Der Umgang mit Vorwürfen: Polizeiliche Reaktionen auf Anschuldigungen

von Riccarda Gattinger

Die Polizei reagiert auf Vorwürfe in der Regel auf zweierlei Weise: mit Abwehr- und Schutzreaktionen. Dies ergibt eine systematische Untersuchung von Zeitschriften verschiedener deutscher Polizeigewerkschaften. Beide Reaktionsformen vermitteln Gefühle des Zusammenhalts und der Zugehörigkeit und wirken somit identitätsstiftend.

Die Polizei ist mit einer öffentlichen Debatte über rassistische und diskriminierende Einstellungen und Verfahrensweisen von Polizeibediensteten konfrontiert. Berichte über Diskriminierungen und Gewalt durch die Polizei haben in den letzten Jahren Schlagzeilen gemacht, beispielsweise wurden in den Jahren 2020 und 2021 vermehrt rechtsextreme Äußerungen in Chatgruppen von Polizist*innen aus unterschiedlichen Bundesländern bekannt. Die Polizei geht innerhalb ihrer Reihen unterschiedlich mit den Anschuldigungen um. Die Führungsebene reagiert meist ablehnend auf die Vorhaltungen von Rassismus und Diskriminierung. Die Arbeit der Sozialwissenschaftler*innen Kathrin Schroth und Karim Fe­rei­dooni zeigt beispielsweise, dass Polizist*innen Vorwürfe zurückweisen, indem sie Beschwerden über Diskriminierung als unbegründet oder nicht gerechtfertigt abtun.[1] Ergänzend stellt der ehemalige Leiter des Fachgebiets Führung an der Deutschen Hochschule der Polizei, Dirk Heidemann, fest, dass Positionen von Kritiker*innen abgewertet werden, indem ihnen vorgehalten wird, Polizeiarbeit nicht zu verstehen. Zudem begebe sich die Polizei mit dem Argument, dass die Polizei dem Verdacht, dass alle Mitglieder der Polizei verantwortlich seien („Generalverdacht“), ausgesetzt wird, in eine Opferrolle.[2] Auch wird oft argumentiert, dass Probleme nur in Einzelfällen aufträten. So werden Strukturen und mögliche problematische Arbeitsweisen nicht infrage gestellt. Der Vizepräsident der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Jochen Christe-Zeyse resümiert, dass viele Polizist*innen die öffentliche Debatte über Rassismus und Diskriminierung bei der Polizei mit Unverständnis wahrnehmen und sich zu Unrecht beschuldigt fühlen.[3] Die Polizeibediensteten positionierten sich als Reaktion auf die Vorwürfe nach außen gegen „andere“. Um dabei die Schlagkraft der eigenen Argumente zu stärken, würden gegnerische Positionen als inkompetent abgewertet.[4] Mit gegnerisch sind hier diejenigen Personen und Medien gemeint, die Vorwürfe gegenüber der Polizei erheben und kritische Äußerungen über die Polizeiarbeit machen.

Es scheint, dass die Polizei sich durch die Vorwürfe in ihrer kollektiven Identität verletzt fühlt. Kollektive Identität bezeichnet hier das Bewusstsein einer Gruppe, das sich im Zusammenhalt zeigt.[5] Das Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit bildet oft die Basis für Gruppenidentität. Damit verbunden ist eine emotionale Solidarität, die sich auch durch den Ausschluss von Außenstehenden und Nicht-Zugehörigen äußern kann. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Reaktionen der Polizei auf Vorwürfe von Rassismus und Diskriminierung als ein Mechanismus dienen, eine kollektive Identität zu formen. Dies wird besonders relevant, da die Reaktionen sowohl integrierende als auch ausschließende Wirkungen zeigen und dabei Werte wie Kollektivität und Solidarität vermitteln.

Die nachstehenden Ergebnisse einer inhaltsanalytischen Untersuchung von Beiträgen aus den Zeitschriften der drei größten polizeilichen Gewerkschaften in Deutschland zeigen die Bedeutung und Wirkung der Reaktionen der Polizei auf Vorwürfe und damit verbunden deren identitätsstiftende Wirksamkeit für die Polizei.[6] Das analysierte Material besteht überwiegend aus Artikeln und Stellungnahmen, vereinzelt auch aus Kommentaren und Leser*innenmitteilungen aus den Zeitschriften „Deutsche Polizei“ der Gewerkschaft deutscher Polizei (GdP), „Polizeispiegel“ der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und „der kriminalist“ des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK).

Die eingangs erwähnten rechtsextremen Äußerungen in Chatgruppen von Polizist*innen in den Jahren 2020 und 2021 und die durch den Tod von George Floyd losgelöste weltweite Black Lives Matter-Bewegung im Juni 2020 führten zu einer breiteren öffentlichen Auseinandersetzung mit der Frage nach Rassismus auch innerhalb der deutschen Polizei. Vor diesem Hintergrund wurde das Material für die Analyse auf die Zeitschriftenausgaben von Januar 2020 bis Juli 2022 begrenzt. Die Auswahl der jeweiligen Beiträge erfolgte durch die Suche nach den Schlagwörtern ‚Rassismus‘, ‚Diskriminierung‘ und ‚Vorwurf‘ sowie wortverwandten Begriffen. Insgesamt umfasst die Stichprobe 66 Beiträge, die analysiert wurden. Da es sich hierbei lediglich um Beiträge aus den Gewerkschaftszeitschriften in Bezug auf die Vorkommnisse und Kritiken aus Politik und Gesellschaft handelt, kann sich nur auf eine Auswahl an polizeilichen Positionen bezogen werden. Es sind daher keine generalisierenden Rückschlüsse möglich.[7] Gleichwohl gewährleistet die Untersuchung eine sozialwissenschaftliche Perspektive auf die Polizei, eine als Teil der staatlichen Exekutive in der Öffentlichkeit sichtbare Instanz der sozialen Kontrolle und bietet folglich Erkenntnisse zu ihren Eigendynamiken.

Zusammenhalt stärken

In Auseinandersetzung mit den Beiträgen zeigt sich als eine erste Reaktion auf den Vorwurf der Diskriminierung, dass diejenigen, die die Polizei kritisieren, diskreditiert werden, indem ihre Glaubwürdigkeit und ihr Ansehen angefochten werden. Es ist unter anderem die Rede von „sachfremde(n) Vorwürfe(n)“.[8] Kritiker*innen werden als „ahnungslose Besserwisser“ aus „berufsfremde(n( Kreise(n)“ bezeichnet.[9] Ihnen wird die notwendige Kompetenz und auch Befugnis abgesprochen, sich eine Meinung von der polizeilichen Arbeit bilden zu können.[10] Weiterhin werden wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema Rassismus in der Polizei, wie zum Beispiel das Forschungsprojekt zu Körperverletzung im Amt an der Ruhr-Universität, stark kritisiert.[11] Außerdem wird den Kritiker*innen nachgesagt, dass sie die Debatte nicht objektiv und sachlich führten. Die Diskussion sei bestimmt durch „ideologische Vorannahmen“ und bloße „Gefühlslagen, Unterstellungen und Vermutungen von Politikern“.[12] Durch Bezeichnungen wie „fragwürdig“ und „dumm“ wird die Diskussion zusätzlich als unseriös abgetan.[13] Der Polizeiforscher Rafael Behr ist der Meinung, dass die Kritiker*innen durch die ihnen entgegengebrachte feindselige Haltung regelrecht dämonisiert werden.[14]

Die Kritiken werden nicht nur grundsätzlich abgewertet, sondern die Anschuldigungen werden auch als Angriffe und Beleidigungen wahrgenommen. Die Polizei fühle sich verunglimpft und begibt sich damit in eine Opferrolle.[15] Es ist die Rede von Herabwürdigung und Demütigung der Polizei.[16] Es wird betont, dass die Vorwürfe dazu führten, dass das Vertrauen in die Polizei schwinde und somit der Wert der polizeilichen Arbeit gemindert werde.[17] Insgesamt seien die Vorwürfe belastend und nur „schwer zu ertragen“.[18]

Indem die „anderen“ –Kritiker*innen – diskreditiert werden, wird die Polizei selbst als positiv definiert. Denn durch den Bezug zu „anderen“ wird eine Grenze zur eigenen Identität gezogen. Die Überzeugung davon, wie inakzeptabel die Ansichten, Handlungen, Einstellungen, Eigenschaften oder Äußerungen der „anderen“ sind, stärkt den Zusammenhalt der eigenen Gruppe.[19] Die Vorwürfe werden als Gefährdung (von außen) und Belastung empfunden. Entstehende negative Gefühle wie Unverständnis, Ärger und Unmut zeigen sich darin, dass die Polizei sich in die Rolle der Leidtragenden begibt.[20] Die vermeintliche Opferrolle und der empfundene Schaden für die gesamte Belegschaft rufen starke Emotionen in Form von kameradschaftlicher Solidarität hervor. Diese Reaktion des Zusammenschlusses zielt darauf ab, die „anderen“ als schlecht und bedrohlich für die Polizei darzustellen und die Vorwürfe einfacher von sich zu weisen und so die Rechtmäßigkeit der Vorkommnisse nicht in Frage zu stellen.

Legitimität verteidigen

Um das kritisierte polizeiliche Vorgehen zu rechtfertigen, wird sich zudem den Prozessen der positiven Selbstdarstellung bedient. Neben der ablehnenden Haltung gegenüber der Ansicht der „anderen“ versucht die Polizei als Reaktion auf die Rassismusvorwürfe, sich selbst in einem guten Licht darzustellen. Die Autor*innen betonen, dass die Polizei „gut ausgebildet“ sei, hochwertige und rechtmäßige Arbeit leiste sowie „authentisch“ und „kompetent“ arbeite.[21] Zugleich wird versucht, die Polizei von anderen abzuheben und sie von Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit abzugrenzen. Menschen, die extremistische Tendenzen zeigen, würden aus der Organisation ausgeschlossen. Bei einer Gewerkschaft heißt es: „Über Extremisten in der Polizei müssen wir nicht diskutieren, sie gehören nicht zu uns.“[22] In ihrem Selbstbild sind die Polizist*innen die Guten, die die Gesellschaft vor Feinden und Gefahren schützen und dabei im Einklang mit dem Gesetz handeln.

In den Beiträgen werden neben den Qualitäten der Polizei auch die Unterstützung, insbesondere aus der Politik, betont. Politische Äußerungen, die die Polizei positiv sehen, gelten als Anerkennung. Auch wird darauf hingewiesen, dass sie einen hohen gesellschaftlichen Rückhalt und internationales Ansehen genießt.[23] Es wird betont, dass die Polizei die öffentliche Sicherheit und die Bürger*innen selbst schützt.[24] Sie verteidige den Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor demokratiefeindlichen Angriffen und sei folglich „der Garant für Sicherheit und Ordnung“.[25] Die Polizei wird in diesem Zusammenhang unter anderem als „tragende Säule des Rechtsstaates“ bezeichnet, deren Mitglieder schlussendlich Repräsentant*innen des Rechtsstaates seien und „auf dem Boden des Grundgesetzes“ stünden.[26]

Die selbstbezogenen positiven Worte zur eigenen hochqualitativen und rechtsstaatlich einwandfreien Arbeit, die die Polizei als Reaktion auf die Vorwürfe findet, fördern ein Gefühl der Gemeinschaft und Identität. Gleichzeitig werden gemeinsame Normen und Werte betont. Durch die stark selbstlobenden Worte wird die eigene Gruppe als vorbildhaft stilisiert und die Vorstellung von Ordnung innerhalb der Gruppe versucht aufrechtzuerhalten. Dabei werden Gefühle wie Stolz und Solidarität ausgedrückt. Weiterhin tragen das breite gesellschaftliche Vertrauen und der politische Zuspruch zur Selbstdefinition der Polizei als moralisch berechtigt dazu bei, ihre Arbeit zu rechtfertigen. Dies fördert nicht nur die Legitimität der Polizei als Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols, sondern gilt auch als identitätsstiftende Anerkennung. Der politische Rückhalt signalisiert vor allem Vertrauen und trägt zur Stabilität der Institution bei.

Kontrolle behalten

Obgleich der Zusammenhalt der Institution demonstriert und ihre Legitimität betont wird, zeigt sich ein Bewusstsein dafür, dass durchaus rassistische und diskriminierende Einstellungen in der Polizei bestehen. Mitglieder der Polizei gestehen dies teilweise ein und erkennen an, dass diesbezügliche Vorwürfe nicht grundlos sind.[27] Die Autor*innen erklären ihre Bereitschaft zur Aufklärung der Vorfälle und befürworten Maßnahmen zur Verbesserung.[28] Die Bereitschaft, die Vorfälle aufzuklären und politische und behördliche Maßnahmen zu ergreifen, wie z. B. die Einführung von Lagebildern zu Extremismus, ermöglichen es der Polizei, ihre Identität selbstbestimmt auszurichten. In den Beiträgen wird damit unter Vorbehalt die Rechtmäßigkeit der Kritik eingeräumt. Zugleich wird damit erreicht, sich erneut selbst positiv darzustellen, indem sie auf ihr normatives Wertesystem verweist, während sie die Vorwürfe eingesteht.

Die eingeräumte Kritik wird allerdings relativiert, indem das eingestandene Fehlverhalten individualisiert wird. Von der „verschwindend geringen Anzahl von Verfehlungen“ sei nicht auf ein strukturelles Problem zu schließen.[29] Es handele sich um Einzelfälle und nicht um strukturelle Fehler der Organisation. Durch die Individualisierung wird das Kollektiv der Polizei geschützt, indem zwischen der Mehrheit und wenigen Einzelnen der Gruppe differenziert wird. Die Verantwortung wird folglich auf Einzelne und nicht auf die Gruppe gelegt. Dies kann als Schutz beziehungsweise Verteidigung der Gemeinschaft interpretiert werden, wo­durch die emotionale Solidarität nach innen gestärkt wird.

Zudem werden Vorwürfe auch teilweise als grundlos abgetan oder sogar explizit abgelehnt. Zum einen wird das Ausmaß der Vorfälle relativiert, indem darauf hingewiesen wird, dass sich nur wenige Beschwerden bestätigen.[30] Zum anderen werden Vorfälle bagatellisiert, indem betont wird, dass Rassismus und Vorurteile überall in der Gesellschaft vorkommen.[31] Das dient unter anderem dazu, die Werte der Gruppe zu bewahren. Das eigentliche Unrecht der Vorkommnisse wird förmlich verneint.

Zudem umgehen die Autor*innen eine selbstkritische Auseinandersetzung, indem sie auf andere Themen ablenken. Dabei beklagen sie die Herausforderungen der polizeilichen Arbeit und die schlechten Rahmenbedingungen: u. a. Personalmangel, psychische Belastungen, Überlastung und Stress.[32] Gewalt gegen Polizeikräfte nehme zu, und die Einsatzkräfte würden „beleidigt, bespuckt, geschlagen und getreten“; in manchen Fällen sogar unter dem „Einsatz von Messern, gefährlichen Gegenständen und Schusswaffen“.[33] Kritisiert werden ebenfalls die mangelnde Dankbarkeit und Wertschätzung seitens der Öffentlichkeit.[34]

Die Beiträge in den Gewerkschaftszeitschriften eröffnen so im Rahmen der Diskussion um Vorwürfe von Rassismus und Diskriminierung politische Gegenthemen und verlagern somit die inhaltliche Debatte. Dahinter kann eine Kommunikationsabsicht vermutet werden, die vom eigentlichen Inhalt abzulenken sucht und die Meinungsmacht der „anderen“ umgeht. Eingebrachte Themenaspekte werden als erklärende Ursachen für polizeiliche Übergriffe und Fremdenfeindlichkeit angeführt. Dadurch wird das vermeintliche Fehlverhalten nicht nur indirekt gerechtfertigt und der eigentlichen Kritik ausgewichen, sondern auch das Problem und dessen Lösung werden externalisiert. Insgesamt wecken die Positionen der Polizeigewerkschaften den Eindruck, dass die Polizei versucht, die Kontrolle über den Diskurs zu behalten.

Fazit – Ein Ausdruck der Überlegenheit

Die Polizei wird seit einigen Jahre vermehrt mit Vorwürfen zu Rassismus und Diskriminierung konfrontiert. Diese Definitionsmacht „anderer“ verärgert die Polizist*innen. Sie fühlen sich durch die Anschuldigungen in ihrem Ansehen verletzt und verleumdet. In den Reaktionen versuchen sie, sich dagegen zu wehren. Die grundsätzliche Abwehrhaltung und die Betonung der eigenen normativen Vorstellungen werden damit verbunden, eigene Erfahrungen und politische Forderungen nach beispielsweise mehr Wertschätzung mitzuteilen, sich als relevante Stimme zu positionieren sowie die eigenen Emotionen auszudrücken.[35]

Die Reaktionen in den Zeitschriften der Polizeigewerkschaften auf die Vorwürfe basieren nicht nur einfach auf der Überzeugung, die richtige Position innezuhaben, sondern sie entsprechen auch der polizeilichen Aufgabe, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Polizei will bestimmen, welche Kritik an ihr akzeptabel ist und welche nicht. Es handelt sich mehr oder weniger um einen Kampf um Dominanz und Machtverhältnisse, bei dem der eigene Anspruch auf Deutungshoheit behauptet wird, um Legitimität zu wahren. Die Angst vor dem Verlust der Überlegenheit führt zu abwehrenden Reaktionen, die zugleich Gefühle der Gemeinsamkeit, Solidarität und Zugehörigkeit erzeugen. Sie sind zentral für den Gruppenzusammenhalt und „typisch für das Verhalten von Gruppen, wenn sie in einen Konflikt mit anderen Gruppen geraten“.[36] Die Vorwürfe der „anderen“ abzuwehren und die eigene Deutungshoheit durchzusetzen, schützen somit die Identität vor einer Bedrohung von außen. Insofern fügt sich diese Kommunikationsstrategie in das Selbstbild der Polizei als einer Gefahrengemeinschaft ein, die sich tendenziell gefährlichen und bedrohlichen Situationen ausgesetzt sieht. Die Abwertung von Kritiker*innen, die Selbststilisierung als die Guten sowie Solidarität und Zusammenhalt tragen dazu bei, den Gefährdungen standhalten zu können.

Die polizeilichen Gewerkschaftszeitschriften richten sich vor allem an ihre eigenen Mitglieder. Es handelt sich somit überwiegend um eine nach innen gerichtete Kommunikation, die eine identitätsstiftende Wirkung bei den Mitgliedern des Kollektivs erzielen soll. Die vorgebrachten Argumente wecken den Eindruck einer Identitätspolitik, die darauf abzielt, die Wahrnehmung besonders der Polizeibediensteten zu beeinflussen oder zu lenken. Zugleich verstehen sich die Gewerkschaften als ein Sprachrohr der deutschen Polizei an die Öffentlichkeit, weshalb die Verbundenheit des Kollektivs ebenso nach außen bekundet wird.

Zusammenfassend können die Reaktionen als Demonstration der kollektiven Identität beziehungsweise als Ausdrucksform der Zusammengehörigkeit verstanden werden. Auch wenn die Reaktionen den Raum für Zweifel und Reflexion versperren mögen, sind die Möglichkeiten, die eine Debatte mit sich bringt, nicht zu vernachlässigen. Denn Kritik und Vorwürfe sozial-politischer Natur bieten einen guten Anstoß für Veränderungen. Sie beinhalten neue Sichtweisen, die dafür genutzt werden können, das Selbstverständnis der Polizei und ihre Paradigmen neu auszuhandeln.

[1]   Schroth, K.; Fereidooni, K.: „Racial Profiling möchte ich da gar nich‘ groß negieren oder von der Hand weisen!“, in: Polizeiakademie Niedersachsen (Hg.): Tagungsband Forschung, Bildung, Praxis im gesellschaftlichen Diskurs. Polizeiakademie Niedersachsen, Frankfurt/M. 2021, S. 61-67
[2]    Heidemann, D.: Wir sind doch die Guten?!, in: Feltes, T.; Plank, H. (Hg.): Rassismus, Rechtsextremismus, Polizeigewalt, Frankfurt/M. 2021, S. 123-134
[3]   Christe-Zeyse, J.: Wenn die Wellen höher schlagen, in: SIAK-Journal 2022, H. 1, S. 30-43
[4]   ebd., S. 40
[5]   Rucht, D.: Kollektive Identität in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 1995, H. 1, S. 9-23 (10)
[6]    Die inhaltsanalytische Untersuchung wurde im Rahmen einer im Januar 2023 eingereichten Abschlussarbeit im Masterstudiengang Kriminologie und Gewaltforschung an der Universität Regensburg durchgeführt.
[7]    Die Polizei ist eine heterogene Institution. Durch den Zugang über die genannten Zeitschriften wird dies nur unzureichend in Rechnung gestellt. Daher beanspruchen die Ergebnisse der Inhaltsanalyse weder Repräsentativität noch Vollständigkeit.
[8]   Köhn, K.: Rassismus ein neues Phänomen, in: der kriminalist 2021, H. 5, S. 23-26 (26)
[9]   Grün, A.: Hessische Polizei im Fokus. „Wir decken keine Straftäter“, in: Deutsche Polizei 2020, H. 10, S. 12-14 (14); Walter, B.: Wissenschaftlicher Blindflug, in: der kriminalist 2022, H. 4, S. 32-36 (36)
[10] u. a. Kunz, S.: Die Rassismus-Debatte, in: Deutsche Polizei 2020, H. 8, S. 4-6 (6)
[11] Walter a.a.O. (Fn. 9)
[12] ebd.; Fiedler, S.: Die wahren Gefahren des Rechtsextremismus – noch immer verkannt, in: der kriminalist 2020, H. 11, S. 4-5 (4)
[13] Landesverband Nordrhein-Westfalen: BDK NRW zur Berichterstattung „Polizeigewalt“, in: der kriminalist 2020, H. 10, S. 47-49 (48); Deutsche Polizeigewerkschaft: Flüchtende aus der Ukraine: DPolG begrüßt Hilfsbereitschaft, in: Polizeispiegel 2020, H. 4, S. 8
[14] Behr, R.: „Dominanzkultur“ als Rahmung von Gewalt und Rassismus in der Polizei, in: Feltes; Plank a.a.O. (Fn. 2), S. 251-261 (254)
[15] u. a. Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei: Halt geben – Haltung stärken, in: Deutsche Polizei 2020, H. 11, S. 10-13 (10)
[16] u. a. Deutsche Polizeigewerkschaft: Kampagne der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): Wertschätzung und Respekt für die Polizei, in: Polizeispiegel 2020, H. 12, S. 5-6 (5)
[17] u.a. Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei a.a.O. (Fn. 15); Kunz a.a.O. (Fn. 10), S. 5
[18] u.a. Grün a.a.O. (Fn. 9); Deutsche Polizeigewerkschaft a.a.O. (Fn. 16)
[19] Christe-Zeyse a.a.O. (Fn. 3), S. 40
[20] Delitz, H.: Kollektive Identitäten, Bielefeld 2018, S. 34
[21] Christe-Zeyse, J.: Menschenrechtsbildung in der Polizei, in: Deutsche Polizei 2020, H. 8, S. 12-15 (12); Zielasko, M.: Jochen Kopelke: Der Kandidat für den GdP-Chefsessel, in: Deutsche Polizei 2022, H. 6, S. 18-20 (20); Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei a.a.O. (Fn. 15), S. 13
[22] Wendt, R.: Perfide Strategie – Die Polizei soll an den Pranger gestellt werden, in: Polizeispiegel 2020, H. 7/8, S. 3
[23] u. a. Walter a.a.O. (Fn. 9), S. 32
[24] u. a. Landesverband Nordrhein-Westfalen a.a.O. (Fn. 15)
[25] Deutsche Polizeigewerkschaft: Die Polizei verdient die uneingeschränkte Unterstützung der Politik, in: Polizeispiegel 2020, H. 10, S. 6
[26] Hoffmann, R; Schilff, D.: DGB und GdP als „Fremde Federn“ in der FAZ. Die Polizei verteidigt unsere Demokratie, in: Deutsche Polizei 2020, H. 8, S. 36; Deutsche Polizeigewerkschaft: Statement des dbb und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Kein Anlass für Generalverdacht gegen den öffentlichen Dienst, in: Polizeispiegel 2020, H. 7/8, S. 29
[27] Landesverband Berlin: Extremistische Einstellungen in den Sicherheitsbehörden?, in: der kriminalist 2020, H. 3, S. 32
[28] u. a. Grün a.a.O. (Fn. 9); Landesverband Niedersachsen: Wo bleiben Vernunft und klarer Verstand?, in: der kriminalist 2020, H. 12, S. 45-46 (46)
[29] Harrecker, M.: Zu: Halt geben – Haltung stärken DP 11/20. Lesermeinung, in: Deutsche Polizei 2021, H. 2, S. 39-40 (40)
[30] Deutsche Polizeigewerkschaft: Rassismusvorwürfe gegen die Polizei und Krawalle in Stuttgart, in: Polizeispiegel 2020, H. 7/8, S. 5-6 (5)
[31] Hoffmann; Schilff a.a.O. (Fn. 26)
[32] u. a. Landesverband Nordrhein-Westfalen a.a.O. (Fn. 13)
[33] Ladebeck, W.: COVID-19 verändert den täglichen Dienst der Polizei, in: Polizeispiegel 2020, H. 9, S. 3
[34] Zielasko a.a.O. (Fn. 21)
[35] Christe-Zeyse a.a.O. (Fn. 3), S. 35
[36] ebd., S. 40

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