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Polizei und technische Innovationen: Hoffnungen und Gefahren der „Polizei der Zukunft“

von Norbert Pütter und Eric Töpfer

Die Modernisierung von Polizeien umfasst auch von ihr genutzte Instrumente und Verfahren, die aus dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt resultieren. Obgleich im Detail wenig bekannt, sind neue Technologien in allen polizeilichen Arbeitsfeldern im Einsatz, ihr Ausbau ist erklärtes Ziel der Verantwortlichen. Insbesondere in der Digitalisierung werden Chancen für eine effektivere Polizeiarbeit gesehen. Mit dem Ausbau ihrer technischen Kapazitäten vergrößern sich Definitionsmacht, Überwachungs- und Handlungsoptionen der Polizei; deren Kontrollierbarkeit wird durch die neuen Technologien noch schwieriger. 

Auch wenn der Begriff aus der Mode gekommen ist, wir leben in einer Gesellschaft, die durch den „wissenschaftlich-technischen Fortschritt“ geprägt ist: Wissenschaft legitimiert sich über weite Strecken über ihre „Praxisrelevanz“; die Praktiker*innen erhoffen sich mehr Effektivität und Effizienz von dem, was die Wissenschaft ihnen bietet; die Wirtschaft setzt auf Wachstumsimpulse, die durch neuen Technologien ausgelöst werden sollen; die politisch Verantwortlichen inszenieren sich gerne als Fördernde des „Neuen & Besseren“; und die Öffentlichkeit erwartet eine moderne Praxis, die „auf der Höhe der Zeit“ ist, weil sie Innovationen nutzt. Polizei und technische Innovationen: Hoffnungen und Gefahren der „Polizei der Zukunft“ weiterlesen

Schengener Informationssystem: Verfassungsschutz mit erweiterter Fahndungsbefugnis

Das Bundeskriminalamt soll demnächst europaweite Fahndungen für Geheimdienste ausschreiben

Im Jahr 2018 wurden neue Verordnungen zum Schengener Informationssystem verabschiedet ((EU) 2018/1860, (EU)2018/1861, (EU)2018/1862), mit denen der Umfang der im Schengener Informationssystem (SIS) gespeicherten Daten sowohl inhaltlich – etwa hinsichtlich ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger – als auch bezüglich der erfassten Daten – Fingerabdrücke, DNA-Profile, und weitere – deutlich erweitert wurde. Auch ist nicht mehr nur die Polizei an dieses „SIS 3.0“ anzuschließen, sondern eine ganze Reihe weiterer Behörden. Alle Verordnungen sind schrittweise bis Ende 2020 vollumfänglich in Kraft getreten.

Das neue SIS kann aber erst in Betrieb gehen, wenn in allen Mitgliedsstaaten die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Das sollte am 22. November 2022 der Fall sein – wegen technischer Schwierigkeiten in einzelnen Mitgliedsstaaten wird sich dies aber noch verzögern. Auch in Deutschland wurden die rechtlichen Schritte zur Inbetriebnahme erst kurz vor knapp vorgenommen. Schengener Informationssystem: Verfassungsschutz mit erweiterter Fahndungsbefugnis weiterlesen

Überprüfung von Reisenden: US-Behörden wollen Fingerabdrücke in EU abfragen

Für die Teilnahme am Visa Waiver Programm erlaubt Israel den USA Zugang zu seinen biometrischen Daten. Die Regierung in Washington will dies für weitere 40 Länder vorschreiben.

Die US-Regierung hat ein Schreiben an EU-Mitgliedstaaten verschickt, das eine Verstärkte Partnerschaft für Grenzsicherheit (Enhanced Border Security Partnership – EBSP) ankündigt. Darin soll der Zugriff auf Fingerabdruck-Datenbanken durch US-amerikanische Grenzbehörden geregelt werden. Dies würde eine Bedingung für Länder, deren Staatsangehörige visafrei in die Vereinigten einreisen können.

Auch die Bundesregierung hat am 9. Februar eine solche Mitteilung von der US-Botschaft erhalten, antwortet das Innenministerium auf eine parlamentarische Schriftliche Frage. Die Vorschrift soll demnach ab 2027 gelten. „Im Wesentlichen soll damit wohl unter anderem ein Austausch von biometrischen Daten, unter anderem von Reisenden, ermöglicht werden“, schreibt das Ministerium und will weitere Einzelheiten klären. Überprüfung von Reisenden: US-Behörden wollen Fingerabdrücke in EU abfragen weiterlesen

Bürgerrechtliche Terraingewinne – oder grün-liberale Deko?

Bürger*innenrechte & Polizei im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Bund

„Naja. Viel Schönes dabei“ lässt Marc-Uwe Kling eine  Buchhändlerin in der „Känguruh-Offenbarung“ eines seiner früheren Werke kommentieren. Gleiches ließe sich auch über den innenpolitischen Teil des nun den Parteien zur Abstimmung vorliegenden Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sagen. Wo es allerdings ans Eingemachte geht, wird die Koalition ihrer Verantwortung als Hüterin des Bestehenden nachkommen.

In keinem Satz kommt dies wohl schöner zum Ausdruck als jenem ersten aus dem Abschnitt zum Verfassungsschutz: „Nachrichtendienste sind ein wichtiger Teil der wehrhaften Demokratie“. Bürgerrechtliche Terraingewinne – oder grün-liberale Deko? weiterlesen

Europäische Polizeizusammenarbeit im Halbdunkel

In der „Police Working Group on Terrorism“ (PWGT) organisieren sich heute die politischen Abteilungen von Polizeibehörden aller Schengen-Staaten. Die informelle Gruppe galt 1979 als Antwort auf linke bewaffnete Bewegungen. Nach deren Auflösung wurde ihr Zweck auf „politische gewalttätige Aktivitäten“ erweitert.

Zusammen mit Polizeibehörden aus den Niederlanden, Belgien und Großbritannien hat das Bundeskriminalamt (BKA) 1979 die europäische „Informelle Arbeitsgruppe Terrorismus“ gestartet. Als Gründungsdatum gilt der 25. und 26. April, einen Monat zuvor wurde der britische Botschafter Richard Sykes in Den Haag getötet. Zu der Tat hatte sich die irische IRA bekannt, anfangs hielt die Polizei aber auch eine Beteiligung palästinensischer Gruppen oder der deutschen RAF für möglich.

Kurz vor der Wahl von Margaret Thatcher zur britischen Premierministerin im Mai 1979 hat die irische National Liberation Army ihren zukünftigen Nordirlandminister mit einer Autobombe getötet. In Deutschland verübten IRA-Kommandos zu dieser Zeit Anschläge auf britische Soldaten, in Belgien versuchte die RAF den NATO-Oberbefehlshaber in Europa in die Luft zu sprengen. Grund genug also für die Abteilung „Terrorismus“ des BKA, sich wie die militanten Gruppen ebenfalls international besser zu vernetzen. Europäische Polizeizusammenarbeit im Halbdunkel weiterlesen

BKA-Rentner hat Islands größten Justizirrtum verantwortet

Nach vier Jahrzehnten werden sechs Isländer*innen vom höchsten Gericht nachträglich vom Vorwurf des Mordes freigesprochen und rehabilitiert. Die Anklageerhebung besorgte damals ein Oberkommissar der „Sicherungsgruppe Bonn“

„Einer der schockierendsten Fehlschläge der Justiz, den Europa je gesehen hat“, schreibt die britische BBC zur Verurteilung von sechs isländischen Staatsangehörigen vor 42 Jahren. Sie wanderten ins Gefängnis, weil sie nach Überzeugung des Gerichts für zwei Morde verantwortlich waren, die Islands Öffentlichkeit damals wie heute in Atem halten. Die Leichen der Vermissten wurden nie gefunden. BKA-Rentner hat Islands größten Justizirrtum verantwortet weiterlesen

Abwehr von Drohnen: Polizei nutzt Militärtechnik

Immer öfter sind Polizei und Militär mit der unerwünschten Nutzung von handelsüblichen Drohnen konfrontiert. Für ihre Bekämpfung müssen die Fluggeräte blitzschnell entdeckt und analysiert werden. Um sie unschädlich zu machen, haben Rüstungskonzerne verschiedene Verfahren entwickelt.

Jedes Jahr werden allein in den USA und Europa rund eine Million kleine Drohnen verkauft. Diese Zahl nannte der stellvertretende Direktor der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge der Bundeswehr (WTD 61) vergangene Woche bei einer Technikvorführung am Sitz der Abteilung in Manching. Gemeint sind mehrere Kilogramm schwere Multikopter mit mehreren Rotoren, die eine Kamera oder andere Sensoren befördern. Abwehr von Drohnen: Polizei nutzt Militärtechnik weiterlesen

Politisch umkämpft: Das reale Ausmaß rechter und rassistischer Gewalt

von Heike Kleffner

Seit Januar 2017 gilt für PolizeibeamtInnen bundesweit ein reformiertes Definitionssystem zur Erfassung politisch motivierter Kriminalität (PMK). Doch trotz einiger wichtiger Neuerungen ist die Diskrepanz zwischen den Behördenstatistiken zu rechter Gewalt und rechten Tötungsdelikten und den Zahlen unabhängiger NGOs und JournalistInnen unverändert hoch.

Die vom Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen und dem sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer losgetretene Desinformationskampagne zur rassistischen Hetzjagd in Chemnitz im August 2018 hat es erneut deutlich gemacht: Die Frage, wie Strafverfolgungsbehörden politisch rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Gewalt erfassen, wie das reale Ausmaß rassistischer Alltagsgewalt vermessen wird, ist hochpolitisch und ein zentraler Schauplatz eines Kampfes um die politische Deutungshoheit.

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„Wie nach einem Wildwest-Überfall“: Razzien und Verfahren gegen linksunten.indymedia

Interview mit einem Betroffenen

Am 25. August machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière das vereinsrechtliche Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia bekannt. Am gleichen Tag durchsuchte die Polizei das autonome Zentrum KTS sowie die Wohnungen mehrerer angeblicher Mitglieder des nun verbotenen „Vereins“. Matthias Monroy sprach mit einem Betroffenen.

Weil das Bundesinnenministerium mutmaßliche Verantwortliche der Webseite in Freiburg im Breisgau ausmachte, wurde das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit dem Vollzug beauftragt. Die Betroffenen werden nach dem Vereinsgesetz verfolgt. Als BetreiberInnen hätten sie Kenntnis strafbarer Inhalte gehabt, aber ihre Möglichkeit nicht genutzt, diese zu löschen. Bei den Razzien wurde auch das autonome Zentrum in Freiburg durchsucht. Dort gefundene Technik und Gelder wurden als „Vereinsvermögen“ beschlagnahmt. „Wie nach einem Wildwest-Überfall“: Razzien und Verfahren gegen linksunten.indymedia weiterlesen

Die Datenschatten: Zum staatlichen Umgang mit vernetzten Datenbeständen

von Rainer Rehak

Mit der zunehmenden Digitalisierung hinterlassen die Handlungen von Menschen Metadaten in den jeweiligen Systemen. Sie werden für die kommerzielle Profilerstellung, aber auch für folgenschwere polizeiliche und geheimdienstliche Zwecke ausgewertet. Über diese technikgläubige Herangehensweise muss dringend diskutiert werden.

Seit ihrer Existenz sammeln und speichern staatliche Stellen Informationen über ihre BürgerInnen. Auch die damit eng verbundene Grenze zwischen als notwendig erachteter Verwaltung und weit darüber hinausgehenden Kontrollabsichten ist seit jeher Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen. Seit Jahrzehnten befinden wir uns nun im Prozess einer zunehmenden automatisierten Datenverarbeitung persönlicher, geschäftlicher sowie gesellschaftlicher Interaktionen – inzwischen lapidar „Digitalisierung“ genannt. Informationen werden nicht mehr in dunklen Kellern in Form von papierenen Aktenmetern abgelegt, aufbewahrt und mühsam manuell durchsucht, sondern können in vernetzen informationstechnischen Systemen erzeugt und verarbeitet werden. Volltextsuche, Mehrfachindexierung, Sortieren, Filtern und effizientes Speichern sind dabei nur noch Fingerübungen der Informatik, die in jedem Informatikbuch über Algorithmen nachzulesen sind.[1] Die Datenschatten: Zum staatlichen Umgang mit vernetzten Datenbeständen weiterlesen