsatz.
Eine besondere Rolle nimmt der BGS bzw. die Bundespolizei schon immer in der akuten Bekämpfung des Terrorismus für sich in Anspruch. Mit dem ersten Einsatz der Grenzschutzgruppe 9 bei der Befreiung der Lufthansamaschine „Landshut“ 1977 wurde ein idealer Gründungsmythos kreiert – dem kein auch nur annähernd vergleichbarer Einsatz folgte. 2016 begann die Bundespolizei in Reaktion auf den Anschlag auf das „Bataclan“ in Paris mit der „BFE+“ fünf Bereitschaftshundertschaften verteilt über die Republik aufzubauen, die von der Ausstattung her in der Lage sein sollen, längere Feuergefechte mit schwer bewaffneten Terrorist*innen durchzuhalten. Längst teilt die „BFE+“ das Schicksal der „GSG 9“: „Ihre Tätigkeit besteht zum größten Teil aus dem permanenten Training für einen Ernstfall, der aber im polizeilichen Alltag nicht eintreten will“,[15] weshalb sie eine Art Beschäftigungstherapie im dauernden Unterstützungs- und Amtshilfeeinsatz bei Razzien gegen „Schleuserbanden“ und andere Gruppierungen der „Organisierten Kriminalität“ ist, die genauso gut von normalen (Landes-)Polizeibeamt*innen durchgeführt werden könnten.
Fazit und Ausblick
Der BGS und seine Nachfolgebehörde „Bundespolizei“ verstehen sich seit der Wiederbewaffnung darauf, sich im Bereich der „Inneren Sicherheit“ stets neue Aufgaben und Befugnisse zu schaffen, die seine Weiterexistenz absichern. Im föderalen Verbund der Polizeibehörden gibt es dabei letztlich keine Aufgabe, die nicht auch durch die Länder selbst wahrgenommen werden könnte. Doch im politischen Raum ist diese Feststellung im Bereich des Unsagbaren angesiedelt. Wie weit die neue Koalition bei der Neufassung des Bundespolizeigesetzes vom Ansatz des gescheiterten Entwurfs 2021[16] wieder Abstand nehmen wird, Aufgaben und Befugnisse der Bundespolizei weiter auszudehnen, ist noch nicht abzusehen. Dabei wäre es überfällig, die Bundespolizei zumindest auf ihr vom Bundesverfassungsgericht gefordertes Gepräge als „Polizei mit begrenzten Aufgaben“ zurückzustutzen, also einer Behörde, die gerade nicht zu einer „mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden“[17] dürfe.