Schlagwort-Archive: Rassistische Kontrollen

Racist Profiling auf St. Pauli: Forschungsbericht einer kollaborativen Stadtteilforschung

von Simone Borgstede, Steffen Jörg, Moana Kahrmann, Efthimia Panagiotidis, Rasmus Rienecker und Sabine Stövesand

In den vergangenen Jahren mehren sich Berichte aus dem Stadtteil St. Pauli in Hamburg, in denen Präsenz und Vorgehen der Polizei Gegenstand von Kritik ist. Aus diesem Anlass hat ein Team aus Wissenschaftlerinnen der HAW Hamburg, Mitarbeitenden der GWA St. Pauli e. V. und engagierten Anwohner*innen seit 2021 im Rahmen einer kollaborativen Stadtteilforschung zahlreiche Interviews und Beobachtungen durchgeführt, dokumentiert und ausgewertet. Im Fokus standen Fragen danach, wie Bewohner*innen und Betroffene die Situation erleben und bewerten. 

Auf St. Pauli sind soziale Fragen und Problemlagen häufig zugespitzter sichtbar als anderswo in Hamburg. Zunächst als „Gefahrengebiet“, dann als „Gefährlicher Ort“ konstruiert, gelten Teile des Stadtteils seit Anfang der 2000er Jahre als polizeiliche Sonderrechtszone. Dieses Konstrukt ermöglicht, unter dem Deckmantel der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ polizeiliche Maßnahmen ohne konkreten Tatverdacht durchzuführen. In der polizeilichen Arbeit können sich hier „rassistische Klischees ihren Weg bahnen“.[1] Für den Stadtteil St. Pauli gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass durch das „Racist Profiling“[2] vor allem Bewohner*innen und Besucher*innen of Color häufiger als andere von der Polizei kontrolliert werden. Die 2016 von der Polizei eingerichtete „Task Force Betäubungsmittelkriminalität” („Task Force Drogen“) hat die Polizeipräsenz im Stadtteil deutlich erhöht. Offizielles Ziel der „Task Force“ ist die Bekämpfung der öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität und ihrer Folgen.[3] Während die Polizei ihre Maßnahmen als erfolgreich einstuft,[4] zeugen die Berichte aus dem Stadtteil davon, dass die Lebensrealität vieler Menschen auf St. Pauli durch diese eine deutliche Belastung erfährt. Im Jahr 2018 reichte ein Anwohner Klage gegen die Kontrollen ein, woraufhin das Hamburger Verwaltungsgericht 2020 feststellte, dass diese in drei Fällen rechtswidrig waren. Racist Profiling auf St. Pauli: Forschungsbericht einer kollaborativen Stadtteilforschung weiterlesen

Stop and Search – Ethnische Unverhältnismäßigkeit in Großbritannien

Interview mit Rebekah Delsol

Immer wieder von der Polizei angehalten und durchsucht zu werden, ist eine erniedrigende Erfahrung, die vor allem Angehörige von Minderheiten machen müssen, sagt Rebekah Delsol. Heiner Busch befragte die Mitarbeiterin von StopWatch über die britische Variante der willkürlichen Kontrolle.

Willkürliche Kontrollen werden umso eher möglich, wenn das Recht der Polizei keine Grenzen setzt. Das ist die Erfahrung, die wir mit den Bestimmungen zur Identitätsfeststellung in den deutschen Polizeigesetzen gemacht haben. Wie sieht die rechtliche Situation in Großbritannien aus?

Im Vereinigten Königreich konnte die Einführung von Identitätskarten bzw. Personalausweisen bisher verhindert werden. Daher gibt es anders als auf dem Kontinent auch keine polizeilichen Befugnisse zur Identitätsfeststellung. Die Polizei darf hier Leute anhalten und befragen: warum sie sich an einem bestimmten Ort aufhalten, was sie da tun, warum sie sich so oder so verhalten etc. Das wird als „Stop-and-account“ bezeichnet (übersetzt etwa: anhalten und nach einer Rechtfertigung fragen, d. Red). Eine eigentliche gesetzliche Grundlage gibt es dafür nicht. Aber die Rechtslage ist reichlich konfus und die Leute, die da angehalten werden, wissen oft nicht, dass sie keine Fragen beantworten müssen und einfach ihres Weges gehen können. Stop and Search – Ethnische Unverhältnismäßigkeit in Großbritannien weiterlesen

Institutionalisierter Rassismus – Racial Profiling – nicht nur bei Kontrollen

von Heiner Busch

Die Polizisten seien „schnurstracks“ auf sie zugekommen und hätten ihn und seinen minderjährigen Sohn kontrolliert. Der Junge habe gefragt, warum die Beamten in dem vollbesetzten Waggon nur sie beide nach den Papieren gefragt haben. „Kann die Antwort darauf sein: Wir sehen viel gefährlicher aus? Wir sehen illegaler aus? Ich habe gesagt, das ist vielleicht nur Zufall, die Polizei macht nur Stichproben. Aber ich weiß, dass es keine Stichprobe ist.“ Der grüne Bundestagsabgeordnete Memet Kiliç erzählt diese Episode in dem Film „ID without colours“ von Riccardo Valsecchi.[1]

Dass sie und nur sie herausgepickt und kontrolliert werden, ist eine Alltagserfahrung, die dunkelhäutige oder „fremd“ aussehende Menschen immer wieder machen. Es ist eine erniedrigende Erfahrung, denn der unausgesprochene Begleittext zur Kontrolle lautet: „Egal, was in eurem Pass steht; egal, ob eure Papiere in Ordnung sind; egal, warum ihr hier seid und ob ihr seit Ewigkeiten hier lebt – ihr seht anders aus, ihr seid immer verdächtig und eigentlich gehört ihr nicht hierher.“ Institutionalisierter Rassismus – Racial Profiling – nicht nur bei Kontrollen weiterlesen