Auch das Schengener Informationssystem (SIS II) verfügt jetzt über ein System zur Identifizierung von Personen mithilfe von Fingerabdrücken. Nach zweijähriger Probezeit wurde das „Automatic Fingerprint Identification System“ (AFIS) am Montagabend von der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-LISA ) freigeschaltet. Das zentral angelegte „Fingerabdruckidentifizierungssystem“ ist beispielsweise im Rahmen einer Polizeikontrolle durchsuchbar. Jeder neu in der Fahndungsdatenbank eingespeicherte Abdruck wird außerdem mit den vorhandenen daktyloskopischen Daten abgeglichen. So sollen die allgemeine Kriminalität, aber auch der Missbrauch von Identitäten bekämpft werden.
SIS II mit neuen Funktionen
Die Installation eines AFIS war erst durch die 2013 eingeführten neuen Funktionen des SIS II möglich. Nach jahrelangen Vorbereitungen können in der größten europäischen Polizeidatenbank Anhänge gespeichert werden. Hierzu gehören auch Fingerabdrücke. Die Arbeiten bauen außerdem auf einer Studie auf, die von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission durchgeführt wurde. Als externe Beraterin hatte sich auch die Abteilung Identifikation und Biometrie des Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung daran beteiligt. Hospitationen erfolgten bei verschiedenen Innenministerien und polizeilichen Forensik-Abteilungen, beim US-Heimatschutzministerium und dem FBI, dem Bundeskriminalamt und dem niederländischen Verteidigungsministerium.
Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Technologie zur Identifizierung mittels Fingerabdrücken verfügbar und in das SIS II integrierbar ist. Derzeit ist der Bestand mit 97.000 Fingerabdrücken im SIS II vergleichsweise gering, die Zahl dürfte jedoch mit der neuen AFIS-Funktionalität rapide zunehmen. Im deutschen AFIS, das beim BKA geführt wird, waren 2015 3,2 Millionen qualitativ hochwertige Datensätze sowie 422.000 latente Fingerabdruckspuren ungeklärter Kriminalfälle gespeichert. Ein Identitätsabgleich dauert dort bis zu 5 Minuten.
Daten in neuer Formatierung
Sämtliche Zeitpläne zur Umsetzung des AFIS seien eu-LISA zufolge eingehalten worden. Die teilnehmenden Staaten mussten beispielsweise zur Migration auf das AFIS alle Fingerabdrücke, die bereits im SIS II eingestellt waren, an ein neues Format anpassen und erneut abspeichern. Dieser Prozess sollte im Januar abgeschlossen gewesen sein.
Unklar ist, auf welche Weise die Fingerabdrücke im SIS II auch bei der Bearbeitung von Visaanträgen abgefragt oder im Rahmen der Fingerabdruckdatenbank EURODAC abgeglichen werden. Technisch wäre dies möglich, die Studie der Kommission hatte dies auch empfohlen. EURODAC enthielt in 2016 rund 4,5 Millionen Fingerabdruck-Datensätze, im Visumssystem (VIS) sind rund 20 Millionen weitere Fingerabdruck-Datensätze gespeichert. Bei EURODAC und VIS liegen die Fingerabdrücke ebenfalls in AFIS-Systemen. Auch Interpol und Europol betreiben ein AFIS.
AFIS als Basis für neue Superdatenbank?
In einer ersten Phase wird die neue Fingerabdruck-Funktionalität im SIS II von jenen zehn Schengen-Mitgliedstaaten genutzt, die mit eu-LISA bereits in der Pilotphase eng zusammengearbeitet haben. Genannt werden Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Lettland, die Niederlande, Polen, Portugal und Slowenien. In einer zweiten Phase sollen bis 2019 weitere Länder folgen.
Die AFIS-Systeme von EURODAC, VIS und SIS II könnten zukünftig als Basis für den Ausbau europäischer Datenbanken dienen. Die Kommission will ein „Gemeinsames System zum Abgleich biometrischer Daten“, einen „Gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten“ und einen „Multiple-identity Detektor“ mit Personendaten und Fingerabdrücken einrichten, die ebenfalls von eu-LISA verwaltet würden. Die bei der Agentur bereits vorhandenen Datenbanken zu „Reisen, Migration und Sicherheit“ würden dem neuen System untergeordnet. Dies beträfe zunächst die Trias von SIS II, VIS und EURODAC. Später könnte das ebenfalls geplante Ein-/Ausreiseregister hinzukommen.