Warum ist die Redaktion dieser Zeitschrift nicht schon vor – sagen wir – zwanzig Jahren auf die Idee gekommen, ein Schwerpunktheft zur „Kontrolle des öffentlichen Raumes“ zu produzieren? Die Antwort auf diese Frage ist einfach. Man muss sich nur überlegen, welche Themen für ein solches hypothetisches Schwerpunktheft in Frage gekommen wären. Das wären im Wesentlichen zwei gewesen, die im vorliegenden Heft fehlen:
Erstens hätte man auf das Agieren der Polizei gegen die klassische Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes eingehen müssen, den „Aufzug unter freiem Himmel“. Demonstrationen und politischer Protest waren in den 80er Jahren ein ständiges Thema in Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Dafür sorgten einerseits die sozialen Bewegungen und ihre neuen Aktionsformen, die eben gerade nicht mehr dem polizeilichen Bild des „Aufzugs unter freiem Himmel“ entsprachen. Zum andern wandelten sich auch das polizeiliche Vorgehen und seine rechtlichen Grundlagen. Stichworte: neue Einsatzformen der Bereitschaftspolizeien und Sondereinheiten, neue „nicht-tödliche“ Waffen, Vorkontrollen, Unterbindungsgewahrsam, Video- und Fotoaufnahmen, Vermummungsverbot und andere Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Völlig selbstverständlich war dabei, dass dieser Protest im öffentlichen Raum stattfand und stattfindet. Wo auch sonst? Editorial weiterlesen →
Der öffentliche Raum gehört allen. Nur wenn alle Zugang haben, wenn alle gleich unbehelligt bleiben, ist ein Platz, eine Straße, ein Stadtviertel „öffentlich“. Die Wirklichkeit unserer Städte entfernt sich immer weiter von dieser Idee: Der öffentliche Raum wird mehr denn je zum Kontrollraum der Polizei und ihrer neuen Hilfstruppen.
„Reclaim the streets“, kurz RTS – sich die Straße zurückholen. So heißt eine Mischung aus Straßenkarneval und politischer Aktionsform, die zunächst in Großbritannien erprobt wurde und nun auch auf dem Kontinent Anklang findet: ein ungeregelter tanzender und feiernder Umzug, an dem mitmachen kann, wer Lust dazu hat. Die Teilnehmenden erobern zumindest zeitweise den öffentlichen Raum zurück und protestieren so gegen dessen zunehmende private Aneignung und staatliche Verregelung. Genehmigungen durch die kommunalen oder staatlichen Behörden sind dabei sekundär.
RTS-Aktionen folgen gleichsam einem emphatischen Begriff des öffentlichen Raumes in dem Sinne, dass hier Bewegungs- und Versammlungsfreiheit herrscht und Öffentlichkeit hergestellt wird. Die Botschaft lautet: Der öffentliche Raum gehört allen – im Gegensatz zum privaten „umfriedeten Besitztum“. Reclaim the Streets – Öffentlicher Raum unter staatlicher Kontrolle weiterlesen →
Reclaim the streets – an introduction by Heiner Busch and Norbert Pütter
A square, street or a city district are only „public“ if everybody has access to and equal freedom from surveillance in them. The reality of our cities is increasingly distancing itself from this conception: private appropriation and state regulations are ousting all those from public spaces who interfere with the business of consumerism. At the same time, the public space is increasingly becoming an operational area for the police, supported by more or less privatised security services. The accompanying ideology is expressed in discussions on ‚broken windows‘ and on a threatened ’sense of security‘. Summaries weiterlesen →
Sieben EU-Staaten – die drei Benelux-Staaten, Frankreich, Österreich, Spanien und Deutschland – haben am 27. Mai 2005 im Eifelkurort Prüm einen Vertrag über „die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“ unterzeichnet, der in doppelter Hinsicht von Bedeutung ist.[1]
Zum einen wegen seines Inhalts: Vereinbart wurden nicht nur erweiterte Formen der grenznahen Polizeikooperation, sondern insbesondere der gegenseitige automatische Zugriff auf nationale Datenbanken mit personenbezogenen Informationen, nämlich DNA-Profil-, Fingerabdruckdatenbanken sowie Fahrzeugregister. Vertrag von Prüm – Neuauflage von Schengen? weiterlesen →
Am 5. April dieses Jahres warnte die „tageszeitung“ ihre LeserInnen: „Nächste Woche wird in Karlsruhe die europäische Integration in Frage gestellt. Einfach so, weil den Verfassungsrichtern des Zweiten Senats danach ist.“ Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich erdreistet, eine ungewöhnlich umfangreiche Anhörung zum Europäischen Haftbefehl anzusetzen und nach den verfassungs- und vor allem grundrechtlichen Grenzen der EU-europäischen Integration auf dem Gebiet des Strafrechts zu fragen. EU-Haftbefehl nach der Verfassungsgerichts-Entscheidung weiterlesen →
Bereits im Oktober 2004, zwei Monate bevor das Zuwanderungsgesetz mit verschärften Ausweisungsbestimmungen im Aufenthaltsgesetz in Kraft treten sollte, bildete das bayerische Innenministerium die ständige Arbeitsgruppe BIRGiT (Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus). Sie verfolgt das Ziel, sog. islamistische Gefährder zu identifizieren, ihren Aufenthalt in Deutschland mit allen rechtlichen Möglichkeiten zu beenden und – sofern eine Abschiebung nicht möglich ist – deren Bewegungs- und Kommunikationsmöglichkeiten so weit wie möglich einzuschränken.[1]BIRGiT: Ausweisungen auf bayerische Art weiterlesen →
Bereits im Mai hatte der „Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter“ (Velspol) darauf hingewiesen, dass Daten über Homosexuelle in einigen Polizeidateien erfasst werden.[1] Nach den Angaben von Velspol verwenden die Polizeien Bayerns, Nordrhein-Westfalens und Thüringens das von der bayerischen Polizei entwickelte Vorgangs- und Verwaltungsprogramm IGVP sowie das Schreibprogramm PVP, in denen Verkehrsunfälle, Anzeigen und Meldungen erfasst und die Datensätze von Tätern, Geschädigten, Zeugen oder auch zufällig anwesenden Personen eingegeben werden. Homosexualität in Polizeidateien weiterlesen →
Am 5. Juli 2005 gegen 6.30 Uhr ließ die Staatsanwaltschaft Bochum die Wohnungen dreier Mitglieder von Redaktion bzw. Vorstand des Labournet.de e.V. durchsuchen. Sämtliche Computer, mehr als 100 Datenträger, der gesamte Schriftverkehr von November 2004 bis Januar 2005 und eine Vielzahl weiterer Unterlagen des Vereins, der das Internetportal LabourNet Germany – „Treffpunkt für Ungehorsame mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch“ – betreibt, wurden beschlagnahmt. Durchsuchung und Beschlagnahme bei Labournet weiterlesen →
Weil die Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK) keine originär verfassungsschutz-rechtliche Kompetenz darstelle, darf das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) OK-Phänomene nur dann mit geheimdienstlichen Mitteln überwachen, wenn diese zugleich eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung darstellen. Dies entschied der Sächsische Verfassungsgerichtshof (SächsVerfGH) in einem Urteil vom 21. Juli 2005, dessen Wirkung über die Grenzen des Bundeslandes hinausgehen wird.[1]SächsVerfGH zu Trennung von Polizei und VS weiterlesen →
„Die Spielregeln werden sich ändern“, kündigte der britische Premier Tony Blair nach den Londoner Attentaten an. Praktisch heißt das, dass der „Krieg gegen den Terrorismus“ zu einem Krieg gegen jene ausgeweitet wird, die die Regierung für islamistische Extremisten hält.[1]
Am 7. Juli 2005 ereigneten sich jene Attentate, die man uns seit langem als unvermeidlich angekündigt hatte. Der wirkliche Schock folgte einige Tage später, als sich herauskristallisierte, dass die „Selbstmord-Bomber“ junge britische Männer gewesen waren. An der Frage, warum sie ihre Bomben in London hochgehen ließen, scheiden sich jedoch die Geister. Die Blair-Regierung und ihre Unterstützer bestreiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit, was für die große Mehrheit der Bevölkerung längst klar war – nämlich, dass der Irak-Krieg London zumindest zu einem wahrscheinlicheren Anschlagsziel gemacht hatte. Britannien nach den Anschlägen – Das Anti-Terror-Recht wird nochmals erweitert weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.