Das Spezial-Einsatzkommando Brandenburg – von der Anti-Terror-Einheit der Vopo zum SEK

von Wolfgang Gast

Für die Öffentlichkeit in der einstigen DDR existierte sie ebensowenig wie die Verbrechen, die sie verfolgen sollte: Die Anti-Terror-Einheit der Deutschen Volkspolizei in Potsdam. Bereits 1974 gegründet, arbeitete sie bis zur „Wende“ im Herbst 1989 vorwiegend im Dunkeln. Die „operativen Gewaltverbrechen“, bei der sie eingesetzt wurde, durften im Honecker-Staat nicht bekannt werden. Die Sondereinheit hat den Umbruch überlebt. Sie wurde zum „Spezialeinsatzkommando“ (SEK) der Brandenburger Polizei. Ging es früher in erster Linie um die Festnahme desertierter Sowjetsoldaten, so soll das SEK heute bei Bankraub, Geiselnahme oder gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Fußballspielen Herr der Lage bleiben.

32 Mann umfaßt derzeit die Einsatzgruppe. Zählt man die Führungskräfte dazu, so sind es knapp 40 Beamte, die – allesamt früher bei der Volkspolizei oder der Nationalen Volksarmee in Diensten – hinter einem Sportplatz in Potsdam-Barnim auf einem früheren Gelände der Staatssicherheit stationiert sind.
Auf dem über 3.000 qm großen Areal befindet sich auch ein mit Millionenaufwand eingerichteter atombombensicherer Bunker, der den Mächtigen des SED-Staates im Kriegsfall als militärische Einsatzzentrale dienen sollte.

War die Einheit früher nur für den Potsdamer Bezirk zuständig, so wurde der Zuständigkeitsbereich mit der Verabschiedung des Polizeiorganisationsgesetzes Mitte März auf ganz Brandenburg erweitert. Allerdings bleibt das SEK dabei organisatorisch dem Potsdamer Präsidium unterstellt und wird bei Bedarf den anderen lediglich zugeordnet.

Bis Anfang Juli 1991, so hofft der Leiter des Einsatzkommandos, Polizeirat Erich Fabian, soll die geplante Soll-Stärke von 65 Beamten erreicht und eine Spezialisierung einzelner Mitarbeiter möglich werden. Da es beispielsweise bisher keinen Sprengstoffexperten gibt, muß im Bedarfsfall ein Spezialist aus anderen Bundesländern angefordert werden. Nach den Vorstellungen im Brandenburger Innenministerium sollen zukünftig dann 10 SEKler rund um die Uhr zur Verfügung stehen, die bei Bedarf per Hubschrauber an jeden beliebigen Ort des Landes geflogen werden sollen.

Derzeit sind acht der SEK-Beamten in Nordrhein-Westfalen zur Ausbildung. Turnusmäßig werden die anderen folgen. Vor Ort helfen die Kollegen aus NRW auch schon einmal aus. Dem in Düsseldorf errechneten Schnitt, wonach dort jeder SEKler ca. 500 Überstunden vor sich herschiebt, steht in Brandenburg noch die Zahl von 70 – 80 Stunden entgegen. Bei der technischen Ausstattung schneiden die Brandenburger SEKler ungleich schlechter ab. Der Fahrzeugpark besteht überwiegend aus alten sowjetischen Ladas, die vier VW-Passat, die nach der Wende angeschafft wurden, werden von den SEK-Mitgliedern bereits als ausgesprochene Erleichterung empfunden. Ebenso stammen die Funkgeräte aus alten DDR-Beständen, im Unterschied zu früher gibt es jetzt allerdings genug davon. Von der Panzerweste über den Stahlhelm bis zum Kampfanzug ist die Ausrüstung made in DDR, selbst die Blendschockgranaten sind Eigenprodukte, die von der Einheit vor etwa fünf Jahren in Eigenarbeit während der Freizeit entwickelt wurden.

Einen Vergleich seiner Gruppe mit den Anti-Terror-Einheiten des früheren Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) weist PR Fabian ebenso zurück wie die Klagen Potsdamer Bürgerrechtler, die fürchten, daß ehemalige MfS-Angehörige unter dem Dach der Polizei ihre Weiterbeschäftigung erreicht haben. Der STASI-Verdacht war aufgekommen, als die Einheit im Frühjahr 1990 Quartier in einem ehemaligen Dienstobjekt des Staatssicherheitsdienstes bezog.

Im Gegenteil, so Fabian, die Einheit hätte sich entschieden dem Willen der alten Funktionäre verweigert, die im Herbst ’89 Anti-Terror-Spezialisten der STASI in dieser Einheit unterbringen wollten. Bei anderen Dienststellen der Polizei, etwa in Ost-Berlin, sei dies allerdings geschehen. Sämtliche Akten der Mitarbeiter, versichert er, seien schon Ende 1989 unter dem Gesichtspunkt einer möglichen STASI-Vergangenheit gesichtet worden. In einer zweiten Runde hätten die Potsdamer zudem im Rahmen der Fragebogenaktion Auskunft geben müssen. Für seine Leute will der Polizeirat daher seine „Hand ins Feuer legen“.

Einen Vergleich mit den Sondereinsatzkommandos der alten Bundesländer glaubt die Brandenburger Polizei durchaus bestehen zu können. Bis aber in Logistik und Ausrüstung deren Niveau erreicht sei, so räumen die SEKler in Barnim ein, werden noch Jahre vergehen.

Wolfgang Gast ist seit Anfang 1988 Redakteur der Berliner tageszeitung.