Die EinwohnerInnen von Davos müssen sich nicht nur auf die BesucherInnen des World Economic Forum WEF gefasst machen, sondern auch auf die Präsenz Tausender bewaffneter Sicherheitskräfte.
Vom 23.-26. Januar 2018 findet die Jahrestagung des WEF in Davos statt. Bereits in der zweiten Januarwoche hat die Armee mit der Vorbereitung ihres Einsatzes begonnen. 341 Soldaten seien schon da, meldete das Verteidigungsministerium (VBS) am 12. Januar. Maximal 5000 können für den Dienst beim WEF aufgeboten werden, hatte das Parlament 2015 entschieden. Die Luftwaffe wird den Himmel über Davos überwachen – und weil die Grenze so nahe ist, wird sie das in Zusammenarbeit mit ihrem österreichischen Pendant tun. Am Boden werden Milizsoldaten für Sanitätsdienst, Objektschutz und Verkehrsregelung eingesetzt, Berufssoldaten für Personenschutz und Zutrittskontrollen. Die Truppe ist bewaffnet und verfügt über Polizeibefugnisse. Die Soldaten können also Personen anhalten, durchsuchen, festnehmen und dabei gegebenenfalls auch Zwang anwenden.
Die Armee leistet einen «Assistenzdienst» für die zivilen Behörden des Kantons, der «Ordnungsdienst», also der Umgang mit eventuellen Demonstrationen, ist Sache der Polizei. Und auch die Gesamteinsatzleitung für die Sicherung des WEF liegt beim Kommando der Bündner Polizei. Sie erhält Unterstützung von «Polizisten aus allen Kantonen», wie Pressesprecher Markus Walser sagt. Wie viele BeamtInnen an diesem «Interkantonalen Polizeieinsatz» beteiligt sein werden, bleibt wie üblich unter dem Deckel der Verschwiegenheit: «Darüber machen wir keine Angaben».
Hinzu kommen Bodyguards ausländischer PolitikerInnen. Allein US-Präsident Donald Trump bringe 600 Sicherheitsleute mit, meinte die NZZ am Sonntag. Sie müssen sich beim Bundesamt für Polizei (fedpol) anmelden, das ihnen dann das Tragen einer «Faustfeuerwaffe» genehmigt. Das sei so üblich, sagt fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu.
Festung Davos
Schon seit vielen Jahren verwandelt sich der einstige Kurort für Lungenkranke zu den Jahrestagungen des WEF in eine Festung. Rund um die Hotels gibt es «Sicherheitszonen», zu denen «nur die Polizei und die beauftragten Sicherheitsorgane» sowie «legitimierte Personen» Zutritt haben. Zu den «Vorbereitungen in beinahe unvorstellbarem Ausmasse», die Armeeangehörige verrichten, gehört denn auch, «Tonnen von mannshohen Absperr-Gittern und Zäune … über Kilometer hinweg» zu errichten. «Unzählige Rollen an Stacheldraht werden verlegt – eine logistische Herausforderung», rühmt der Nutzer mit dem Kürzel «jpe» auf dem Blog, den die Armee für die am WEF beteiligten «Sicherheitskräfte» eingerichtet hat. «Die Zäune stellen dabei mehr als nur eine Abriegelung dar: Sie bilden zusammen mit den Sicherheitsposten und Kameras ein abgestimmtes, sicherheitstechnisches System zum Schutz der WEF-Teilnehmenden und der Einsatzkräfte.»
Bereits seit dem 1. Januar gelten die Zugänge nach Davos sowie das gesamte Gemeindegebiet als «Kontroll- und Durchsuchungszone». In der Anordnung der Kantonspolizei heisst es: «Personen, die die Kontroll- und Durchsuchungszonen betreten oder sich darin aufhalten, sind verpflichtet, jederzeit ihre Personalien bekannt zu geben. Bei Weigerung kann eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt werden.» Menschen, die nach Davos kommen oder sich dort aufhalten, sind ferner «verpflichtet» jederzeit eine Durchsuchung über sich ergehen zu lassen – nach «Gegenständen, von denen eine Gefahr ausgeht oder die missbräuchlich verwendet werden können».
Demos in Davos?
Anders als in Deutschland müssen Demonstrationen und Kundgebungen in der Schweiz nicht nur angemeldet werden. Es braucht vielmehr eine Bewilligung für diesen «gesteigerten Gemeingebrauch». Davon ausgenommen sind Spontandemos, für die im Normalfall eine Anmeldung ausreicht. Das WEF stellt jedoch keinen Normalfall dar. «Jegliche Kundgebungen, künstlerische Darstellungen oder Strassentheater auf öffentlichem oder im Gemeingebrauch stehenden Grund bedürfen einer Bewilligung», heisst es in einer Anordnung der Gemeinde Davos.
Die Behörden seien zwar auch dieses Jahr bereit, Bewilligungen zu erteilen, schreibt der WEF-Ausschuss des Kantons Graubünden in seinen FAQs, aber «Voraussetzung bleibt, dass die notwendigen Auflagen zum Schutz von Menschen, Infrastruktur und Gebäuden eingehalten werden.» Unbewilligten Demos und sonstigen Rechtsbrüchen werde man mit der bewährten 3D-Strategie (Dialog, Deeskalation, Durchgreifen) entgegentreten.
Wer an einer Demo gegen das WEF in Davos teilnehmen will, wird sich aber nicht nur mit einer Serie von Auflagen konfrontiert sehen. Die geografische Lage von Davos erlaubt es, alle potenziellen TeilnehmerInnen auf dem Zufahrtsweg im Landwassertal einer Kontrolle zu unterziehen. Dass die Polizei es mit der «Kontroll- und Durchsuchungszone» ernst meint, hat sie bereits vor 15 Jahren bewiesen. Im Januar 2003 bestand sie darauf, dass sämtliche Personen, die zu der bewilligten Demonstration in Davos wollten, in Fideris aus dem Zug der Rhätischen Bahn aussteigen und eine «Schleuse» passieren sollten, an der man die Unerwünschten aussortiert hätte. Das Oltner Bündnis weigerte sich zu Recht. Nachdem in den Jahren zuvor die Demos in Davos verboten waren, wurde die von 2003 verunmöglicht. In den Jahren danach versuchten es die Bewegten daher jenseits der Festung Davos und trafen auch dort auf Verbote und massive Polizeieinsätze.
Die Unerwünschten
Die Frage, wie die Polizei denn «Gewaltbereite», denen man den Weg nach Davos verstellen wollte, erkennen würde, stand nicht nur 2003 zur Debatte. Wie der «Botschaft» des Bundesrates (der Landesregierung) zur Unterstützung des Kantons Graubünden bei den Sicherheitsmassnahmen beim WEF zu entnehmen ist, betreibt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) für die beteiligten Sicherheitsorgane einen Nachrichtenverbund zu «sicherheitsrelevanten Aktivitäten und Erkenntnissen». Ob er der Polizei auch eine Liste unerwünschter Personen oder einen entsprechenden Datenbestand zur Verfügung stellt, will dessen Sprecherin Isabelle Graber nicht verraten. Im Fahndungssystem Ripol ausgeschrieben werden jedoch die Einreisesperren gegen «registrierte gewaltbereite ausländische WEF-Gegnerinnen und –gegner». Diese werden vom Bundesamt für Polizei (fedpol) verfügt, der NDB wird zuvor «angehört».
Sowohl der NDB als auch das fedpol dürften entsprechende Personendaten von ihren «Partnern» im Ausland erhalten. Der Geheimdienst macht keine Angaben über die Kanäle, die er dazu nutzt. Das fedpol verweist auf die Verbindungen zu seinen Schengen-Partnern. Die «Police Working Group on Terrorism», über die das deutsche Bundeskriminalamt anlässlich des Hamburger G20-Gipfels einen Grossteil seiner Informationen erhielt, spiele für das fedpol praktisch keine Rolle.
Die seit dem Schengen-Beitritt der Schweiz ausgesetzten systematischen Grenzkontrollen werden anlässlich des WEF nicht wieder eingeführt. Allerdings ist laut fedpol-Sprecherin Musliu mit einer «erhöhten Präsenz» der Polizei an den Grenzen zu rechnen.
Und die Kosten?
Der Assistenzdienst der Armee kostet 29 Mio. Franken, die das Verteidigungsministerium aus seiner Kasse bezahlt. Die übrigen Kosten für die Sicherheit des WEF belaufen sich auf neun Mio Franken. Von denen wiederum drei Mio. vom Bund berappt. Der Rest entfällt auf den Kanton Graubünden, die Gemeinde Davos und das WEF selbst.
Das betrifft aber nur den Einsatz in und um Davos. Die Einsätze gegen die Anti-WEF-Demos an anderen Orten der Schweiz müssen von den jeweiligen Städten und Kantonen selbst bezahlt werden. Die Berner Behörden haben deshalb schon mit dem Jammern begonnen.