Am 6. Oktober 2007, zwei Wochen vor den nationalen Wahlen, kam es in der Altstadt von Bern zur Blockade eines Marsches der Schweizerischen Volkspartei und zu Ausschreitungen. Ein Beispiel für polizeiliche Medienarbeit in schwierigen Zeiten.
Mit einem Stimmenanteil von 29 Prozent etablierte sich die Schweizerische Volkspartei (SVP) bei den Wahlen im Oktober als stärkste Partei des Landes. Sie verdankt diesen Erfolg zu großen Teilen dem Multimilliardär und umstrittenen Justizminister Christoph Blocher, der die einst gemäßigte Partei der Bauern und des Kleinbürgertums zu einem schlagkräftigen rechtspopulistischen Apparat geformt hat. Wirtschaftspolitisch verfolgt die SVP einen stramm neoliberalen Kurs. Sie versteht es jedoch seit Jahren, mit ihren Kernthemen – der Ablehnung eines schweizerischen EU-Beitritts und der „Überfremdung“ – die Unsicherheit in der Bevölkerung in Wählerstimmen umzumünzen. Medien, Polizei und „Schwarze Schafe“ – Das mediale Doppelleben eines Protesttages in Bern weiterlesen →
Die kurzen Literaturhinweise zum Thema „Staatsgewalt und Medien“ könnten gut mit einem Hinweis auf die „Polizeidienstvorschrift (PDV) 100“ eingeleitet werden. Aber die PDV und das sie erläuternde „Handbuch für Führung und Einsatz der Polizei“ sind „ausschließlich für den Dienstgebrauch durch die Polizei bestimmt“ und deshalb nicht öffentlich zugänglich. Wäre dem nicht so, so könnten Interessierte nachlesen, dass das Ziel polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit darin besteht, „durch gezieltes Einwirken auf die Öffentlichkeit bzw. auf die öffentliche Meinung polizeiliches Handeln zu unterstützen“. Sie soll „initiativ, aktuell, zielgruppenorientiert und konzeptionell gestaltet werden“; „polizeiliches Verhalten soll transparent gemacht werden, wenn dadurch die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet oder unvertretbar erschwert wird“; für die Öffentlichkeit bedeutsame Informationen „sind den Medien möglichst gleichzeitig, im gleichen Umfang und auch ohne gezielte Anfrage bekannt zu geben“; und ausgeschlossen von der Weitergabe werden „wesentliche“ taktische und technisch/organisatorische Maßnahmen und solche Informationen, die Personen oder die „Bewältigung von Aufgaben“ gefährden könnten. Ersichtlich ist an diesen wenigen Zitaten, dass genügend Alternativen vorgegeben sind, um im Ernstfall von Transparenz und umfassender Information abzuweichen. Literatur weiterlesen →
Während der Bundesnachrichtendienst Journalisten in seine Spitzeleien einbettet, macht die Bundesregierung mit neuen Überwachungsinstrumenten und Drohungen mobil gegen diejenigen, die sich partout nicht in dieses Bett legen wollen.
Der „eingebaute Journalist“ wurde zum festen Begriff, seit die US-Regierung im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitung gegen den Irak beschloss, ausgewählte zivile Berichterstatter in militärische Einheiten „einzubetten“, damit diese die Heimatfront quasi in Echtzeit vom Geschehen an der Hauptkampflinie informieren konnten. Das Bild der „embedded journalists“ prägte jene Beiträge, mit denen die TV-Sender auch hierzulande über ihre mehr oder weniger bekannten Reporter berichteten, die sich bei der Bundeswehr oder bei privaten paramilitärischen Dienstleistern auf den Fronteinsatz vorbereiteten. Später sah man sie dann aus dem Irak berichten mit griffbereiter ABC-Maske, angelegter Splitterschutzweste und aufgesetztem Stahlhelm. Die beiden letzten Ausrüstungsgegenstände waren meist blau gefärbt und somit gut sichtbar. Eine unendliche Skandalgeschichte – Die „embedded journalists“ der Geheimdienste weiterlesen →
ReporterInnen verlangen von polizeilichen Pressestellen Transparenz sowie genaue und aktuelle Information – auch dann, wenn es um das Innenleben des Apparates geht.
Eine Journalistin einer überregionalen Tageszeitung hatte vor nicht all zu langer Zeit ein Erlebnis der besonderen Art mit der Pressestelle des Bundeskriminalamtes (BKA). Nach einer Anfrage zu einer eventuellen Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus musste sie zu ihrer Überraschung feststellen, dass das Amt sie plötzlich als mögliche Zeugin führte. In der BKA-Pressestelle hatte man über ihren inhaltlich detaillierten Fragenkatalog ein Protokoll angefertigt und dieses an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet. Dies war eher ungewöhnlich, zeigt jedoch auf bizarre Art das Spannungsverhältnis zwischen Polizei und Medien. Mal so, mal anders – Erfahrungen mit Polizei-Pressestellen weiterlesen →
Mit der einstimmigen Annahme im Verfassungsausschuss des Senats am 1. August 2007 hat das neue italienische Geheimdienstgesetz die letzte parlamentarische Hürde genommen. Es soll für eine stärkere politische Kontrolle der Dienste sorgen und die schier unendliche Serie von Skandalen beenden.[1]
Diese Serie war in der Tat lang. Die italienischen Geheimdienste hatten sich an Entführungsaktionen der CIA beteiligt; sie hatten Gerichtsverfahren manipuliert; sie hatten PolitikerInnen, Geschäftsleute, NGOs, AnwältInnen und RichterInnen illegal überwacht und umfangreiche Dossiers über sie angelegt; sie hatten Falschinformationen in den Medien platziert und Journalisten als V-Leute eingesetzt. Im Zentrum der Skandale stand der militärische Geheimdienst SISMI und dessen im November 2006 abgesetzter Direktor Nicolò Pollari, der derzeit wegen der Entführung von Abu Omar vor Gericht steht.[2]Vom Dauerskandal zum Gesetz – Reform des italienischen Geheimdienstrechts weiterlesen →
von Ulrike Donat, Michael Backmund und Karen Ullmann
Großeinsätze prägen das öffentliche Bild der Polizei. Diese hat daher ein starkes Interesse, ihre Arbeit in einem guten Licht zu präsentieren. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm betrieb sie eine intensive Pressearbeit – Falschmeldungen inklusive.
Dass die Polizei im Zusammenhang mit großen Demonstrationen eine eigene offensive Pressearbeit betreibt, ist ein relativ neues Phänomen, dessen Geschichte an den Protesten gegen die Castor-Transporte seit 1995 nachvollzogen werden kann. Im Wendland waren es zunächst die Widerstandsgruppen wie die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die von Beginn an eine erfolgreiche situationsbezogene Öffentlichkeitsarbeit leisteten: mit einem Pressewagen, mit Hintergrundberichten und täglichen Pressekonferenzen, durch ständige Erreichbarkeit für JournalistInnen, durch AnsprechpartnerInnen bei Aktionen und ab 1997 durch einen „Castor-Ticker“, der online in kurzen Abständen mit aktuellen Meldungen über das Protestgeschehen informierte. Gipfel der Lügen – Polizeiliche Desinformationspolitik bei Demonstrationen weiterlesen →
03.07.: Bundespolizei kommt nach Potsdam: Das neue Präsidium der Bundespolizei wird laut Knut Paul, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft, in einem Neubau in Potsdam unterkommen.
04.07.: Zivilfahnder wird angeklagt: Laut Bericht des Dezernats für Interne Ermittlungen der Hamburger Polizei hat ein 50-jähriger Zivilfahnder, der am 26.6. bei einer Polizeikontrolle einen unbewaffneten Rumänen erschoss, fahrlässig gehandelt. Es soll Anklage erhoben werden. Chronologie weiterlesen →
Gerade vor dem Hintergrund des neuen globalisierten Anti-Terrorismus müsste es selbstverständlich sein, dass die Geschichte des „Terrorismus“ (hier: des „alten“, bundesdeutschen, der RAF) zureichend nur verstanden werden kann, wenn die Entwicklung des staatlichen Gewaltmonopols mitgedacht wird.
Die Gedenkjahre kommen in verkehrter Reihenfolge daher: Kaum haben wir den dreißigsten Geburtstag des Deutschen Herbstes von 1977 und seiner Schrecken hinter uns, da rollt der vierzigste der studentenbewegten, tumultösen Ereignisse des Jahres 1968 (die eigentlich ein Jahr zuvor begannen) auf uns zu: 1967 bis 1977 – ein bundesdeutscher Schüttelrost: Der „CDU-Staat“ wurde am Beginn von der Großen Koalition aufgehoben (1966-1969) und vom sozialliberalen Wechselbad abgelöst (1969-1982). Mitten in neuer, kontinuierlich, diskontinuierlich verknäuelter Großer Koalition werden die verblichenen „68er“ und werden ihre utopisch-ruinösen Zeiten medial politisiert. Dreißig Jahre Deutscher Herbst – „Die RAF und der linke Terrorismus“ – eine Rezension weiterlesen →
Eine abschüssige Wiese bei Hinter Bollhagen, vor dem Westtor jenes Zauns, der Heiligendamm und seine G8-Gipfelherrlichkeit umschließt; es ist Donnerstag, der 7. Juni 2007, 18.10 Uhr: „Achtung: Eine Durchsage an die Vertreter der Medien. Sie haben jetzt die letzte Möglichkeit, den Bereich polizeilicher Maßnahmen zu verlassen … Sie gefährden sich selbst und behindern die polizeiliche Arbeit.“ Die Botschaft der Polizei ist klar. „Ihr JournalistInnen, vor allem Ihr Kameraleute, verschwindet. Wir wollen nicht die ‚falschen‘ Bilder in der Zeitung oder im TV sehen.“ Kurz darauf beginnt der Einsatz von neun Hochdruck-Wasserwerfern.
Der G8-Gipfel 2007 war ein Lehrstück über das Verhältnis von Polizei und Medien: Tagelang hat es die Polizei geschafft, ihre Bilder und Deutungen der Proteste in den Medien durchzusetzen. Selten hat sie eine so effiziente Pressearbeit betrieben – Falschmeldungen inklusive. Erst am Ende der Woche war es ein Teil der Medienschaffenden leid, belogen und betrogen zu werden. Redaktionsmitteilung weiterlesen →
Wenn es um Polizei und Medien geht, fällt regelmäßig der Ausdruck „Spannungsverhältnis“. Was sich dahinter verbirgt, wurde 2007 exemplarisch deutlich: systematische polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit rund um den G8-Gipel auf der einen, Strafverfahren gegen und Überwachung von JournalistInnen auf der anderen Seite. Dieser Spagat hat System.
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Medien als der eigentliche Gegner der Exekutive galten. Eine eigene und aktive Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, gehört mittlerweile zum Standard jeder gut geführten Behörde. „Öffentlichkeitsarbeit“, so heißt es in der verbindlichen Polizeidienstvorschrift 100, „dient dazu, polizeiliches Handeln für die Öffentlichkeit transparent und verständlich zu machen“. Und selbst die Geheimdienste haben erkannt, dass sie sich keinen Gefallen tun, wenn sie sich hinter den Zäunen ihrer Dienstsitze verstecken und ansonsten auf die geheime Natur ihrer Tätigkeit verweisen. „Öffentlichkeit“ ist zu einer Ressource modernen Behördenhandelns geworden: Sie verspricht Legitimation, Unterstützung und Akzeptanz. Freund und Verfolger – Methoden und Mechanismen staatstragender Medienarbeit weiterlesen →
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