Die neue Ostgrenze der EU – Ein Bericht aus der Ukraine, Ungarn und Rumänien

von Elisabeth Schroedter


In 17 Monaten wird die Außengrenze der Europäischen Union über die Karpaten verlaufen. Die neue Grenze trennt die Ukraine von Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien.

Eigentlich stehen die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in diesen Ländern oben auf der Tagesordnung. Aber die Sicherung dieser Außengrenze ist Voraussetzung dafür, dass sich die Westgrenze der Beitrittsländer zum jetzigen EU-Gebiet öffnet. Als zentrale Aufgabe wurde den Kandidaten aufgetragen, die „illegale Migration“ in die Europäische Union aufzuhalten. Misserfolge auf diesem Gebiet werden streng bestraft. Die EU-Kommission für den Bereich Innen und Justiz hat bereits Sanktionen im Rahmen eines „Safe-clause-Mechanismus“ angekündigt, wenn es den neuen Mitgliedstaaten nicht gelingt, die Flüchtlingsströme aufzuhalten. Als Folge, so wird angedroht, würden die Binnengrenzkontrollen für Menschen aus den neu beigetretenen Ländern wieder eingeführt oder gar nicht erst aufgehoben.

Ich habe im Sommer auf einer Reise durch die Karpaten einige Posten an der künftigen EU-Außengrenze besucht und auf beiden Seiten dieser Linie mit Grenzpolizisten diskutiert. Der folgende Bericht bezieht sich auf zwei Beitrittsstaaten – Ungarn und Rumänien – sowie auf die Ukraine, die bisher nur ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU – ohne Beitrittsklausel – geschlossen hat. Die Regierung hofft aber, eines Tages ebenfalls ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union aushandeln zu können.

Die Ukraine – Dienstleister für die Festung Europa

Mit Generalleutnant Oleksandr Bruchowetzki steht ein erfahrener Militär an der Spitze des ukrainischen Grenzschutzes. Die Grenztruppen, so betont er, seien keine militärischen Einheiten im eigentlichen Sinne. Man trage zwar Schusswaffen, verfüge aber nicht mehr über Panzerfahrzeuge oder anderes schweres militärisches Gerät, wie das bei den paramilitärischen OMON-Truppen der Sowjetzeit üblich war. Vor zwei Jahren habe eine Reform begonnen, die die Grenztruppen in eine zivile Struktur überführen soll. Das Gesetz über die Grenzschutzbehörde liege erst im Entwurf vor. Zusätzlich seien 40 weitere Gesetze und 50 Erlasse zu ändern. Der Reformprozess wird sich also noch lange hinziehen.

Die Behörde für die Grenztruppen ist eine Institution der Nationalen Sicherheit, die gleichzeitig dem Innenministerium, dem Verteidigungsministerium und dem Geheimdienst untersteht. Das Innenministerium wurde per Präsidentenerlass mit der Bekämpfung der illegalen Migration beauftragt. Das Programm dazu stammt aus der Grenzbehörde selbst. Dank der Beratung aus Deutschland hat man die Struktur bereits dem westlichen Muster angepasst. Den vier regionalen Kommando-Bereichen (Nordwesten, Südosten, Süden und Krim) unterstehen insgesamt 29 Grenztruppen-Einheiten, welche wiederum von aktiven Unter- und Serviceeinheiten unterstützt werden.

Stolz verweist Bruchowetzki auf eine Passage aus den Schlussfolgerungen des EU-Ukraine-Gipfeltreffens vom Juli 2002:

„Die EU begrüßt die ukrainischen Bemühungen, ein System zur effizienten und umfassenden Grenzüberwachung an allen ukrainischen Grenzen zu entwickeln. Solch ein System wird ebenfalls zur weiteren Stärkung des Kampfes gegen illegale Aktivitäten beitragen. Die EU wird ihre erhebliche Hilfe in diesem Bereich fortsetzen. Wir sehen dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit der Ukraine entgegen. Wir ermutigen alle Länder der Region, gegenseitige Rückübernahmeabkommen zu schließen. Die EU wiederholt ihren Willen, dass sie die Ukraine in ihren Bemühungen unterstützt, mit ihren Nachbarländern Rückübernahmeabkommen abzuschließen. Wir sehen ebenfalls positiv einer Fortsetzung unseres Dialogs in Visumfragen entgegen, der eine Prüfung der Vorschläge der Ukraine einschließt.“[1]

Diese Worte seien das höchste Lob, das seiner Behörde und den 40.000 ukrainischen Grenzsoldaten bisher von der Europäischen Union zuteil geworden sei. Bruchowetzki sieht seine Truppen in der Vorreiterrolle bei dem Wunsch der Regierung, die Ukraine in die Europäische Union zu integrieren. Die Ukraine sei bereit, die Rolle einer Schutzmauer für die Europäische Union zu übernehmen, erwarte aber auf der anderen Seite finanzielle Unterstützung, vergleichbar der für die Beitrittsländer, und mehr Entgegenkommen der EU, wenn es um Reiseerleichterungen für ukrainische BürgerInnen in den Westen geht.

Kommt die Ukraine über die Grenzüberwachung in die EU?

Ein besonderer Aktionsplan der Innen- und Justizpolitik beschreibt, nach welchen Prämissen die praktische Kooperation mit der Europäischen Kommission und dem Rat sowie bilateral mit den EU-Staaten entwickelt werden soll. Ganz oben steht dabei die EU-Hilfe für ein umfassendes Grenzüberwachungssystem und der Kampf gegen die „illegale Migration“. Ein Unterstützungsprogramm zur Bekämpfung des Schleusertums soll bereits im nächsten Jahr anlaufen. Der Aktionsplan selbst und der auf seiner Basis entwickelte Maßnahmenkatalog vom Juni dieses Jahres sind die ersten konkreten Dokumente. Sie sichern der Ukraine weit über die erwähnten Maßnahmen hinaus technische Unterstützung aus dem Westen für ihre Leistungen, den Strom der Flüchtlinge gen Westen aufzuhalten. Neben Besuchen bei den Kollegen in Westeuropa, so Bruchowetzki, soll es in den nächsten Jahren auch technische Ausrüstung für die Grenzübergänge und die Überwachung der grünen Grenze geben. Die EU-Kommission hat auch ein Training in Sachen „Identifizierung gefälschter Dokumente“ für die ukrainischen Grenztruppen zugesagt. Für die Zusammenarbeit mit Europol steht noch kein Datum im Maßnahmenplan, aber bereits ab diesem Jahr soll die Ukraine in die spezielle Ratsarbeitsgruppe einbezogen werden.

Der einzige Nachteil des Maßnahmekatalogs sei, so der Generalleutnant, dass er keine konkreten Zahlen für die Finanzierung beinhalte. Da die eigenen Haushaltsmittel begrenzt seien, wären ihm Zahlen lieber als das weiße Papier politischer Absichtserklärungen. Auch Arbeitsgruppen gäbe es bereits eine ganze Menge. Schon in der „gemeinsamen Strategie“ der EU für die Beziehungen zur Ukraine von 1999, die als Fundament für eine privilegierte Beziehung verstanden werden soll, wird hervorgehoben, wie wichtig es sei, dass beide Partner in der Sicherung der Grenzen und im Kampf gegen die „illegale Migration“ eng zusammenarbeiten. Inzwischen wurde eigens dafür eine Arbeitsstruktur im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA), auf dem ansonsten die wirtschaftlichen Beziehungen zur Ukraine basieren, geschaffen (Unterausschuss für Innen- und Justizpolitik).

Die ukrainischen Grenztruppen haben sich ein eigenes Vierjahresprogramm zum Kampf gegen die „illegale Migration“ gegeben. Der darin enthaltene Katalog von Maßnahmen kann sich durchaus mit denen messen, die derzeit in der EU diskutiert werden. Wissend um die steigende Abneigung gegenüber Fremden im westlichen Europa, hofft die ukrainische Regierung hier mit ihren Serviceleistungen punkten zu können, um so die Tür zur EU vielleicht eher zu öffnen. Zehntausende würden jährlich durch die Ukraine in den Westen reisen, stellte der Generalleutnant fest. Grenzübergänge würden selten benutzt, meist nur dann, wenn die Flüchtlinge in Fernlastkraftwagen oder Güterzügen in den Westen gelangen wollen. Ohne Mitarbeit der Bevölkerung in den Grenzregionen hätten die Grenztruppen keine Chance, die „Illegalen“ aufzuspüren. Nicht nur im Gespräch mit dem Generalleutnant, auch bei den Grenzsoldaten an den Checkpoints begegneten wir der Ansicht, dass die „Illegalen“ Teil des internationalen Verbrechens seien und Drogen und Waffen mit sich bringen würden. Somit stellten sie nicht nur für den Westen, sondern auch für die ukrainische Bevölkerung eine Gefahr dar.

Nach Bruchowetzkis Einschätzung betreten die meisten MigrantInnen das Transitland Ukraine legal als TouristInnen oder StudentInnen. Deshalb würden jetzt nicht nur Eingeladene an der Grenze überprüft, sondern auch die Einladenden. Da die Propiska, die Wohnortregistrierung aus Sowjetzeiten, abgeschafft wurde, ist es jetzt Aufgabe der Grenzpolizei, alle AusländerInnen bei der Einreise präzise zu registrieren, um sie dann während ihres Aufenthalts im Landesinnern überprüfen zu können.

Die ukrainische Ostgrenze hat größere Bedeutung

Die EU, so kritisiert der Generalleutnant, habe nur ihre eigene neue Außengrenze im Blick, die Probleme der Ukraine hingegen lägen nicht an ihrer Westgrenze, sondern an der ca. 5.000 Kilometer langen Grenze im Osten und Süden. Hier seien elf Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die nationalen Grenzen der Ukraine noch nicht festgelegt. Die Verhandlungen mit Belarus, Russland und Moldawien kommen nur mühsam voran.

Jenseits der ukrainischen Grenze liegt im Süden das Konfliktfeld Transnistrin – zwar auf dem Staatsgebiet, aber außerhalb jeglicher Machtbefugnis Moldawiens. Die selbsternannte Republik Transnistrin bildet ein Sammelbecken der letzten Stalinisten und ist Standort der 14. Division der russischen Armee, die sich jetzt Friedenstruppe nennt und sich den Zugang zu Russland offen halten will. Im Osten ziert sich Russland, eine internationale Grenze zur Ukraine anzuerkennen. Im verarmten Belarus des Diktators Lukaschenka ist die Grenzkontrolle mit Geld leicht auszusetzen. Die Ukraine befürchtet, die ganze Last der Flüchtlinge aus den asiatischen Krisengebieten schultern zu müssen, wenn sie die Ostgrenzen nicht abdichtet. Dazu aber gibt es weder Geld in der Staatskasse noch die Akzeptanz in der Bevölkerung.

So kommen etwa die meisten der ca. 20 Millionen Menschen, die jährlich am Übergang Mamalhya, auf der ukrainischen Seite der Grenze zu Moldawien, kontrolliert werden, aus den anliegenden Orten. Nur langsam haben sich die Leute daran gewöhnt, über den Grenzpunkt und ins Ausland zu gehen, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Mamalhya lag vor elf Jahren noch im Innern der Sowjetunion. Der internationale Grenzübergang ist neu. Die Grenzsteine sollen erst in nächster Zeit eintreffen. Der internationale Transitverkehr ist hier eher bescheiden, täglich etwa 40 LKWs und einige Touristenbusse wie z.B. der Linienverkehr nach Prag. Der Zoll des Bereiches verweist auf eine Bilanz von 66 aufgedeckten Schmuggelfällen, wovon allerdings 57 Bagatellen waren. Unserer kleinen Delegation wurde auch das bedeutendste technische Gerät der Station vorgeführt, ein Kleinbus amerikanischer Herstellung, in dem Gepäckstücke geröntgt werden können. Man hofft auf weitere Technik, sei aber mit dem Ford schon besser ausgerüstet als die moldawischen Kollegen auf der anderen Seite, bei denen es manchmal sogar an elektrischem Strom fehle. Im letzten Jahr konnten hier 10 bis 15 Gruppen von Chinesen aufgehalten werden, die illegal die Grenze überqueren wollten. Inzwischen habe sich herumgesprochen, dass hier kontrolliert wird.

Musterschüler Ungarn – Mauern im Vielländereck

István Szepesy ist verantwortlich für die Überwachung von 300 Kilometern ungarischer Grenze am Ländervieleck zur Slowakei, zur Ukraine und zu Rumänien. Ungarn, der Musterknabe unter den EU-Beitritts­kandidaten, hat bereits eine hochgerüstete Grenze, denn mit dem Beitritt will das Land den Antrag stellen, die Kontrollen an den Binnengrenzen aufzuheben. Damit das passiert, muss die Überwachung des ungarischen Teils der künftigen EU-Außengrenze den Wünschen der Hardliner Deutschland, Österreich und Großbritannien entsprechen. Szepesy kann sich nicht über Personalmangel beklagen. Ihm unterstehen 1.700 Personen. Jährlich wird das Personal um 300-400 Beamte verstärkt.

Die technische Ausstattung ist beeindruckend. Kein Grenzübergang, den wir auf unserer Reise besuchten, war so perfekt gerüstet wie jener in Zahony. Dank der reichlichen Gelder aus dem PHARE-Hilfsfonds der EU gibt es hier automatisierte Grenzkontrollen mit Kameras, die jede Durchfahrt registrieren, das Kennzeichen fotografieren und über einen angeschlossenen Computer mit der Fahrzeugfahndung abgleichen. Pass­lesegeräte sind auf dem neuesten Stand der Technik und werden durch hochqualifiziertes Personal bedient. Leistungsstarke Infrarotdetektoren und CO2-Sonden zum Nachweis ausgeatmeter Luft entdecken heimliche GrenzgängerInnen auch im Innenraum von Containern oder LKWs. Im Rahmen eines Pilotprojekts werden bereits mehrere Übergänge an der künftigen ungarischen EU-Außengrenze Schengen-konform betrieben. Allein aus PHARE-Mitteln gab es 160.000 Euro für die Computer- und 500.000 Euro für weitere technische Ausrüstungen. Unterstützung kommt hauptsächlich aus Deutschland, in Managementfragen beraten auch Experten aus Frankreich und Österreich. Die EU finanzierte Ausbildungskurse. Das Führungspersonal wurde in für Osteuropa zentral organisierten Seminaren geschult.

Für die Überwachung der grünen Grenze stehen Infrarotkameras auf Fahrzeugen oder als Handgerät zur Verfügung. Die nächtlichen Grenzpatrouillen sind mit Nachtsichtgeräten und Bewegungsmeldern ausgestattet. Hinzu kommen Schnellboote für Kontrollen auf der Theis. Laut Szepesy führt eine der wichtigsten Migrationsrouten durch dieses Grenz­gebiet. Die Schleuser würden allerdings die Grenzanlagen großräumig umgehen. Die ungarische Grenzpolizei könne aber dank ihrer Technik an der grünen Grenze und der guten Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst im Landesinnern immer größere Erfolge verzeichnen. Erst wenige Tage vor meinem Besuch habe man eine Gruppe von 20 MigrantInnen aufgegriffen.

Die Zusammenarbeit mit den ukrainischen Kollegen sei gut, berichtet Szepesy. Man tausche systematisch Informationen aus, jede Schicht nähme Kontakt zu den Kollegen auf der anderen Seite auf. Nur bei der Rücknahme von Flüchtlingen hake es. Die Ukraine nehme MigrantInnen nur unter den Umständen zurück, die im bilateralen Rückübernahmeabkommen beschrieben sind. Illegal eingereiste Personen, denen aufgrund der politischen Situation in ihren Heimatländern Asyl gewährt werden muss, dürfen aus Ungarn nicht in die Ukraine zurückgeschoben werden, da dort ein illegaler Grenzübertritt als Straftat geahndet und vor Gericht behandelt wird, ohne die Fluchtursache zu berücksichtigen. AfghanInnen würden generell in die Ukraine zurückgeschoben, erklärte uns Szepesy. Ob die Ukraine die Flüchtlingsgruppe dann allerdings aufnimmt, ist eine andere Frage.

Für Szepesy ist der eigentliche Grund für die Ablehnung von Rückübernahmen in der militärischen Struktur der ukrainischen Grenztruppe zu suchen. Untergebene hätten Angst, gegenüber ihren Vorgesetzten zuzugeben, dass es in ihrer Schicht „Illegalen“ gelungen sei, die Grenze zu überqueren. Zudem habe der ukrainische Staat kein Geld für die Versorgung der Flüchtlinge und ihren Rücktransport in die Herkunftsländer.

Ausbauprojekte auf beiden Seiten

Neben der elektronischen Hochrüstung gibt es auf ungarischer Seite ein großes Interesse daran, den wachsenden Grenzverkehr auf der Straße zügig abzuwickeln. Denn die Wirtschaftsströme Richtung Osten darf die Grenze auf keinen Fall verhindern. Davon leben die Menschen in der ungarischen Ostregion. Deshalb wurde ein modernes LKW-Terminal für 3,6 Millionen Euro gebaut. Davon bezahlte die ungarische Regierung 2,5 Millionen Euro. Aus PHARE-Geldern kamen zusätzliche 1,1 Mio. Euro. Aber auch die Gebäude zum Abwickeln des Personenverkehrs werden neu gebaut. Dafür sind 5,8 Mio. Euro eingeplant. Die EU steuert 2,5 Mio. Euro bei, der Anteil Ungarns wird 3,3 Mio. Euro betragen.

Vom Grenzpunkt Zahony zum ukrainischen Grenzpunkt Tisa auf der anderen Seite der Theis spannt sich eine gewaltige Stahlbrücke. Der warmherzige Empfang auf der ukrainischen Seite und der Stolz über die eigenen mächtigen Grenzanlagen sollen darüber hinwegtäuschen, dass man sich hier sehr wohl darüber bewusst ist, dass man vor den Toren der EU stehen gelassen wurde. Mit dem Grenzübergang Tisa will die Ukraine Westeuropa beweisen, dass sie Willens ist, sich den westlichen Standards der Grenzabfertigung zu nähern. Dank der TACIS-Gelder von 3 Mio. Euro für grenzüberschreitende Zusammenarbeit konnte man das alte Güterverkehrsterminal erneuern und erweitern. Jetzt können an diesem Knotenpunkt zwischen Ost und West bis zu 500 LKWs und 80 Passagierbusse in 24 Stunden abgefertigt werden, doppelt so viele wie früher. Gleichzeitig wurden die Abfertigungszeiten verkürzt. 1998 gab die EU noch einmal 500.000 Euro für Spezialausrüstung und Trainingsprogramme aus, die es nun auch der ukrainischen Seite erlauben, den Inhalt von Lastkraftwagen genauer auf Schmuggelware oder darin versteckte Menschen zu untersuchen. Die Absurdität einer doppelt aufgerüsteten Grenze wird nirgends so deutlich wie hier. Trotz der enormen Investitionen sind deshalb Staus an der Grenze vorprogrammiert.

Rumänien – aus Militärs sollen Grenzpolizisten werden

Bei meinem Besuch im August erlebte ich die rumänischen Grenzpolizisten in ihren letzten Tagen als Militärs. 46 Gesetze mussten für die Zivilisierung der Behörde geändert werden. Die Entmilitarisierung und Professionalisierung soll die rumänische Polizei an internationale und EU-Standards heranführen. Diese Reform bezieht neben der regulären Polizei und der Grenzpolizei auch die Generaldirektion für Datensicherung, die nationale Behörde für Flüchtlingsangelegenheiten sowie das Generaldirektorat für Geheimdienst und Innere Sicherheit ein. Die Regelungen zum Beamtengehalt sind allerdings noch nicht getroffen worden, obwohl die Reform am 24. August wirksam werden sollte. Es bleibt vorerst weiter beim militärischen Sold. Die militärische Rangordnung wird exakt in die Beamtenstruktur überführt. Führungskräfte erhalten zwar zusätzliches Training in sog. ziviler Führung, ihre Eignung wird dann aber noch einmal überprüft. Als Maßnahme gegen Korruption müssen Polizisten in Führungspositionen ihre Vermögensverhältnisse offenbaren. Bis Jahresende werden 917 Wehrpflichtige entlassen und durch Zivilangestellte ersetzt.

Als nationale Behörde der Grenzpolizei entsteht ein Generalinspektorat. Um die Arbeit der Grenzpolizei effizienter auf die Besonderheiten des jeweiligen Grenzabschnitts abzustimmen, wurden territoriale Direktorate mit erweiterten Befugnissen und Entscheidungshoheiten geschaffen. Jedes Direktorat ist zuständig für die Grenze zu einem Nachbarstaat bzw. für die Seegrenze am Schwarzen Meer.

Die Grenzpolizei erhält einen Berufskodex, der sie verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die Grundsätze der Unparteilichkeit, Nicht-Diskriminierung, Verhältnismäßigkeit und des angemessenen Han­delns einzuhalten. Im Gegensatz zu früher unterliegt nun die Polizei zivilen Gerichten. Grenzpolizisten erhalten jetzt eine Ausbildung, nach der sie einen speziellen Beamtenstatus erreichen können. Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht, Besitz, Religion oder sozialem Hintergrund sind im Aufnahmeverfahren in den Polizeidienst jetzt gesetzlich verboten. In Gemeinden, wo eine Minderheit einen Bevölkerungsanteil von über 20 % hat, müssen Polizisten angestellt werden, die die Sprache dieser Bevölkerungsgruppe sprechen. Ich besuchte in Oradea die einzige rumänische Schule der Grenzpolizei. Sie wurde 1992 gegründet und ist dem Generalinspektorat unterstellt. Geleitet wird sie von (Noch‑)Oberstleutnant Ovidiu Stanciu.

Im Jahre 2002, so Stanciu auf meine Nachfrage, konnten sich erstmals auch Frauen für die Ausbildung in der Grenzpolizei melden, ihr Anteil an den Bewerbungen habe gleich 80 % betragen. Darauf reagierten die ehemaligen Militärs mit Quoten für Männer. Der Beruf des Grenzpolizisten ist deshalb so attraktiv, weil er einer der wenigen sicheren Arbeitsplätze ist und überdurchschnittlich bezahlt wird (knapp 5 Millionen Lei für Berufsanfänger, ca. 150 Euro). Das hohe Gehalt spielt angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes eine große Rolle.

In den Grundkursen sollen die Grenzpolizisten auf ihre Polizeiaufgaben als „Dienstleister“ für die rumänischen BürgerInnen ausgerichtet werden. Neu für Rumänien ist, dass die Sensibilisierung für Menschenrechtsfragen integriert ist. Die Ausbildung insgesamt steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Unterstützung erhält man u.a. durch die Bundesgrenzschutz-Schule im niedersächsischen Eschwede. Die Fortbildung der Grenzpolizisten wird in Zusammenarbeit mit Experten aus der EU entwickelt und teilweise auch von der EU finanziert. Vorgesehen ist eine Reihe von Ausbildungseinheiten zum Schengen-Acquis und zum Schengener Informationssystem, die dafür sorgen sollen, dass Rumänien seine Verpflichtungen gegenüber den EU-Staaten einlösen kann.

Nach Jahrzehnten des Polizeistaats ist diese Reform für Rumänien ein bedeutender Schritt zum demokratischen Rechtsstaat. Allerdings wird es noch eine ganze Weile dauern, bis sowohl die Polizisten als auch die Bevölkerung die im Polizeistaat eingeschliffenen undemokratischen Mechanismen ablegen werden. Der Austausch mit westlichen Kollegen kann sicher dazu beitragen, dass sich der Rechtsstaat im rumänischen Polizeiwesen schneller etabliert. Ob dadurch aber eine humanere Asylpolitik in Rumänien befördert wird, bleibt solange fraglich, wie die bisherigen EU-Staaten – und Deutschland vorneweg – den Beitrittsstaaten die Abschottung der Außengrenzen verordnen.

Elisabeth Schroedter ist Mitglied der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament.
[1] EU-Ukraine Summit: Joint statement, Kopenhagen 4.7.2000 (eigene Übersetzung)