von Eva Brauer
Seit nunmehr 40 Jahren gehören Frauen zum Bild der deutschen Polizei. Dennoch ist Männlichkeit in der Polizeikultur auffallend persistent. Eine Analyse institutioneller Raumproduktionen liefert Antworten auf die Frage, wie polizeiliche Maskulinität als konstitutiver Bestandteil der Polizei legitimiert wird.
Gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse verändern sich. Mit dem Einzug von Frauen steht der Wesenskern der Institution – ihr Charakter als männlich geprägte Domäne – unter zunehmendem Legitimationsdruck. Hier zeichnet sich jedoch eine Hartnäckigkeit des männlich konnotierten Verhaltensrepertoires in der institutionellen Struktur der Polizei ab. Für den deutschsprachigen Raum konstatiert Behr, dass die Cop Culture – also die gelebte Polizist*innenkultur in Abgrenzung zur offiziellen Polizeikultur, die sich z. B. in Leitbildern der Polizei zeigt – nach wie vor androzentrisch geprägt ist.[1] Die von ihm beschriebene polizeiliche Maskulinität drückt sich in Überlegenheitsgesten, Dominanz gegenüber einem ‚Gegner‘, Rigidität und der Produktion von ‚Siegern‘ und ‚Verlieren‘ entlang einer klaren Einordnung von Freund und Feind aus. Die Figur der Krieger-Männlichkeit oder auch aggressiven Männlichkeit ist im Rahmen der Cop Culture immer noch hegemonial und stellt somit nach wie vor das leitende Handlungsmuster dar.[2] Wie Kai Seidensticker in dieser Ausgabe aufzeigt, dienen Körperlichkeit und Stärke als vergeschlechtlichte Kapitalien, die als Ausgestaltung der aggressiven Männlichkeit und zugleich als wesentliche Bestandteile des Polizierens zu verstehen sind.
Im Gegensatz zu dieser informell gelebten Polizist*innenkultur begreift sich die offizielle Polizeikultur als geschlechterintegrativ. Gerade das in den 1990er Jahren erstarkte Leitbild der Bürgerpolizei passte weiblich konnotierte Eigenschaften und Verhaltensweisen in den Tätigkeits- und Aufgabenbereich der Polizei ein. Dieses Leitbild wird seit kurzer Zeit zunehmend in Frage gestellt und lässt hierbei einen Backlash erkennen: Die Polizei soll „gewaltfähiger“ werden und „körperliche Robustheit, Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit ausstrahlen“, so heißt es in zahlreichen medialen Darstellungen zum neuen Leitbild der Polizei NRW.[3]
Angesichts einer Transformation der Geschlechterordnung stellt sich die Frage nach den Legitimationsmustern einer (Re)Maskulinisierung der deutschen Polizei, die sich nicht ohne weiteres mehr mit der „Evidenz des Selbstverständlichen“[4] durchsetzen lässt. In welchem Rahmen bildet sich der Habitus einer aggressiven Männlichkeit innerhalb der Polizei aus, wenn doch zunehmend Frauen zum Bild der Polizei gehören?
Raum und Männlichkeit
Exklusive Männergemeinschaften, so der Geschlechterforscher Meuser, haben eine wesentliche Bedeutung für die Reproduktion des männlichen Habitus.[5] Um die Herstellung des männlichen Habitus zu erklären, leitet Meuser seinen Artikel mit einem Zitat von Pierre Bourdieu ein: Der (männliche Habitus) werde „konstruiert und vollendet … nur in Verbindung mit dem den Männern vorbehaltenen Raum, in dem sich, unter Männern, das ernste Spiele des Wettbewerbs abspielen“.[6] Als eine solche Männergemeinschaft beschreibt er die Polizei. Als wesentliche Bedingung zur Herstellung von Homosozialität setzt er die räumliche Separierung exklusiv-männlicher Sphären voraus, „d.h. die Konstitution von Orten, zu denen Frauen der Zutritt verwehrt bleibt“.[7] Da die Polizei, trotz des zunehmenden Frauenanteils und der geschlechterinkludierenden Außendarstellung nach wie vor eine männliche Domäne darstellt, stellt sich die Frage, wie Homosozialität hergestellt wird. Denn diese ist laut Meuser die Voraussetzung zur Herstellung des männlichen Habitus, wie der einer Krieger-Männlichkeit. Wie werden exklusiv männliche Räume geschaffen für die Perpetuierung einer Männlichkeitskultur? Meuser konzentriert sich auf die geschlechtlichen Herstellungspraxen in zwei Bereichen: innerhalb der eigenen Gruppe und in der Abgrenzung generalisierter Anderer. Durch diese Fokussierung wird die Dimension des Raumes aus der Untersuchung zur Herstellung von Männlichkeit größtenteils ausgeklammert. Dies gilt auch für andere Arbeiten, die die Herstellung von Geschlecht innerhalb der Polizei untersuchen.[8] Meine These lautet, dass Geschlecht und damit die Herstellung von Männlichkeit in der Polizei erst durch die Wechselwirkung mit Raum ihre Gültigkeit erfährt und die institutionelle Konstitution von Raum im Umkehrschluss vergeschlechtlicht ist. Um dieser These nachzugehen, werde ich – nach einer Klärung des Raumbegriffs und einer Einordnung der Polizei als räumliche Organisation – auf der Grundlage eigener empirischer Daten Momente einer wechselseitigen Konstitution von Raum und Geschlecht aufzeigen.
Die Polizei als raumproduzierende Institution
Den Spatial Turn in den Sozialwissenschaften der 1990er Jahre begleitet eine zunehmende Auseinandersetzung mit relationalen Raumtheorien. Diese grenzen sich von der Idee eines Containerraums, also Räumen als bloße physisch-materielle Gegebenheit, in der sich Soziales lediglich „abspielt“, ab. Raum wird als Produkt – symbolischer wie materieller – sozialer Praxen verstanden. D.h. wenn etwa Suburbia als Ort bürgerlicher Frauen und die Banlieue als Ort migrantischer Unterschichtsmänner gilt, dann verweist dies nicht nur auf gesellschaftliche Verhältnisse, sondern leitet auch (polizeiliches) Handeln in diesen Räumen an. Pierre Bourdieu hat analytische Konzepte bereitgestellt, welche es ermöglichen, Räume hinsichtlich Macht und Privilegien zu analysieren. Er betont, dass die symbolischen, sozialen und physischen Elemente des Raumes (Topologische Trialektik) miteinander verwoben sind, also „alle sozialen und mentalen Strukturen räumliche Entsprechungen und Bedingungen ihrer Möglichkeiten haben“.[9] Zuschreibungen auf der Grundlage symbolischer Strukturen stellen hierbei „Waffen in den Auseinandersetzungen um die Schaffung und Durchsetzung der legitimen Weltsicht dar“.[10] Durch räumliche Zuschreibungen und Handlungsmuster werden nicht nur Räume produziert, sondern auch gesellschaftliche Verhältnisse wie Unter- und Überordnung (re)produziert. Im Fokus der folgenden an Bourdieu anknüpfenden Untersuchung stehen daher räumliche Zuschreibungen durch die Institution der Polizei und darauf basierende räumliche Praxen.
Räumliche Praxen verstehe ich als konstitutive Bestandteile des Polizierens. Denn als Instrument staatlicher Herrschaft bezieht sich die Polizei von vornherein auf ein definiertes Territorium. Die Polizei als Institution nimmt hierbei nicht bloß Bezug auf einen physisch begrenzten Raum – wie beispielsweise durch das Bestreifen bestimmter Gebiete. Vielmehr ist sie zugleich Produzentin von Raum.[11] Das heißt, sie bringt – z. B. im Rahmen von Polizeistatistiken und Lageberichten, aber auch entlang der alltäglichen Einsatzplanung – konkrete Örtlichkeiten mit bestimmten Problemen oder Personengruppen in Verbindung und produziert so z. B. „gefährliche Orte“.[12] Die Polizei greift hierbei auf institutionelle Wahrnehmungsmuster zurück. Ein negatives Image hat Auswirkungen auf das polizeiliche Auftreten und die Ausführung polizeilicher Maßnahmen. Auf der Grundlage symbolischer Stigmatisierungen fühlen sich Polizeibeamt*innen „bevollmächtigt, die Bewohner sozial schwacher Bezirke auf unhöfliche und brutale Weise zu behandeln“.[13] Institutionelle Raumwahrnehmungen und darauf aufbauendes räumliches Handeln konstituieren auf diese Weise den städtischen Raum. Diese institutionellen Raumkonstitutionen sind sowohl durch das staatliche Gewaltmonopol als auch durch personelle und materielle Ressourcen abgesichert. So können Maßnahmen in einem als kriminogen ausgewiesenen Bereich beispielsweise auch den Einsatz physischer Gewalt umfassen. Die Polizei wird somit als Institution verstanden, die Räume entlang polizeilicher Wahrnehmungsmuster, symbolischer Zuschreibungen und Handlungspraxen (re)produziert. Auf der Grundlage relationaler Raumkonzepte sollen im Folgenden die räumlichen Wahrnehmungsmuster und Handlungspraxen der Polizei aus einer strukturkritischen Perspektive heraus untersucht werden. Im Fokus steht dabei die Frage, inwieweit die Kategorie Geschlecht sich in der institutionellen Raumkonstitution widerspiegelt.
Raum und Geschlecht als soziale Praxis der Polizei
Im Rahmen des ethnographischen Forschungsprojektes KORSIT[14] konnten räumliche Wahrnehmungsmuster und Handlungspraxen innerhalb der Polizei identifiziert werden. Entlang von 300 Stunden teilnehmender Beobachtungen und 30 leitfadengestützten Interviews habe ich hierbei ein besonderes Augenmerk auf die sozialen Strukturkategorien (u. a. Klasse, Ethnie, Geschlecht) gelegt, die in Raumwahrnehmungen und räumlichen Handlungspraxen (re)produziert werden.[15] Im Rahmen dieser Erhebungen wurden verschiedene raumbezogene Muster ausgemacht. Eine, insbesondere für diesen Beitrag wesentliche Erkenntnis bestand in der Feststellung, dass Polizeibeamt*innen aktiv am Othering[16] von Räumen beteiligt sind. Neben vergeschlechtlichenden und kulturalisierenden Raumzuschreibungen erfolgt diese Produktion „anderer“, abgewerteter Orte u. a. durch Hierarchisierung von Einsatzbereichen.[17] Dieses Othering legitimiert polizeiliche Maskulinität und sichert eine hegemoniale Position gegenüber den Bewohner*innen und Kolleg*innen. Ich werde zunächst auf raumbezogene Zuschreibungen eingehen, um diese im Anschluss hinsichtlich sozial-räumlicher Positionierungen zu reflektieren.
Die polizeiliche Herstellung ‚anderer Räume‘
Die Reviergebiete Rosenberg-Süd und Rosenberg-Nord, wie sie hier unter einem Pseudonym genannt werden, erhielten durch die Polizeibeamt*innen konträre Zuschreibungen. Während Rosenberg-Süd als ein Gebiet beschrieben wurde, in dem „die Welt noch in Ordnung“ sei, in dem man „mit normalen Menschen“ zu tun hat, „mit denen man reden kann“, wurde das Reviergebiet Rosenberg-Nord als ein geradezu polizeifeindlicher Bereich konstituiert. Insbesondere wurde das Gebiet auf der Grundlage eines erhöhten Anteiles an „Ausländern“ charakterisiert. Hier müsse man „anders mit den Leuten reden, sonst verstehen die das nicht“. Die Stimmung dort sei „angespannter“ und „aggressiver“. Es wurde eine Atmosphäre beschrieben, in der es jederzeit zu „Tumultlagen“[18] kommen könne. Diese Zuschreibung hatte Einfluss auf die personelle Verteilung von Frauen und Männern in den jeweiligen Reviergebieten.
Während die geschlechtliche Verteilung im Reviergebiet Rosenberg-Süd nahezu ausgeglichen war, zeichnete sich die Dienstgruppe des Reviergebietes Rosenberg-Nord durch einen deutlich höheren Männeranteil (2/3) aus. Begründet wurde dies damit, dass „es mit einem gleich hohen Anteil von Frauen“ – vergleichbar dem der Dienstgruppe des Reviergebietes Rosenberg-Süd – „schwer werden würde“. Das Problem seien „die männlichen Ausländer“, die „generell keinen Respekt haben“ und „sich von Frauen Garnichts sagen lassen“. Die weiblichen Polizeibeamtinnen seien somit im Fall einer Tumultlage, die im Reviergebiet wahrscheinlich sei, mit männlichen Ausländern auf der Grundlage ihres Geschlechts eher fehl am Platz – oder zumindest auf die Unterstützung ihrer männlichen Kollegen angewiesen. Durch die oben genannten Zuschreibungen wird ein ‚anderer Raum‘ geschaffen, in welchem die Krieger-Männlichkeit authentisch gelebt werden kann und die geschlechtsbezogene Praxis als ortsspezifische Eignung ihre Passung findet.
Ein hierfür wichtiges Motiv liefert die Verortung von ‚frauenverachtenden Ausländern‘. Die Polizeibeamt*innen kreieren entlang dieser Figur in dem Reviergebiet einen zivilisatorischen Auftrag, der Vergleiche zum Imperialismus zulässt. Dabei gilt es, die ‚westliche Zivilisation‘, die in der Gleichberechtigung von Mann und Frau ihren Ausdruck findet, zu verteidigen. Der zivilisatorische Auftrag im Reviergebiet Rosenberg-Nord zeigt sich in einzelnen Situationen, in denen es den männlichen Polizeibeamten „einen extremen Spaß macht“ – als eine Form der Machtdemonstration – die Kommunikation mit dem polizeilichen Gegenüber zu verweigern und explizit auf die weibliche Kollegin zu verweisen („Was willst du von mir? Da ist die Kollegin.“). Es wird betont, dass man „in Deutschland“ sei und man hier „auch mit Frauen zu sprechen hat“. Dabei werden aufbauend auf kolonialen Narrativen Fronten entlang von Reviergrenzen konstituiert, welche einen rigiden, z. T. gewaltförmigen räumlichen Handlungsstil legitimieren. Im Namen der Gleichberechtigung wird ein Zusammentreffen einer kulturalisierten männlichen Bewohnerschaft mit den ‚zivilisierten‘ männlichen Polizisten (re)inszeniert. Connell konstatiert, dass mit „den Definitionen von ‚Männlichkeit’ (als von Vernunft geprägte Charakterstruktur) und ‚westlicher Zivilisation’ (die ihre Vernunft in die rückständigen Teile der Welt hinausträgt) … eine kulturelle Verbindung geschaffen wurde zwischen der Legitimation des Patriachats und der Legitimation des Imperialismus.“[19] Die gesellschaftlich hegemoniale Männlichkeit ist die jeweils „akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats“ und gewährleistet gleichsam „die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen“.[20] Hegemoniale Männlichkeit zeigt sich hier in der Gestalt des Polizeibeamten, der sich für die Gleichstellung seiner Kollegin[21] gegenüber den als frauenfeindlich charakterisierten Bewohnern des Reviergebietes Rosenberg-Nord einsetzt. In diesem Zusammentreffen wird, abgesichert durch das staatliche Gewaltmonopol, eine kulturelle Dominanz gegenüber der hierbei untergeordneten, ethnisierten Männlichkeit der Bewohner hergestellt. Die Unterordnung der Frau bleibt gleichsam durch die Reartikulation vergeschlechtlichter Kapitalien (siehe Seidensticker in dieser Ausgabe) gesichert. Dabei wird die durch Behr skizzierte kulturelle Dominanz der Krieger-Männlichkeit durch den zivilisatorischen Auftrag der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit nicht relativiert, sondern vielmehr im ‚Kampf für das Gute‘ gefestigt und reaktiviert. Solche polizeilichen Inszenierungen von Männlichkeit erfahren ihre Legitimierung durch die Schaffung von Kampfarenen in Form gefährlicher oder aktuell um das ‚deutsche Kulturgut‘ gefährdeter Reviergebiete.
Räumliche Positionierungen
Entlang der oben genannten räumlichen Zuschreibungen („heile Welt“ versus „Problemviertel“) findet zudem eine Hierarchisierung der Einsatzgebiete statt. Das Reviergebiet Rosenberg-Nord sei dasjenige, in dem die „Action“ stattfindet – also die „echte Polizeiarbeit“. [22] Schon die Ausbilder*innen prägen dieses Bild vom „harten“ Reviergebiet mit vielen Tumultlagen, bei denen sich eine Männergruppe entweder gegen eine andere Gruppe oder aber gegen die Polizei richtet. Die Einsatzlage ‚Tumult‘ ist stark mit Körperlichkeit verknüpft. Es geht um die Herstellung von Dominanz, um die Kontrolle der Situation und des Raumes. Tumultlagen stellen somit die oben genannten ernsten Spiele des Wettbewerbs nach Bourdieu dar. Sie sind ein zentraler Teil der Aktivitäten, in denen sich der männliche Habitus ausformt. Entsprechend der Ausführungen Meusers wirken solche ‚Spiele‘ der „Distinktion in zwei Richtungen: gegenüber anderen Männern, die unterlegen sind oder sich dem Kampf verweigern, und gegenüber Frauen, die von den Kämpfen der Männer ausgeschlossen sind“.[23] Die Polizeibeamten, die sich der Gefahr einer Tumultlage aussetzen, die die körperliche Auseinandersetzung und die Gewalt nicht scheuen, stehen in dieser Logik hierarchisch über den Polizeibeamten des Reviergebietes Rosenberg-Süd, in dem ein ‚serviceorientierter Stil‘ vorherrscht. „Die Konfrontation mit einem überlegenen Gegner“, so Meuser sei eine „bereitwillig genutzte Gelegenheit, ‚seinen Mann zu stehen’“.[24] Die Gefährlichkeit, Anzahl und Stärke des Gegners spiegeln gleichsam den Mut und die Stärke derer wider, die sich diesen entgegenstellen. Tumultlagen, die derzeit im erweiterten Kontext des Phänomens Clan-Kriminalität behandelt werden, lassen sich in eine Traditionslinie polizeilicher Auseinandersetzungen mit männlich dominierten Gruppierungen (Rocker-Banden, Hooligans, Linke usw.) einordnen.[25]
Die räumliche Zuordnung von solchen Einsatzlagen hat auf die angehenden Polizeibeamt*innen je nach Geschlecht unterschiedliche Wirkung. Weibliche Beamtinnen schilderten mir die Ängste, die mit dem Einsatz im Reviergebiet Rosenberg-Nord einherging. Die Beamtinnen berichteten mir, dass sie das Gefühl hatten, dass dieses Reviergebiet „nichts für sie sei“ oder sie „nicht hart genug“ seien bzw. „tougher werden“ müssten. Wer als männlicher Polizeibeamter hingegen das Reviergebiet Rosenberg-Süd als möglichen Einsatzort für sich wählt, wird innerhalb der Gruppe der Anwärter*innen als jemand bezeichnet, der „nicht arbeiten will“. Die Reviergebiete unterliegen hierbei vergeschlechtlichten Interpretations- und Einteilungsprinzipien, die dem männlichen Prinzip in einer hierarchischen Struktur die höhere Position zuweisen. In dieser spezifischen Konstitution liefert das Reviergebiet ein positives männliches Identitätsangebot. Dabei sind es nicht die vorherrschenden Bedingungen, die eine Performanz der Krieger-Männlichkeit erforderlich machen. Viel eher produziert die institutionelle Konstitution des Reviergebietes das geschlechtsspezifische Identitätsangebot mit.
Männliche Beamte aus dem Reviergebiet Rosenberg-Süd sind von dieser räumlich organisierten Inszenierung hegemonialer Männlichkeit größtenteils ausgeschlossen. Sie beschreiben, wie sie vehement versuchen, gegenüber Kollegen aus dem Reviergebiet-Nord einen ebenbürtigen Einsatzwert zu behaupten („auch wir hier haben Kloppereien und machen Überstunden“). Weibliche Beamte, die dem Gebiet Nord zugeordnet sind, können aufgrund ihres Geschlechts nicht am hegemonialen Status partizipieren. Ganz im Gegenteil wird ihnen ein positives Identitätsangebot verwehrt. Einerseits auf die Rolle der passiven, zu beschützenden Frau verwiesen, müssen sie doch andererseits dem, auf der Grundlage der räumlichen Konstitution vorausgesetzten Typus der Krieger-Männlichkeit entsprechen, mithin zu „Mannsweibern“ werden. Dieser Rollenspagat ist kaum zu bewerkstelligen. Eine Beamtin aus dem Reviergebiet Rosenberg-Nord berichtet, dass sie als Frau keine Probleme mit dem polizeilichen Gegenüber hat. Viel eher seien es die männlichen Kollegen und Vorgesetzten, die den Frauen die Arbeit erschwerten. So würden Frauen etwa von Vorgesetzten nicht zu einem Einsatz geschickt, mit Worten wie: „nicht, dass die dann gleich Pipi in den Augen hat“. Die Interviewte betont daher: „Von der Einsatzlage ist es hier nicht unmöglich als Frau zu arbeiten. Es wird nur unattraktiv gemacht. Das kommt von Innen und weniger von Draußen.“
Fazit
Um die Frage zu beantworten, wie eine (Re)Maskulinisierung der deutschen Polizei – angesichts eines zunehmenden Anteils von Frauen legitimiert wird, wurde das Zusammenspiel von institutionellen Raum- und Männlichkeitsproduktionen analysiert. Symbolische Zuschreibungen, die den Raum adressieren, führen zur Ausweisung männlich konnotierter Räume. Die raumbezogene Zuschreibung ‚frauenverachtender Ausländer‘ ermöglicht auf der Grundlage der Konstruktion eines moralischen Auftrages zur Zivilisierung dieser Ausländer eine Reartikulation der polizeilichen Krieger-Männlichkeit. Diese zeigt sich in der Ausformung des Polizeibeamten, der für die Gleichstellung seiner weiblichen Kollegin kämpft. Hierbei werden zweierlei Subordinationsverhältnisse reproduziert: die Unterordnung von Frauen und die von marginalisierten (ethnisierten und service-orientierten-polizei-) Männlichkeiten. Wenn aktuell von sich ausbreitenden, ethnisch kategorisierten Parallelstrukturen, gegen die es seitens der Polizei anzukämpfen gilt, die Rede ist, bedeutet dies zugleich eine Ausweitung einer institutionellen Ausweisung ‚anderer Räume‘. Räume sind keine neutralen Folien, sondern in ihrer jeweiligen Konstitution Ausdruck und Mittel von Herrschaftsverhältnissen.
Die hier wiedergegebenen Überlegungen stellen eine Aufforderung dar, institutionelle Raumkonstitutionen zukünftig im Hinblick auf die Reproduktion von Strukturkategorien wie Ethnie, Geschlecht und Klasse zu hinterfragen. Im Hinblick auf eine damit verbundene reflektierte Ausgestaltung polizeilicher Handlungspraxen ist es durchaus möglich, dass sich die Polizei nicht bloß als Institution versteht, die Räume kontrolliert und dominiert, sondern (Handlungs-)Raum ermöglicht.