Verunsichern, verdrängen, wegsperren – Polizei und informelle Jugendtreffs

von Norbert Pütter

Eine Straßenkreuzung in Frankfurt-Sossenheim entwickelte sich in den 90er Jahren zu einem Treffpunkt für Jugendliche. Das Verhalten der Jugendlichen löste Beschwerden der AnwohnerInnen aus. Stadtbehörden und Polizei reagierten. Der Konflikt zeigt exemplarisch, wie weit polizeiliche Maßnahmen gegen störende Jugendliche reichen können.[1]

Die räumlichen Voraussetzungen des Treffs waren vor Jahren durch eine Änderung der Straßenführung entstanden. Um den Schulweg sicherer zu machen, war eine Art Verkehrsinsel geschaffen worden, die der vormaligen Kreuzung einen platzartigen Charakter verlieh. Durch das Wartehäuschen einer Bushaltestelle und den offenen Eingangsbereich einer Bankfiliale eignete sich der Platz als Treffpunkt. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre hatte er sich zu einem Ort entwickelt, an dem sich Jugendliche, die von ihrer ethnischen Herkunft keine Deutschen waren, am Abend versammelten. Die Jugendlichen wohnten in den Neubaugebieten des sozialen Wohnungsbaus, die in den 60er und 70er Jahren am Rande des alten Sossenheimer Ortskerns gebaut worden waren.

Zum polizeilichen und kriminalpräventiven Thema wurde der Treffpunkt, als die Beschwerden der Anwohner massiv zunahmen. Anfang 1998 war ein neuer Mieter in eines der Eckhäuser eingezogen, der sich durch das Treiben der Jugendlichen massiv gestört fühlte. In der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den Jugendlichen schaukelte sich der Konflikt hoch. Gleichzeitig beschritten die Anwohner den Weg über den regionalen Präventionsrat, über die Frankfurter Lokalpolitik und das Frankfurter Polizeipräsidium. Die Anwohnerbeschwerden führten zu Reaktionen auf allen Ebenen: Der Sossenheimer Präventionsrat bildete 1999 eine Untergruppe „AG Jugend“, das städtische Jugendamt schuf ein neues Angebot für Sossenheimer Jugendliche, und die Polizei richtete eine Ermittlungsgruppe ein.

Reaktionen

Die Untergruppe des Präventionsrates sollte die als nicht optimal empfundene Zusammenarbeit der Beteiligten verbessern. Zwei der im Stadtteil bestehenden Jugendeinrichtungen waren Jugendzentren für ältere bzw. jüngere Jugendliche. Die – neu gegründete – dritte Einrichtung bot Beratung und Hilfe für Jugendliche an – von der einzelfallbezogenen Sozialberatung über die Vermittlung von Ausbildungs- und Arbeitsstellen bis zur Schaffung von Freizeit- und Sportangeboten. Die „AG Jugend“ veranlasste, dass die Jugendeinrichtungen ihre Öffnungszeiten koordinierten; außerdem wurde vereinbart, bei Sportangeboten miteinander zu kooperieren. Gemeinsam organisierten alle Beteiligten drei Mitternachtssport-Veranstaltungen.

Die intensiveren Beschwerden der Anwohner führten auch zu unmittelbaren polizeilichen Reaktionen. Ob die Beschwerden zunahmen, weil an dem Treffpunkt mehr „Krach“ und „Unsinn“ veranstaltet wurde als in den vergangenen Jahren oder weil die (neuen) Anwohner sich offensiver beschwerten, blieb auch für die unmittelbar beteiligten Polizisten unklar. Durch die größer gewordene Beschwerdemacht der Anwohner sei „natürlich auch die Polizeimacht größer geworden … Wir sind häufiger aufgetaucht, wir haben öfter Kontrollen gemacht. Das wiederum ist von den Jugendlichen entsprechend aufgenommen worden. Und dann kam es also zum Schluss zu regelrechten Kriegszuständen zwischen der Polizei und den Jugendlichen. Es konnte also ein einzelner Streifenwagen da nicht mehr hinfahren. Da sind Steine geflogen auf das Auto, da sind Container angesteckt worden, sind brennend auf die Straße geschoben worden – lauter so Dinge“.

Weil die Strategie häufiger Polizeipräsenz die Probleme eher verschlimmerte als löste, bildete das örtliche Polizeirevier auf Anordnung des Polizeipräsidenten eine spezielle Arbeitsgruppe, die sich ausschließlich mit dem Brennpunkt beschäftigen sollte. Diese „AG Sossenheim“ wurde aus drei Beamten des Reviers gebildet; sie bestand von Mitte 1999 bis Mitte 2000. Zwischen der AG Jugend des regionalen Präventionsrates und der polizeilichen AG bestand nur insofern eine Verbindung, als beide relativ zeitgleich als Reaktion auf die Beschwerden gebildet wurden und zwei Polizisten in der AG Jugend wie in der AG Sossenheim arbeiteten. Nach einem halben Jahr wurde die Arbeit der AG Jugend ausgesetzt, weil – so heisst es in einem Sitzungsprotokoll – „die Zusammenarbeit aller Beteiligten bei den Jugendlichen Irritationen ausgelöst hat, die geklärt werden müssen“. Denn die Treffen der AG Jugend hatten mehrfach in den Räumen des Beratungsbüros stattgefunden, so dass die Jugendlichen, die die Polizisten kannten, erstes Misstrauen äußerten. Auch hatte sich die Zusammenarbeit zwischen den SozialarbeiterInnen und den Polizisten so „gut“ entwickelt, dass neben dem Austausch gegenseitiger Lageberichte auch über bestimmte, namentlich bekannte Jugendliche gesprochen wurde. Die MitarbeiterInnen des Büros sahen sich zunehmend mit Entscheidungsproblemen konfrontiert, welche Informationen, die sie aus der Arbeit mit den Jugendlichen erlangt hatten, sie in die AG – und das hieß vor allem an die beteiligten Polizisten – weitergeben und welche sie nicht offenbaren wollten. Als dieser Konflikt den MitarbeiterInnen bewusst wurde, sagten sie die weiteren Treffen der Arbeitsgruppe ab – allerdings mit der Option, dass die Zusammenarbeit irgendwann wieder aufgenommen werden könnte.

AG Sossenheim

Während ihres knapp einjährigen Bestehens verfolgte die (polizeiliche) AG Sossenheim über 400 Delikte. Diese hatten in der Regel Sach-, aber keine Personenschäden zur Folge. In den Worten eines beteiligten Polizisten: „Wenn die Jugendlichen sich mit den Geschädigten anlegen und umgekehrt, dann geht das meistens gegen die Sachen, Haus, Auto … Aber wir hatten eigentlich so, sage ich jetzt mal, Raubstraftaten oder Körperverletzungsdelikte gegenüber Fremden an diesem Brennpunkt, hatten wir eigentlich nicht.“ Aus der Sicht des Jugendamtes wurden die Auseinandersetzungen, die an dem Treffpunkt entstanden, „als eine Form der Abenteuerpädagogik“ bezeichnet: „Polizei ist ein starker Gegner, mit dem man sich messen kann. Also bis dahin, dass die nachts so einen Container, einen Müllcontainer auf die Straße gestellt haben und provoziert haben, dass die Polizei dann kam. Die Polizei kam, da haben sie dann auch ein paar Steine geworfen …, weil sie einfach sich gelangweilt haben oder so“. Selbst als die Polizei die Gruppe intensiven Kontrollen unterwarf, blieb das Spektrum der Delikte auf Sachbeschädigungen und Ruhestörungen konzentriert. Vereinzelt wurden Hehlereigeschäfte aufgedeckt – wenn bei Kontrollen gestohlene Handys auftauchten –, es kam auch zu Diebstählen im Umfeld des Treffpunktes und zu einem versuchten Betrug mit einer manipulierten Scheckkarte. Insgesamt registrierte die Polizei zwar „ein erhöhtes Straftatenaufkommen“, das aber „nicht unbedingt besorgniserregend“ war.

Die Polizei erhöhte mit verschiedenen Mitteln den Druck auf die Jugendlichen. Das erste Element stellte eine erhöhte polizeiliche Präsenz dar. Die normalen Streifen der Wache fuhren häufiger als vorher den Brennpunkt an; aber als Folge der vorausgegangenen Auseinandersetzungen hatte dies wenig Wirkung auf die Jugendlichen. Eindrucksvoller waren deshalb die häufigen, aber plötzlichen Kontrollen durch die in Zivil arbeitenden Mitarbeiter der AG, die auch abends und in der Nacht stattfanden. Mit den ihnen bekannten Schutzpolizisten hätten die Jugendlichen ihr Spielchen gemacht. „Aber“, so einer der Beteiligten, „wenn da Leute in Zivil kommen, Kripobeamte – das ist was ganz anderes. Das ist eine ganz andere Qualität“. Ziel der ständigen (Gefahr der) Polizeipräsenz war, „die Szene zu verunsichern“.

Ein weiteres Element dieser Verunsicherungsstrategie bestand in häufigen Identitätsüberprüfungen, die die Polizisten vornahmen. Die Überprüfungen erfolgten auf der Grundlage von Paragraf 18 Abs. 1 des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, der Identitätsprüfungen u.a. zur „Abwehr einer Gefahr“ oder „zum Schutz privater Rechte“ erlaubt. Grundsätzlich, d.h. bei jedem Polizeieinsatz wurden die Personalien der an dem Treffpunkt anwesenden Jugendlichen überprüft. Dabei ging es offenkundig nicht allein darum herauszufinden, wer sich dort traf, sondern um Einschüchterung. Denn die kontrollierenden Beamten fragten auch – rechtswidrig – diejenigen nach ihren Ausweisen, die sie schon seit Jahren kannten. Wer sich nicht ausweisen konnte, wurde auf das Polizeirevier mitgenommen, um dort die Identität zu klären.

Neben der Verunsicherung durch Kontrollen und Identitätsüberprüfungen versuchte die Polizei auch, Einzelne von dem Treffpunkt fernzuhalten, und sprach dazu Platzverweise aus. Der Versuch, mit Dauerplatzverweisen gegen einige der Jugendlichen vorzugehen, scheiterte an den juristischen Bedenken des Ordnungsamtes, das in Hessen die alleinige Zuständigkeit für diese Maßnahmen hat. Die kurzzeitigen polizeilichen Platzverweise führten jedoch zu einem Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Intern war die polizeiliche Übereinkunft, Personen, die sich zehn Minuten nach Erteilung des Platzverweises noch am Ort aufhielten, in Gewahrsam zu nehmen. Zeitweise befanden sich deshalb pro Nacht bis zu zehn Jugendliche im Gewahrsam, die dann in zeitlichen Abständen wieder freigelassen wurden. Auf die polizeiliche Kontroll- und Platzverweispraxis stellten sich die Jugendlichen ein, indem sie zwar zunächst den Treffpunkt verließen, aber nach Abrücken der Polizei zurückkamen.

Observation

Mit der verdeckten Observation des Platzes begann die AG zunächst, um sich ein genaues Bild von dem nächtlichen Treiben zu machen und die Aussagen der Beschwerdeführer und der geschädigten Anwohner zu überprüfen. Später nutzte sie dieses Mittel aber auch, um gezielt gegen einzelne Personen vorzugehen. Einer der beteiligten Polizisten schätzte, dass in der Phase der intensivsten Polizeiaktivitäten rund 400 Überstunden anfielen, vor allem nachts und an den Wochenenden. Ein Anwohner stellte der Polizei eine konspirative Wohnung zur Verfügung, von der aus die Kreuzung beobachtet werden konnte. Über drei Wochen observierten die Beamten den Treffpunkt Nacht für Nacht. Dabei hätten sich die Schilderungen der Anwohner als zutreffend erwiesen. Die Observationen wurden zeitweise derart ausgeweitet, dass die Arbeitsgruppe für einige Wochen durch vier Polizisten verstärkt wurde, die ausschließlich für die nächtlichen Observationen zuständig waren. Die Geschehnisse auf der Kreuzung wurden fotografiert und gefilmt. Die Aufnahmen wurden aber nie unmittelbar strafprozessual verwertet; sie dienten allein der Unterstützung der polizeilichen Arbeit. Die verdeckten Beobachtungen ermöglichten gezielte Polizeikontrollen bestimmter Personen, so dass die Unruhe unter den Jugendlichen zunahm, und diese zeitweise vermuteten, sie hätten einen Polizeispitzel in ihren Reihen. Zum polizeilichen Repertoire gehörten auch gezielte Hausbesuche bei den Eltern von jüngeren Jugendlichen, um die Eltern über das „Treiben“ ihres Kindes aufzuklären und um auch von dieser Seite den Druck zu erhöhen.

Täterorientierte Ermittlungen

Parallel zur Verunsicherung der Szene setzte die AG Sossenheim auf eine „täterorientiert-repressive“ Strategie. Zielten die ersten beiden Stra­te­gien eher auf die Mitläufer, so sollten die Rädelsführer auf diesem Wege getroffen werden. Gleich zu Beginn ihrer Arbeit legte die AG Sossenheim eine „relativ große Lichtbildsammlung“ an. Bei den Kontrollen am Brennpunkt wurden die Jugendlichen fotografiert. Die Bildersammlung wurde dann später mit Erfolg bei Lichtbildvorlagen zur Identifizierung eingesetzt. Waren die Jugendlichen namentlich bekannt, dann suchte die Arbeitsgruppe den Informationsaustausch mit anderen Stellen: Staatsanwaltschaft, Gericht, Jugendgerichtshilfe, Ausländeramt, dem Kommissariat für Jugendkriminalität und den Jugendkoordinatoren der Frankfurter Polizei. In einigen Fällen wurden die Verfahren an andere täterorientiert arbeitende Dienststellen abgegeben (etwa hinsichtlich der Ermittlungen gegen Intensivtäter im Bereich der Eigentumskriminalität), in der Regel führte die AG ihre Ermittlungen aber „täterorientiert“ zu Ende.

„Täterorientiert“ bedeutet, dass sämtliche Informationen zu erkannten Personen zusammengeführt werden, um ggf. mit den Mitteln der Strafverfolgung gegen diese Personen vorgehen zu können. Zur Logik dieser Ermittlungen gehört, dass die Dienststelle alle Informationen sammelt und alle Ermittlungsverfahren, die ggf. gegen diese Person anhängig sind, selbst übernimmt. Der Leiter der AG Sossenheim konnte deshalb entscheiden, ob er Verfahren, die andere Polizeidienststellen gegen „seine“ Jugendlichen führten, übernehmen wollte. Dies tat die AG dann, wenn es ihren Zielen dienlich war. Zu einer erfolgreichen täterorientierten Polizeiarbeit gehört auch, dass der „Täter“ bis zur Gerichtsverhandlung von derselben Dienststelle intensiv begleitet wird. Um dies zu gewährleisten, nahm die AG Kontakt zur Staatsanwaltschaft und zu den Jugendrichtern auf. Sie scheiterte zwar mit ihrem Antrag, dass alle ihre Verfahren nur von einem Staatsanwalt geleitet werden sollten, erreichte aber immerhin die Konzentration ihrer Ermittlungen in einer Abteilung der Staatsanwaltschaft. Zeitweise ermittelte die AG gegen die Jugendlichen wegen Landfriedensbruch, was von der Staatsanwaltschaft jedoch nicht mitgetragen wurde. Durch die Existenz der AG stieg bei den AnwohnerInnen die Anzeigebereitschaft, gleichzeitig wurde polizeilich jede Kleinigkeit, die man unter anderen Umständen vernachlässigt hätte, verfolgt. Die konzentrierte Strafverfolgung durch die AG führte mitunter zur Verhängung von Haftstrafen. In Einzelfällen, in denen Delikte an anderen Orten nachgewiesen werden konnten (Büroeinbrüche, Autoaufbrüche) wurden Haftstrafen von zwei bis drei Jahren verhängt. Nach Ansicht der eingesetzten Polizisten hätten diese Strafen auf die anderen Jugendlichen, aber auch auf die AnwohnerInnen gewirkt. Neben den eigenen Beobachtungen trugen auch Zeugenaussagen zu den Verurteilungen bei. Dass Geschädigte oder sonstige Zeugen überhaupt zu Aussagen bereit waren oder die Delikte zur Anzeige brachten, war eine (Neben-)Folge der intensiven polizeilichen Präsenz.

(Wessen) Erfolge?

Ob und inwiefern die polizeilichen Maßnahmen erfolgreich waren, ist umstritten. Von Seiten des Jugendamtes wollte man nicht behaupten, dass die Polizei gar keine Erfolge erzielt habe, aber sie hätte nicht das bewirkt, was sie hatte bewirken wollen. Vielmehr habe zur Beruhigung des Brennpunkts das vom Jugendamt initiierte Streetwork-Projekt beigetragen. Demgegenüber wertete die Polizei den feststellbaren Rückgang der Strafanzeigen (und Beschwerden) als Indiz für ihren Erfolg; die intensive Arbeit vor Ort habe eine sehr hohe Aufklärungsquote bewirkt, und diese wiederum habe „in sehr vielen Fällen zum Rücklauf“ geführt.

Bereits zum Zeitpunkt der Planung sah sich die Polizei mit dem Problem der Verdrängung konfrontiert: Jede verschärfte Repression läuft Gefahr, das, was sie durch Androhung von Sanktionen zu unterdrücken sucht, lediglich zu verdrängen. In ihrer einfachsten und naheliegendsten Form besteht die Verdrängung in der räumlichen Verlagerung des Unerwünschten. Um dies zu vermeiden, praktizierte die Polizei in Sossenheim bewusst keine „Vertreibung“, die durch häufige Kontrollen leicht möglich schien, sondern setzte auf die Auflösung der Szene. Trotzdem trafen sich die Jugendlichen als Folge der Polizeimaßnahmen an einem anderen Ort in Sossenheim. Im August 2000 beschäftigte sich der Sossenheimer Präventionsrat mit der Situation im Umfeld einer Altenwohnanlage. Dort sei ein neuer informeller Treffpunkt entstanden; Jugendliche lärmten und randalierten, außerdem seien Drogen im Spiel. Das Protokoll vermerkt: „Auf den Kontrolldruck der Polizei ist es zurückzuführen, dass sich die Szene von der Volksbank in Richtung … Altenwohnanlage verlagert hat.“ Aufgrund der neuen Beschwerden sagte die Polizei zu, das Gelände vier Wochen lang intensiv zu bestreifen. Gleichzeitig sollten die Jugendeinrichtungen versuchen, „die Jugendlichen aus der Clique herauszuziehen und sie in freizeitpädagogische oder berufsführende Projekte einzubinden.“ Auf Anraten der Polizei wurden die Hecken der Anlage gestutzt und die Beleuchtung verbessert.

Mit der Auflösung der polizeilichen AG Sossenheim war das Treffpunkt-Problem für die Polizei noch nicht erledigt. „Zu verschiedenen Zeiten“, so ein örtlicher Polizist, seien später „noch mal so vierwöchige Sondereinsätze“ gefahren worden. Auch zivile Streifen, die nachts Dienst machen, würden die Kreuzung weiterhin kontrollieren. „Wenn fünf, sechs, sieben da stehen, dann wird da mal gehalten.“ Wenn die Beamten die Jugendlichen auf die späte Nachtzeit hinwiesen, „dann ziehen die sich in die Siedlung zurück oder so.“ Der nachhaltigste Erfolg der AG Sossenheim bestehe für die Polizei darin, dass es zu einer „Hauptsensibilisierung der Dienstgruppen“ gekommen sei.

Typisches Muster

Der geschilderte Sossenheimer Fall steht für die typische Konstellation im Hinblick auf die Nutzungskonflikte des öffentlichen Raumes. Diese lässt sich durch vier Merkmale kennzeichnen:

  • Am Anfang steht ein soziales Phänomen mit geringem kriminellen oder sicherheitsrelevanten Potential. Es geht im Kern nicht um Kriminalität, sondern um Störungen und Belästigungen. Durch massive Beschwerden bei ungleicher Beschwerdemacht (zwischen Jugendlichen und AnwohnerInnen) werden Reaktionen ausgelöst.
  • Die Reaktionen bestehen in der Vernetzung der beteiligten Institutionen sowie der Etablierung sozialarbeiterisch-helfender und polizeilich-repressiver Interventionen. Dabei werden die Grenzen der Kooperation deutlich, wenn die Sozialarbeit ihre eigenen Grundlagen nicht untergraben will.
  • Das Problem wird massiv verpolizeilicht. Der geringe strafrechtliche Gehalt der Störungen wird zum Einfallstor polizeilichen Einschreitens. Nachdem moderate Interventionen zur Eskalation führten, wird das gesamte Repertoire fortgeschrittener Polizeiarbeit bemüht. Mit verdeckten Maßnahmen und täterorientierten Ermittlungen werden die Jugendlichen mit einem Repertoire behandelt, dass eigentlich für „Schwerverbrecher“ entwickelt worden war. Die Grenzen des rechtlich Zulässigen werden deutlich überschritten.
  • Unklar sind die mittelbaren Wirkungen und Folgen der Interventionen. Für unser Beispiel: Wie und wo die Jugendlichen ihre Freizeit nach der „Beruhigung“ des Treffs verbrachten, blieb unbekannt.
[1] Alle Angaben sind dem folgenden (unveröffentlichten) Bericht entnommen: Narr, W.-D.; Pütter, N.; Hohmeyer, Ch.; Kant, M.: Kommunale Kriminalpolitik zwischen Informalisierung und verstärkter Rechtsdurchsetzung. Schlussbericht des von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsprojekts, Berlin 2004