Gipfel der Lügen – Polizeiliche Desinformationspolitik bei Demonstrationen

von Ulrike Donat, Michael Backmund und Karen Ullmann

Großeinsätze prägen das öffentliche Bild der Polizei. Diese hat daher ein starkes Interesse, ihre Arbeit in einem guten Licht zu präsentieren. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm betrieb sie eine intensive Pressearbeit – Falschmeldungen inklusive.

Dass die Polizei im Zusammenhang mit großen Demonstrationen eine eigene offensive Pressearbeit betreibt, ist ein relativ neues Phänomen, dessen Geschichte an den Protesten gegen die Castor-Transporte seit 1995 nachvollzogen werden kann. Im Wendland waren es zunächst die Widerstandsgruppen wie die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die von Beginn an eine erfolgreiche situationsbezogene Öffentlichkeitsarbeit leisteten: mit einem Pressewagen, mit Hintergrundberichten und täglichen Pressekonferenzen, durch ständige Erreichbarkeit für JournalistInnen, durch AnsprechpartnerInnen bei Aktionen und ab 1997 durch einen „Castor-Ticker“, der online in kurzen Abständen mit aktuellen Meldungen über das Protestgeschehen informierte.

Die Polizei beschränkte sich dagegen in den ersten Jahren auf die Erteilung telefonischer Auskünfte über die Einsatzzentrale, gelegentliche Pressemeldungen sowie Pressekonferenzen zu Beginn und nach Abschluss des Einsatzes. Dies veränderte sich erst ab 2001: Zum einen versuchte man nun, die Medienarbeit der Protestgruppen durch Zwangs­maßnahmen und Schikanen zu verdrängen und zu behindern. Zum andern entwickelte die Polizei ihre eigene Medienarbeit. Sie richtete ein „Medienzentrum“ nahe der Castor-Verladestation am Bahnhof Dannen­berg ein, entsandte PressesprecherInnen zu den Einsatzorten, präsen­tierte sich im Internet – ebenfalls mit einem Nachrichtenticker – und kommentierte die Proteste und ihre eigenen Einsätze mit zeitnahen Pressemitteilungen. Hier konnte sie im Gegensatz zur Protestbewegung auch von ihrer professionellen Struktur und (öffentlichen) Sach- und Personalmitteln profitieren.

Die Strategie der Polizeiführung hatte Erfolg: MedienvertreterInnen nutzten die „bequemen“ Informationsangebote und übernahmen häufig in einem naiven Staatsvertrauen – nach dem Motto: die Polizei wird schon nichts Falsches sagen – die polizeilichen Meldungen ohne weitere Prüfung. Im besten Fall ging eine abweichende Stellungnahme aus dem Pressewagen der Bürgerinitiative in den Bericht mit ein.

Desinformation der Öffentlichkeit beim G8-Gipfel

Ein ähnliches Vorgehen der Polizei war auch während und nach dem G8-Gipfel zu beobachten. Das offizielle Medienzentrum des Bundespresseamtes, zu dem nur akkreditierte JournalistInnen Zugang hatten, befand sich in Kühlungsborn hinter Stacheldraht eingezäunt im polizeilichen Einflussbereich. Für die Planung und Führung des Einsatzes hatte das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern bereits Ende 2005 eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) mit Namen „Kavala“ geschaffen, die auch für die „einsatzbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ zuständig war. Schon im April 2007 wurde der erste „Kavala-Report“ als Hochglanz-Broschüre gedruckt und auf den Internet-Seiten der Polizei verbreitet. Statt „objektiver Information“ betrieben schon diese Polizei-Medien eine unzulässige politische Beeinflussung.[1]

Dabei sollte es nicht bleiben: Einige Beispiele aus der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit rund um den G8-Gipfel demonstrieren, wie definitive Falschmeldungen produziert und lanciert wurden.[2] Das zeigte sich bereits am Samstag, dem 2. Juni 2007, dem ersten Tag der Protestwoche. Innerhalb weniger Stunden nach den Zusammenstößen am Rande der Abschlusskundgebung der Großdemonstration am Rostocker Hafen verdreifachte sich im Newsticker der Kavala-Pressestelle die Zahl der verletzten Polizisten: In einer ersten Meldung um 17.50 Uhr war von mehr als 100, davon 18 Schwerverletzten, die Rede. Um 19.38 Uhr hatte die Polizei bereits 146, davon 25 schwer Verletzte, gezählt. Am Sonntag früh um 7 Uhr war sie bei 433 Verletzten angekommen. Bei der Vorstel­lung des Abschlussberichts zum G8-Einsatz vor dem Innenausschuss des Landtags am 28. Juni 2007 gab Landesinnenminister Lorenz Caffier zu, dass sich die Erfassung der Verletzten aufgrund der Ereignisse und der nötigen Ruhephase schwierig gestaltete und die Verletztenzahl in der Folgezeit korrigiert werden musste.[3] In den Presseinformationen vom 2. und 3. Juni 2007 war von diesen Schwierigkeiten allerdings nicht die Rede.

Die polizeilichen Meldungen wurden zunächst von fast allen Medien übernommen und sind teils bis heute auf Webseiten renommierter Verlagshäuser nachzulesen.[4] Erst auf Nachfrage eines Journalisten der „Jungen Welt“ stellte sich später heraus, dass lediglich zwei Beamte stationär behandelt werden mussten. Nur diese zwei Fälle erfüllten also das übliche Kriterium für die Kategorie „schwerverletzt“. „Kavala“ hatte darunter hingegen alle BeamtInnen gezählt, die mehr als einen Tag dienstunfähig waren.[5] Der überwiegende Teil der Verletztungen dürfte laut Aussagen von Sanitätern übrigens durch „friendly fire“, also durch den massiven Einsatz von diversen Tränengasen entstanden sein: CN als Wasserwerfer-Beimischung, Pfefferspray in Sprühdosen, CS in Kartuschen.

Insbesondere die hohen Verletztenzahlen hatten in Kombination mit dem angeblich immensen Sachschaden sowie der Art der Darstellung – „bürgerkriegsähnliche Zustände“ – das mediale „Bild“ der „Rostocker Krawalle“ entstehen lassen. Hinzu kam die Unterschlagung von Informationen, die ein wesentlich differenzierteres Bild der Ereignisse hätten vermitteln können – nämlich die zum Ort der Auseinandersetzungen: Diese spielten sich auf einem relativ kleinen Areal von ca. 250 Meter Länge am Stadthafen am Rande des Kundgebungsplatzes ab und weiteten sich erst durch die massiven und wahllosen Wasserwerfereinsätze gegen alle DemonstrantInnen kurzfristig auf den gesamten Platz aus.

Bei der Migrationsdemonstration am Montag (4. Juni) verbreitete „Kavala“, 2.500 gewaltbereite Vermummte hätten sich in der Demonstration befunden.[6] KeineR der anwesenden BeobachterInnen hatte diese entdecken können – auch nicht der Einsatzleiter vor Ort. Gegen seinen Willen sorgte die Gesamteinsatzleitung dafür, dass die genehmigte Demonstration nicht wie angemeldet stattfinden konnte. Vor dem Land­tagsinnenausschuss variierte Innenminister Caffier am 28. Juni diese Falschmeldung und behauptete ohne Angabe weiterer Quellen, von den 8.500 TeilnehmerInnen seien zu Beginn der Demonstration 300 vermummt gewesen. Auch diese Version wurde von keiner unabhängigen Quelle bestätigt.

Als die von „Block G8“ langfristig geplanten Blockaden am Mittwoch (6. Juni) begannen, wurde im offiziellen Medienzentrum in Kühlungsborn die Meldung gestreut, unter den TeilnehmerInnen befänden sich bewaffnete Vermummte. Es würden auch Steine geworfen. Um 18.16 Uhr verbreitete die „Kavala“-Pressestelle über den Presseticker die (falsche) Nachricht, dass sich an der Kontrollstelle Galopprennbahn Demonstranten bewaffnen würden. In der über den Ticker angekündigten Pressemitteilung PM 80 vom 7. Juni hieß es dann: „Teilnehmer des verbotenen Aufzuges an der Kontrollstelle Galopprennbahn bewaffnen sich: Die Polizei Rostock, BAO Kavala, hat soeben festgestellt, dass Teilnehmer aus der Gruppe, die derzeit die Kontrollstelle ‚Galopprennbahn‘ blockieren, die Kleidung wechseln, sich vermummen und Schutzkleidung anlegen, sich mit Molotow-Cocktails bewaffnen und Steine aufnehmen.“

Viele der MedienvertreterInnen in Kühlungsborn riefen daraufhin bei KollegInnen vor Ort an, die diese Meldung keinesfalls bestätigen konnten und auch auf Nachfrage bei den dort anwesenden PolizeibeamtInnen keine genauen Informationen bekamen. Als dann noch von mehreren DemonstrantInnen polizeiliche Provokateure enttarnt wurden,[7] kippte die Stimmung unter den JournalistInnen endgültig gegen die Informationspolitik der „Kavala“. Meldungen, Clowns hätten PolizistInnen mit „Säure“[8] bespritzt oder „Autonome“ hätten die Polizei mit Äpfeln beworfen, welche mit Rasierklingen und Nägeln gespickt gewesen seien, wurden nun kritischer geprüft als fünf Tage zuvor die Nachrichten über rund 450 verletzte Beamte.

Nachbereitung

Auch in der Nachbereitung des Einsatzes verbreiteten die Sicherheitsbehörden weiterhin falsche Informationen. Besonders auffällig ist diesbezüglich erneut die Rede von Innenminister Caffier am 28. Juni 2007 vor dem Innenausschuss des Schweriner Landtags. Darin behauptete er u.a.:

  • Auf den durch die Aufklärungsflüge der Tornados gewonnenen Bildern sei eine Identifizierung von Fahrzeugen oder Personen nicht möglich.
  • Amnesty international habe die „Käfige“ in den Gefangenensammelstellen begutachtet und keine Mängel festgestellt.
  • Keine Person habe länger als 31 Stunden in den Gefangenensammelstellen (GeSa) Industriestraße und Ulmenstraße verbringen müssen.
  • Es habe keine Fesselungen von Gefangenen in den GeSa gegeben.
  • Es seien in den „Käfigen“ Schlafbrillen zur Verfügung gestellt worden.
  • Allen AnwältInnen habe man einen geregelten Zugang zu ihren MandantInnen gewährleistet.
  • Es sei zu 433 Kontaktaufnahmen zwischen MandantInnen und AnwältInnen gekommen.

Diese Aussagen sind nachweislich falsch. Aus mittlerweile in der Presse bekannt gewordenen Bildern, die durch die Aufklärungsflüge der Tornados erlangt wurden, ergibt sich, dass eine Identifizierung von Fahrzeugen und Personen bzw. Personengruppen sehr wohl möglich war.[9]

Amnesty international (ai) hatte die Zellen zwar vor deren Inbetriebnahme inspiziert, jedoch schon am 13. Juni 2007 eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es u.a. heißt: „Die vor der Rostocker Demonstration und vor dem Gipfel abgegebene Bewertung von ai bezog sich also naturgemäß lediglich auf die Vorbereitung durch die Polizei sowie auf die Ankündigung, wie sie vorzugehen beabsichtige, nicht auf die polizeiliche Praxis während der Zeit der Belegung der GeSa mit Gefangenen. Hier hat es, wenn sich die Berichte bestätigen, polizeiliches Fehlverhalten gegeben, dem ai nachgehen wird.“

Am 7. Juni 2007 saßen mehrere Personen gefesselt mit fünfzig anderen in einem der ca. 25 qm großen Käfige. Teilweise wurden die Fesseln nicht einmal für den Toilettengang abgenommen.

Auch gab es definitiv keine 433 Anwaltskontakte. Den AnwältInnen wurde am Abend des 6. Juni 2007 mitgeteilt, man nehme keine Nachfragen nach einzelnen Gefangenen mehr entgegen. Alle Namen müssten telefonisch durchgegeben werden. In die jeweilige elektronische Akte würde dann eingetragen, dass die Person einen Anwalt/eine Anwältin sehen wolle. Wenn dann der/die SachbearbeiterIn die Akte bearbeite – wann das sein würde, war nicht abzuschätzen – würde der/die entsprechende Anwalt/Anwältin verständigt. Die Namen aller Personen, die beim Legal Team/Anwaltlichen Notdienst um Hilfe nachgesucht hatten, wurden der Polizei daraufhin durchgegeben. Hierbei handelte es sich um ca. 450 Personen. Aber längst nicht alle von ihnen haben einen Anwalt oder eine Anwältin zu Gesicht bekommen. Teilweise sind jedoch in den Akten von Gefangenen, die trotz dokumentierter wiederholter Nachfrage keinen Kontakt zu AnwältInnen hatten, Anwaltskontakte vermerkt. Zeitweise wurden die AnwältInnen aus dem Anwaltszimmer bzw. aus dem gesamten Gebäude der Gefangenensammelstellen verwiesen.

Nachwirkungen

Die Nachwirkungen der polizeilichen Desinformationen sind schwer abzuschätzen. Auch wenn deren Ausmaß dazu führte, dass die MedienvertreterInnen vor Ort nicht mehr jede Polizeimeldung unkritisch übernahmen, kann dies von kleineren lokalen Presseorganen nicht behauptet werden. Zudem können einzelne nachträgliche Richtigstellungen bzw. Berichte über Falschmeldungen das bereits produzierte Bild und damit eine bestimmte Deutung der Geschehnisse nicht mehr revidieren. Als Ergebnis bleibt die faktische Desinformation eines Millionenpublikums. Teilweise sind die Nachwirkungen auch sehr konkret: Obwohl die Falschmeldung über die vermeintlichen Säureattentate der Clownsarmee in einigen Medien korrigiert worden war, erließ die Polizei für eine antimilitaristische Demonstration am 13. Juni in Hannover die Auflage, dass kostümierte Personen einen Abstand von mindestens drei Metern zu den Ordnungskräften einhalten müssten.[10]

Erstaunlicherweise waren die Pressemitteilungen der Polizei, beispielsweise das Dementi des Einsatzes verdeckter Ermittler, schon wenige Wochen nach dem Gipfel von der Internet-Seite der Polizei Mecklenburg-Vorpommern verschwunden.

In jedem Fall haben die Falschmeldungen ihre Wirkungen auf die Justiz nicht verfehlt: So nahm das Bundesverfassungsgericht die polizeilichen Berichte über den Ablauf der Großdemonstrationen in Rostock am 2. Juni 2007 und die Migrationsdemo zwei Tage später zum Anlass, in Form einer „neuen eigenen Gefahrenprognose“ im Eilverfahren den geplanten Sternmarsch zu verbieten, obwohl es gleichzeitig die Allgemein­verfügung und das Versammlungsverbot von „Kavala“ für verfassungswidrig hielt. Auch die Straf- und EilrichterInnen am Amts- und Landgericht Rostock legten die „Kavala“-Berichte ungefiltert ihren Entscheidungen zu Freiheitsentziehungen und in den Schnellverfahren zugrunde.

Zur Produktion von Feindbildern

Sowohl durch die umfangreichen § 129a-Ermittlungsverfahren im Vorfeld des Gipfels – einen Großteil der Ermittlungshandlungen hat der Bundesgerichtshof mittlerweile für rechtswidrig erklärt – als auch durch Falschmeldungen von Polizei und Regierungsvertretern entstanden und entstehen Feindbilder. In den Medien können diese im besten Fall durch Journalismus, der den Qualitätsanforderungen bezüglich des Umgangs mit Quellen entspricht, aufgezeigt werden. Dies verlangt auch von Protestgruppen eine professionelle Pressearbeit. Sie haben allerdings den logistischen Nachteil, dass sie für ihre Arbeit anders als die Polizei nicht auf eine staatliche Finanzierung zurückgreifen können, sondern meist ehrenamtlich aktiv sind.

Interne polizeiliche Informationen sind dagegen durch die freie Presse nicht kontrollierbar. Bei den Castor-Transporten ins Wendland werden die BeamtInnen mit täglichen „Castor-News“ versorgt, einer mehrseitigen Zeitschrift zu den jeweiligen Geschehnissen des vorangegangenen Tages, die selbst auf Nachfrage der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung gestellt wird. Beim G8-Gipfel gab es sogar vom 29. Mai bis zum 8. Juni 2007 einen eigenen Polizeisender: „Planungsstab Kavala betreibt Infokanal für Einsätzkräfte“, lautete die polizeiliche Pressemitteilung PM 75 vom 4. Juni 2007. Der Radiosender für Einsatzkräfte informiere „die bis zu 17.800 Einsatzkräfte aktuell über die Vorbereitungen und das Geschehen rund um das Gipfeltreffen in Heiligendamm. In den stündlichen vier bis sechs Minuten Sendezeit kommen aber auch Sport- und Wetternachrichten sowie Grüße zu runden Geburtstagen nicht zu kurz. Die Macher des Infokanals sind sechs Polizisten …“ Zusätzlich zum einsatzbezogenen Polizeifunk wurde also von „Kavala“ ein eigener Radiosender mit einem stündlichen Radiomagazin exklusiv für alle eingesetzten Polizisten produziert und ausgestrahlt, mit dem die Polizeiführung die eigenen Nachrichten zeitnah verbreiten konnte.

Polizeiinterne Informationen sind nicht kontrollierbar: Vom „Radiosender für Einsatzkräfte“ in Rostock soll es keine Aufzeichnungen geben. Auch sonst sind die „Produkte“ der Öffentlichkeit und der parlamentarischen Kontrolle nicht zugänglich. Dabei ist die Frage – auch haushaltspolitisch – angezeigt, ob das Erstellen eigener Medienprodukte zur Aufgabenerfüllung der Polizei gehört. Selbst wenn dem so sein sollte, müssten sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingend richtig und objektiv informieren, dürfen also keine Falschmeldungen verbreiten. Die Verbreitung von (falschen) Schreckensmeldungen über schwerverletzte KollegInnen und bewaffnete DemonstrantInnen unterstützt Einsatzkräfte sicher nicht darin, in schwierigen Situationen vor Ort besonnen und angemessen zu agieren. Derartige Informationen fließen in jede vor Ort getroffene Gefahrenprognose ein und dienen der Begründung von Eingriffen in individuelle Rechte. Sie haben damit einen direkten Einfluss auf die Behandlung von BürgerInnen.

Nachwort

Polizeiliche Pressearbeit hat klar definierte Aufgaben zu erfüllen und unterscheidet sich grundsätzlich von der Pressearbeit durch BürgerInnen. Während letztere ihr durch die Verfassung geschütztes Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) ausüben, ist Polizeiarbeit stets hoheitliches Handeln. Dieses kann sich einerseits nicht auf Grundrechte berufen, andererseits dürfen Grundrechte durch hoheitliches Handeln nicht ohne Begründung eingeschränkt werden. Hinzu kommt, dass polizeiliche Arbeit durch Steuergelder finanziert wird und sich daher an dem Gebot der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit messen lassen muss. Mit anderen Worten: BürgerInnen haben Rechte und Behörden haben Pflichten, zum Beispiel die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft über ihr eigenes Handeln. Diese rechtsstaatlichen Maßstäbe hat die Pressearbeit von „Kavala“ während des G8-Gipfels nicht erreicht.

[1] www.polizei.mvnet.de; typisch etwa die Darstellung der Geschichte der Gipfelproteste, in der die LeserInnen auf das Feindbild „Terroristen“ und „gewaltbereite Linksextremisten“ eingeschworen werden, ohne dass der politische Gehalt der Proteste deutlich wird
[2] Die Deutsche JournalistInnen- und Journalistenunion (dju) bei ver.di führt z.Zt. eine „Medienpolitische Analyse der Berichterstattung zum G-8 Gipfel“ durch. Deren Ergebnisse werden im Frühsommer 2008 als Buch erscheinen; s. unter: www.dju-bayern.de.
[3] Mecklenburg-Vorpommern, Innenministerium: Pressemitteilung Nr. 71 v. 28.6.2007
[4] beispielhaft: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,486280,00.html
[5] NDR-online v. 6.6.2007, 11.35 Uhr, www1.ndr.de/nachrichten/g8/verletztenzahl2.html
[6] siehe Kavala-Pressemitteilung Nr. 77 v. 5.6.2007, also vom darauf folgenden Tag
[7] Deren Existenz hat die Polizei über 36 Stunden lang geleugnet – auch auf ihren Pressekonferenzen. Erst in Pressemitteilung Nr. 90 v. 8.6.2007 wird der Einsatz eines Zivilbeamten an der Galopprennbahn „gegen 19 Uhr“ am 6. Juni bestätigt.
[8] „Kavala“-Pressesprecher Ulf Erler erklärte gegenüber der Stuttgarter Zeitung v. 13.6.2007, „es war wohl eher ein Haushaltsreiniger“. Tatsächlich handelte es sich um Seifenblasen, gegen die einige PolizistInnen allergisch waren. Der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder Jürgen Schubert sagte am 20. Juni 2007 vor dem Innenausschuss des Bundestages, es seien zu keinem Zeitpunkt „deutliche Gewalttätigkeiten“ von der Clownsarmee ausgegangen.
[9] vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Ströbele u.a. BT-Drs. 16/7221 v. 15.11.2007
[10] http://de.indymedia.org/2007/07/187854.shtml