Schlagwort-Archive: Präventionsräte

Polizei und kommunale Prävention – Zwischen Legitimationspflege und vernetzter Repression

von Norbert Pütter

In den 90er Jahren erlebte die Kriminalprävention auf örtlicher Ebene eine ungeahnte Konjunktur. Nach zwei Jahrzehnten der Zentralisierung und Spezialisierung der Polizeien richteten sich die Hoffnungen plötzlich auf die lokalen Zusammenhänge, in denen Kriminalität und Kriminalitätsfurcht sichtbar werden. Welche Rolle der Polizei in dieser Variante der Prävention zukommt oder zukommen sollte, war von Anfang an umstritten.

Die sicherheitspolitische Hinwendung zur Gemeinde war im vergangenen Jahrzehnt keineswegs auf die Prävention beschränkt. Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften wurden gebildet, Kommunale Ordnungsdienste, Sicherheitswachten und Freiwillige Polizeireserven eingerichtet oder zu neuem Leben erweckt, und über den Atlantik schwappte die Vorstellung, dass mit Null-Toleranz die Sicherheitsprobleme in den Städten zu lösen seien. Die ambitionierteste Neuschöpfung der lokalen Sicherheitspolitik waren (und sind) jene Einrichtungen, die unter der Bezeichnung „Kriminalpräventiver Rat“, „Präventionsrat“, „Sicherheitskonferenz“ etc. Kriminalität oder Unsicherheitsgefühlen vorbeugen wollten, indem unterschiedliche Personen, Gruppen und Institutionen mit ihren jeweiligen Ressourcen zusammenwirkten. Polizei und kommunale Prävention – Zwischen Legitimationspflege und vernetzter Repression weiterlesen

Verunsichern, verdrängen, wegsperren – Polizei und informelle Jugendtreffs

von Norbert Pütter

Eine Straßenkreuzung in Frankfurt-Sossenheim entwickelte sich in den 90er Jahren zu einem Treffpunkt für Jugendliche. Das Verhalten der Jugendlichen löste Beschwerden der AnwohnerInnen aus. Stadtbehörden und Polizei reagierten. Der Konflikt zeigt exemplarisch, wie weit polizeiliche Maßnahmen gegen störende Jugendliche reichen können.[1]

Die räumlichen Voraussetzungen des Treffs waren vor Jahren durch eine Änderung der Straßenführung entstanden. Um den Schulweg sicherer zu machen, war eine Art Verkehrsinsel geschaffen worden, die der vormaligen Kreuzung einen platzartigen Charakter verlieh. Durch das Wartehäuschen einer Bushaltestelle und den offenen Eingangsbereich einer Bankfiliale eignete sich der Platz als Treffpunkt. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre hatte er sich zu einem Ort entwickelt, an dem sich Jugendliche, die von ihrer ethnischen Herkunft keine Deutschen waren, am Abend versammelten. Die Jugendlichen wohnten in den Neubaugebieten des sozialen Wohnungsbaus, die in den 60er und 70er Jahren am Rande des alten Sossenheimer Ortskerns gebaut worden waren. Verunsichern, verdrängen, wegsperren – Polizei und informelle Jugendtreffs weiterlesen

Bürgeraktivierung im System „innerer Sicherheit“ – Die Wiederentdeckung des Lokalen

von Hubert Beste

Die Gemeinde steht seit den 90er Jahren im Zentrum sicherheitspolitischer Debatten. Präventionsräte, Bürgerpatrouillen oder Sicherheitspartnerschaften sollen der kleinräumigen Sozialgeographie zurückgeben, was ihr staatszentrierte Sicherheitsphilosophie und Zentralisierung in den vorausgehenden Jahrzehnten geraubt hatten: gewachsene, gesellschaftlich verankerte Kontrollmacht. Die neoliberale Sicherheitsstrategie schraubt die Verantwortung des Staates zurück und nimmt die einzelnen BürgerInnen verstärkt in die Pflicht. Kontrollpolitik übernimmt die Funktion von Sozialpolitik im Zuge einer Globalisierung der „Null Toleranz“.[1]

Dieser Richtungswechsel „innerer Sicherheit“ ist vor dem Hintergrund der schon in den 70er Jahren aufkommenden Debatte über die „Unregierbarkeit der Städte“ einzuordnen.[2] Als Gründe für die Polarisierung in den Städten werden häufig angeführt: eine zunehmende, öffentlich sichtbare Armut und Armutsmigration, steigende Kriminalitäts- und Gewaltraten, eine Verschärfung der ökonomischen Krise und die damit verbundenen Folgen einer wachsenden Segregation der städtischen Gesellschaft, auch in Form von Ghetto- und Slumbildung, sowie einer selektiven Mobilität in der Gestalt, dass sich die „Überflüssigen“ in den ohnehin problembelasteten Wohnvierteln konzentrieren.[3] Gleichzeitig wurden auf Seiten der Kontrollorgane zwei sicherheitspolitische Strategien popularisiert und ideologisch aufbereitet: „community policing“ und „zero tolerance“.[4] Bürgeraktivierung im System „innerer Sicherheit“ – Die Wiederentdeckung des Lokalen weiterlesen

Kommunale Kriminalpolitik in Deutschland – Akteure, Themen und Projekte kriminalpräventiver Gremien

von Christine Hohmeyer[1]

Kommunale Kriminalprävention ist in Deutschland durch einen großen rhetorischen „Überbau“ gekennzeichnet, der mit beachtlichen Versprechen lockt. Gesellschaftliche Gruppen, ja die BürgerInnen selbst sollen sich an der Sicherheitspolitik ihres Wohnortes beteiligen können. Diese Sicherheitspolitik beruhe auf mehr Prävention, mehr Kooperation, mehr Gemeinsinn. Zudem sei es im lokalen Kontext möglich, schnell und effektiv auf jeweils entstehende Probleme zu reagieren. Angesichts dieses beglückenden Szenarios stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise die neue Kriminalpolitik in den verschiedenen Gemeinden tatsächlich umgesetzt wird.

Um sich der Wirklichkeit kriminalpräventiver Aktivitäten anzunähern, gibt die Datensammlung des BKA zur Zeit die umfangreichste Übersicht.[2] Dort sind im „Infopool Prävention“ 1.380 kriminalpräventive Gremien, Präventionsräte, Sicherheitspartnerschaften und ähnliche Initiativen aufgeführt. Für diese Liste, die u.a. Teilnehmende, Themen und Projekte dokumentiert, griff das BKA auf Angaben der Landeskriminalämter oder der Landespräventionsräte zurück. Durch die unterschiedlichen Erhebungsmodi in den Ländern ist die Datenquelle mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten: In manchen Fällen wurde übertrieben weitreichend erfaßt, manchmal blieben die Angaben sporadisch und lückenhaft.[3] Doch obwohl die Auswertung des Infopools nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wiederzugeben vermag, werden selbst bei vorsichtiger Interpretation einzelne Tendenzen der „Präventionsbewegung“ sichtbar. Zum einen scheint die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in der Praxis nicht annähernd so ausgeprägt, wie es die Theorie verheißt. Zum anderen scheint das Repertoire der Aktivitäten darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeiten lokalen Handelns beschränkt sind – vor allem dann, wenn es sich um präventive Maßnahmen handeln soll. Kommunale Kriminalpolitik in Deutschland – Akteure, Themen und Projekte kriminalpräventiver Gremien weiterlesen

Präventionsrat Schöneberger Norden – Ein nicht ganz typisches Beispiel

von Christine Hohmeyer

Am 21. Mai 1997 beschloß die Bezirksverordnetenversammlung Schöneberg von Berlin, ein „ortsteilbezogenes Sicherheitsforum“ einzurichten. Bezirksamt, PolitikerInnen, Polizei, gesellschaftliche Institutionen, Gewerbetreibende und nicht zuletzt die BürgerInnen selbst sollten an einem runden Tisch zusammenkommen, um den „Abbau des Gewaltpotentials“ im Bezirk voranzutreiben.[1] Im Januar 1998 wurde unter der Leitung der Bezirksbürgermeisterin ein „Präventionsrat Schöneberger Norden“ gegründet. Doch die vielfältigen Aktivitäten des neuen Gremiums zielen nicht allein auf Sicherheit. Vielmehr scheint durch die Kooperation von BürgerInnen und Ämtern eine andere Form der Kommunalpolitik zu entstehen, in der liegengebliebene Aufgaben unter dem Etikett der Kriminalprävention neu bearbeitet werden.

Daß ein Stadtteil auf Gewalt und Unsicherheit mit der Gründung eines Präventionsrates reagiert, ist keine neue Idee. Bereits seit Beginn der 90er Jahre wird in Deutschland zunehmend versucht, Kriminalitäts- und Ordnungsproblemen auf kommunaler Ebene zu begegnen. Dabei soll, in Zusammenarbeit von Polizei, Behörden und lokalen Akteuren, Kriminalität am Ort ihres Entstehens bekämpft werden. Der lokale Kontext, so das Versprechen, erfülle gleich mehrere Funktionen. „Prävention vor Ort kann durch Tätigkeitsangebote und die Möglichkeit der Aktionspartizipation Verantwortungsbewußtsein wecken (…) Vor allem aber kann sie angesichts der auf lokaler Ebene viel direkteren Information und kürzeren Wege zeitnäher, dynamischer und flexibler reagieren.“[2] Mit den Schlagworten Prävention und Partizipation werden die vordringlichsten Aspekte dieser neuen Sicherheitspolitik benannt: Kriminalität und Ordnungsstörungen seien vorbeugend, möglichst sogar ursachenorientiert zu bekämpfen. Dies gelinge dann am besten, wenn möglichst viele gesellschaftliche Institutionen und die BürgerInnen selbst an den neuen Gremien beteiligt werden könnten. Präventionsrat Schöneberger Norden – Ein nicht ganz typisches Beispiel weiterlesen