Die Suche nach der Geldwäsche – Aufwand und Misserfolg der Verdachtschöpfung

von Norbert Pütter

Die Geldwäsche gilt unter Kriminalstrategen noch immer als die „Achillesferse der Organisierten Kriminalität“. Obwohl die Innenminister nicht müde werden, die großen Erfolge zu feiern, bleibt die Bilanz nach einem Jahrzehnt intensiver „Geldwäschebekämpfung“ dürftig.

Mit der Strafbarkeit der Geldwäsche (1992) und dem nachfolgenden Geldwäschegesetz (GwG) (1993) begannen die deutschen Polizeien mit der Einrichtung von Spezialdienststellen für „Finanzermittlungen“.[1] In den 90er Jahren entstanden sowohl bei einigen Staatsanwaltschaften wie beim Zollkriminalamt entsprechende Spezialisierungen. Nach dem Vorbild der „Gemeinsamen Ermittlungsgruppen Rauschgift“ bildeten Zoll und Polizei in einigen Ländern gemeinsame Ermittlungsgruppen (GFG). Wie viele PolizistInnen, ZöllnerInnen und StaatsanwältInnen sich in Deutschland ausschließlich mit der Aufdeckung und Bekämpfung der Geldwäsche beschäftigen, ist nicht bekannt. Allein in der nordrhein-westfälischen Polizei sind ca. 200 FinanzermittlerInnen tätig.[2]

Die Spezialdienststellen haben eine doppelte Aufgabe. Zum einen sollen sie die nach dem Geldwäschegesetz eingehenden Verdachtsmeldungen überprüfen und nach der Vortat suchen, aus der das Geld stammt, dessen Transfer zur Verdachtsmeldung geführt hat. Ist diese Vortat gefunden, dann werden die Ermittlungen zusammen mit denen wegen der Vortat in den entsprechenden Dienststellen weitergeführt. Zum anderen sollen sie Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse von (potentiellen) Straftätern sammeln, um mit diesen andere Ermittlungsvorgänge zu unterstützen. So ist das Wissen um Bankverbindungen und Transaktionen bei polizeilichen und gerichtlichen Maßnahmen, die auf das Vermögen zielen, besonders hilfreich.

Das institutionelle System der Geldwäschebekämpfung hat in den letzten beiden Jahren einige Erweiterungen erfahren. Nach den Anschlägen vom 11.9.2001 wurde beim Bundeskriminalamt (BKA) ein „Informationsboard Finanzermittlungen“ eingerichtet.[3] Ständige Beteiligte dieses Gremiums sind neben dem BKA die Landeskriminalämter Hessens und Nordrhein-Westfalens, der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Zollkriminalamt und das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Mit dem Begriff „Informationsboard“ versuchen die Initiatoren offenkundig zu kaschieren, dass mit diesem Forum erneut das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten durchbrochen wird. Durch die neue Einrichtung sollen die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verbessert, der Informationsaustausch beschleunigt, die Informationsbestände zusammengeführt und das Fachwissen gebündelt werden. Das „Informationsboard“ hat operative und strategische Ziele: Operativ geht es um die Identifizierung von „islamistisch extremistischen/terroristischen Täterstrukturen“ sowie die Initiierung und Unterstützung entsprechender Ermittlungen; strategisch sollen neue Ermittlungsansätze entwickelt und „ggf. erforderliche organisatorische bzw. gesetzgeberische Maßnahmen diskutiert werden“.

Durch das „Geldwäschebekämpfungsgesetz“[4] wurde das Bundeskriminalamt zur „Zentralstelle für Verdachtsanzeigen“. Mit dieser Zentralisierung kam man einer Forderung der „Financial Aktion Task Force“ nach, die seit Jahren eine deutsche „Financial Intelligence Unit“ gefordert hatte. Im September 2002 nahm die neue Dienststelle ihre Arbeit mit 15 Beschäftigten auf. Die Meldewege in den Bundesländern bleiben unberührt; das BKA erhält lediglich eine Kopie aller Verdachtsmeldungen.[5] Nach den Bestimmungen des Gesetzes soll die Zentralstelle die Verdachtsmeldungen sammeln, auswerten und mit anderen Datenbeständen abgleichen, die Strafverfolgungsbehörden über ihre Erkenntnisse unterrichten, die Praktiken der Geldwäsche analysieren sowie einen Jahresbericht und eine Statistik der Verdachtsanzeigen erstellen.

Vom Verdacht zur Verurteilung

In Zukunft soll die Zentralstelle verlässliche Daten über den Umfang der Verdachtschöpfung durch das Geldwäschegesetz liefern. Bislang liegen solche Daten nur unvollständig vor. In der nachfolgenden Tabelle sind einige Zahlen zusammengestellt, die Hinweise auf den Umfang der Meldetätigkeit und deren unmittelbare strafrechtliche Folgen geben.

 

Jahr Verdachtsmeldungen nach GwG[6] Geldwäsche-Verdachts­fälle nach Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS)[7] Verurteilungen wegen Geldwäsche nach Strafverfolgungsstatistik[8]
1993 ca. 1.000 3
1994 3.282 198 16
1995 2.935 321 15
1996 3.289 349 20
1997 3.420 543 21
1998 3.543 403 25
1999 4.137 481 43
2000 4.818 730 82
2001 877

Diese Zahlen sind erläuterungsbedürftig:

Erstens: Die in der Tabelle aufgeführten Summen enthalten nur die Verdachtsmeldungen der Finanzinstitute. Zu diesen Zahlen addieren muss man die sonstigen Verdachtsmeldungen, die insbesondere von Zoll und Bundesgrenzschutz, aber auch von anderen Behörden erstattet werden. Der Umfang dieser Meldetätigkeit ist insgesamt nicht bekannt. Allein in Baden-Württemberg kamen 2001 zu den 641 Meldungen der Institute (die in der Tabelle enthalten sind), 401 weitere Verdachtsmeldungen.[9] Der Gesamtumfang der jährlichen Meldungen wird für die Bundesrepublik auf ca. 8.000 geschätzt.[10]

Zweitens: Die Zahlen der PKS resultieren nicht ausschließlich aus den Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz. Ein Verdacht auf Geldwäsche kann selbstverständlich auch durch andere polizeiliche Ermittlungen oder durch eine Strafanzeige etc. entstehen. Die Tabelle darf deshalb nicht so verstanden werden, dass etwa im Jahr 2000 rund 4.800 Verdachtsmeldungen zu 730 Verdachtsfällen führten.

Drittens: Die Zahlen der PKS und der Strafverfolgungsstatistik können nicht miteinander verglichen werden, da nicht bekannt ist, in welchem Jahr ein polizeiliches Ermittlungsverfahren zu einer Verurteilung führt. Darüber hinaus müssten die rechtssystematischen Gründe berücksichtigt werden, die dazu führen können, dass eine nachgewiesene Geldwäsche nicht in der Statistik auftaucht (etwa weil die Geldwäsche gegenüber der Vortat zurücktritt).

Hinsichtlich des Anstiegs – sowohl der PKS-Zahlen als der Verurteilungen – ist zu bedenken, dass die Vortatenkataloge erheblich ausgeweitet wurden und seit 1998 auch die Geldwäsche durch den Vortäter selbst unter Strafe gestellt ist. Es ist deshalb wenig plausibel, aus den leichten Steigerungsraten in der Tabelle zu schließen, die Geldwäsche habe in Deutschland zugenommen oder die Ermittlungsbehörden seien erfolgreicher gewesen. Vielmehr wurden die strafrechtlichen Normen so erweitert, dass die Verdachtsmeldungen eher in Verfahren umgesetzt werden konnten. Trotz dieser „Nachbesserungen“ bleibt die Diskrepanz zwischen Verdachtschöpfung und Sanktionierung eklatant.

Von der Meldung zur Speicherung

Die bei den Polizeien eingehenden Verdachtsmeldungen werden zunächst einer ersten Prüfung unterzogen, die das Ziel hat, alle nach kriminalistischen Kriterien unsinnigen Meldungen auszusortieren. Bei allen anderen führt die Verdachtsmeldung automatisch zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. In Nordrhein-Westfalen wurde 1993 bei allen 157 Verdachtsmeldungen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber nur in 17 Verfahren konnte der Verdacht durch die Ermittlungen konkretisiert werden. Bis Ende der 90er Jahre stieg der Anteil der Meldungen, die nicht zu einem Ermittlungsverfahren führen, auf ca. 5 %. Aber im Jahr 2001 blieben wiederum nur 9 der 1.486 Verdachtsmeldungen des Landes ohne Ermittlungsverfahren.[11] Das heißt, dass die Verdachtsmeldungen der Banken und anderer kriminalistischer Laien zur massenhaften Einleitung von Ermittlungsverfahren führen, die – s. obige Tabelle – strafrechtlich im Sande verlaufen.

Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens führt dazu, dass die Staatsanwaltschaften den Vorgang in ein Register eintragen. Obwohl mehrfach von Datenschutzbeauftragten kritisiert, behandeln die Staatsanwaltschaften die Verdachtsmeldungen wie Strafanzeigen und tragen sie routinemäßig in das JS-Register ein. Die Konsequenzen dieser Praxis: „Für den jeweiligen Betroffenen bedeutet das, dass er in das gleiche Register eingetragen wird, in das eröffnete Ermittlungsverfahren eingetragen werden. Als Folge dieser Eintragung gelten unabhängig vom Verfahrensausgang die Aufbewahrungsvorschriften der Justiz. Dies bedeutet, dass im Falle der Einstellung des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens eine Mindestspeicherfrist von fünf Jahren für die angezeigte Straftat erfolgt“.[12] Durch die Einrichtung des staatsanwaltschaftlichen Informationssystems sind diese Speicherungen bundesweit abrufbar.

Die Verdachtsmeldungen werden auch in polizeilichen Dateien erfasst. Sofern die Finanzermittler den Eindruck haben, dass die Meldungen einen Bezug zur „Organisierten Kriminalität“ aufweisen, werden sie in der Datei APOK („Arbeitsdatei PIOS Organisierte Kriminalität“, PIOS steht für „Personen, Institutionen, Objekte, Sachen“) gespeichert. Auf diese Datei haben aber nur die OK-Spezialdienststellen der Polizeien Zugriff. Daneben werden die Verdachtsanzeigen in polizeilichen Arbeitsdateien gespeichert. Sowohl die Speicherungsdauer als auch der Zugriff auf diese Daten scheinen zwischen den Ländern zu variieren. In Bayern werden selbst die Meldungen, bei denen eine Straftat eher unwahrscheinlich erscheint, zwei Jahre gespeichert, alle anderen sechs Jahre.[13] Seit dem 1.9.2000 ist zudem beim Bundeskriminalamt die zentrale „Geldwäsche-Datei/Hinweisbearbeitung Geldwäsche“ in Betrieb. Diese Verbund-Datei soll bundesweit der „Vorabklärung geldwäscherelevanter Sachverhalte“ dienen, die nationalen Informationen zusammenführen und besser auswerten sowie „eine Basis für den internationalen Datenaustausch“ bieten.[14]

Seit März 2000 besteht auch beim Zoll eine spezielle Geldwäsche-Datei unter dem Namen VHG („Verdacht, Hinweise, Geldwäsche“). In die Datei werden sämtliche personenbezogenen Angaben aus den dem Zoll bekannt werdenden Verdachtsmeldungen, aus den Bargeldkontrollen des Zolls sowie alle von Zollbehörden übermittelten Daten mit Geldwäschebezug eingestellt – unabhängig davon, ob es zu weiteren Ermittlungen kommt oder die Personen tatsächlich der Geldwäsche beschuldigt werden. Die Angaben in der Datei VHG werden ebenfalls für sechs Jahre gespeichert.[15]

OK-Bekämpfung?

Die Lagebilder Organisierte Kriminalität geben u.a. an, in wie vielen OK-Verfahren Geldwäsche polizeilich festgestellt wurde. Mit 171 Verfahren mit Geldwäsche-Bezug (von 854 OK-Verfahren insgesamt) lag diese Zahl im Jahr 2000 am höchsten.[16] Für die Jahre 1993-97 hat Kilchling die Strafverfahren wegen Geldwäsche untersucht. Dabei stellte er fest, dass lediglich 9 der ca. 14.000 Verdachtsmeldungen zur einer Verurteilung wegen Geldwäsche führten. Nur ein einziger Fall der 75 Geldwäsche-Urteile aus diesen fünf Jahren war von der Polizei der „Organisierten Kriminalität“ zugeordnet worden[17] – wobei nicht klar ist, ob dieser Fall zu den neun gehört, die ihren Ursprung in Verdachtsmeldungen hatten. Bisher haben die Geldwäsche-Bekämpfer die Achillesferse noch nicht getroffen.

[1] s. die Übersicht bei Kilchling, M.: Deutschland, in: Ders. (Hg.): Die Praxis der Gewinnabschöpfung in Deutschland, Freiburg i. Br. 2002, S. 19-82 (70). Diese Angaben sind missverständlich: Bereits 1994 bestanden bei allen Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt und dem Zollkriminalamt besondere Stellen, die mit der Entgegennahme der Verdachtsanzeigen und nachfolgenden (Finanz-)Ermittlungen befasst waren, s. Körner, H.H.; Dach, E.: Geldwäsche, München 1994, S. 82 f.
[2] Nordrhein-Westfalen, Innenministerium: Pressemitteilung v. 4.11.2001
[3] Bundeskriminalamt: Jahresbericht Wirtschaftskriminalität 2001, www.bka.de/lagebe­richte wi/bl2001wirtschaftskriminalitaet.pdf, S. 197 f.
[4] Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz) v. 8.8.2002, BGBl. I, S. 3105 (§ 5 (neu) GwG)
[5] Bundesministerium des Innern: Pressemitteilung v. 4.9.2002
[6] Kilchling a.a.O. (Fn. 1), S. 38; für 1993: Tagesspiegel v. 23.3.1994; ab 1997: Bundesverband Deutscher Banken: Bankenbericht 2002, www.bankenbericht.de/pdf/Fachbeiträge. pdf, S. 83
[7] Kilchling a.a.O. (Fn. 1), S. 35; ab 1999: Bundeskriminalamt (Hg.): Polizeiliche Kriminalstatistik 1999, 2000, 2001, Wiesbaden 2000-2002
[8] recht 1997, H. 3, S. 43; ab 1995: Bundesverband Deutscher Banken a.a.O. (Fn. 6), S. 83
[9] Baden-Württemberg, Landeskriminalamt: Verfahrensunabhängige Finanzermittlungen in Baden-Württemberg. Lagebild 2001, www.polizei-bw.de/berichte/Lbild%202001.pdf, S. 5 u. 7
[10] Kilchling a.a.O. (Fn. 1), S. 35
[11] streife 2000, H. 7-8, S. 25; Nordrhein-Westfalen, Landeskriminalamt: Lagebild Finanz­ermittlungen 2001, www.lka.nrw.de/aktuell/lagebilder/lagefinanz2001.pdf
[12] Berliner Beauftragter für Datenschutz und Akteneinsicht: Jahresbericht 2000, Berlin 2001, S. 46
[13] Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz: 17. Tätigkeitsbericht 1996, www. datenschutz-bayern.de/home.htm, Kap. 5.3.2
[14] Bundeskriminalamt: Lagebild Wirtschaftskriminalität 2000, in: www.bundeskriminal­amt.de/lageberichte/wi/BL2000Text.pdf, S. 179
[15] Bundesbeauftragter für den Datenschutz: 18. Tätigkeitsbericht 1999-2000, www.bfd. bund.de/information/18tb9900.pdf, Kap. 13.2
[16] Kilchling a.a.O. (Fn. 1), S. 35; für 1999-2001 s. die Kurzfassungen der OK-Lagebilder unter: www.bka.de [Kriminalitätslage/PSB – Organisierte Kriminalität]
[17] Kilchling a.a.O. (Fn. 1), S. 55 f. (zwei der 75 Fälle konnten nicht überprüft werden)