Archiv der Kategorie: CILIP 074

(1/2003) Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche

Editorial

von Heiner Busch

„Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen.“ Der Befehl des Polizeikommandanten aus „Casablanca“ hat sich im öffentlichen Bewusstsein festgesetzt. Er versinnbildlicht wie kaum ein anderer die Erfahrung, dass einige vor dem Gesetz eben gleicher sind als andere. Wer wollte den weniger gleichen die Häme vorwerfen, wenn das schier unglaubliche doch passiert, wenn der Baulöwe Jürgen Schneider sichtlich gescheitert ohne Toupet und ohne „peanuts“ flankiert von Beamten des Bundeskriminalamts über den Fernsehbildschirm wankt, wenn es den raffgierigen Manager – aller Erfahrung zum Trotz – dennoch trifft und er wie ein gewöhnlicher Krimineller in Handschellen abgeführt wird. Editorial weiterlesen

Rechtsstaatlich geregelte Folter? Der Fall Daschner und die politische Falle

von Heiner Busch

Wenn er den Aufenthaltsort des entführten Jakob von Metzler nicht preisgebe, würden ihm Schmerzen zugefügt, die er noch nie erlebt habe. Auf Geheiß des Polizeivizepräsidenten drohten Frankfurter Kriminalbeamte im Oktober 2002 dem Entführer mit Folter. Seitdem der Fall im Februar bekannt wurde, diskutiert die deutsche Öffentlichkeit über die Grenzen des Folterverbots und begibt sich damit in eine Falle.

„Eigentlich kann es nur noch um das Strafmaß gehen. Der mutmaßliche Haupttäter hat zwar öffentlich gestanden, zeigt aber nicht einmal den Ansatz eines Unrechtsbewusstseins. In einer solchen Situation ist es üblich, dass die Gerichte schon allein aus Gründen der Spezialprävention den Strafrahmen ausschöpfen …“ So würden die Kommentare lauten, wenn man den Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner dabei erwischt hätte, wie er ein Kilo Kokain durch den Zoll zu schmuggeln versuchte. Die Mindeststrafe dafür liegt bei zwei Jahren Gefängnis (§ 30 Betäubungsmittelgesetz): keine Chance auf Bewährung. Rechtsstaatlich geregelte Folter? Der Fall Daschner und die politische Falle weiterlesen

Stinkendes Geld, schmutzige Geschäfte – Der polizeiliche Antikapitalismus führt in die Irre

von Heiner Busch

Die „Bekämpfung“ von Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche lebt von einer antikapitalistischen Rhetorik. Dass Polizei und Strafverfolgungsbehörden bei diesem Kampf notwendigerweise an Grenzen stoßen, wird ebenso vergessen wie die Tatsache, dass sie dabei nicht nur gegen „Weiße-Kragen-Täter“ agieren.

Geschichten von „Geld und Gier“ haben Hochkonjunktur. Bürgerliche Zeitungen applaudieren auf ihren Wirtschaftsseiten, dass Staatsanwaltschaften und Polizei endlich auch „Topmanager wie Kriminelle behandeln“.[1] Schutzvereinigungen der AktionärInnen fordern die Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts, und Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die noch vor kurzem selbst die Hühneraugen vor geschönten Bilanzen schlossen, verdienen ihr Geld nun mit „forensic accounting“, mit innerbetrieblicher Detektivarbeit also, oder beraten Banken über die besten Möglichkeiten im Kampf gegen Geldwäsche.[2] Stinkendes Geld, schmutzige Geschäfte – Der polizeiliche Antikapitalismus führt in die Irre weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Ariane Neitzel

Dezember 2002

05.12.: Urteil nach Überfall auf Tunesier: Das Amtsgericht Leipzig verhängt gegen vier Männer Bewährungsstrafen von sechs Monaten bis zwei Jahren und gemeinnützige Arbeit. Die 17- bis 19-jährigen Täter hatten den Mann im Januar in Delitzsch niedergeschlagen und mit Springerstiefeln auf seinen Kopf eingetreten. Einen rechtsradikalen Hintergrund sieht das Gericht nicht.

06.12.: „Phase 2“ unter Verschluss: Der Zoll beschlagnahmt die gesamte Auflage der in der Tschechischen Republik gedruckten sechsten Ausgabe der Zeitschrift. In einem Beschluss vom 11.12. entscheidet das Amtsgericht Wunsiedel, die gesamte Auflage wegen des Verdachts auf „verfassungswidrige Inhalte“ und Steuervergehen einzubehalten. Chronologie weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

„Wirtschaftskriminalität“ und „Geldwäsche“ weisen auf den ersten Blick wenig Gemeinsamkeiten auf: Die „Kriminalität im Wirtschaftsleben“ ist ein altes polizeiliches und kriminologisches Thema. Für Deutschland gilt, dass sie in beiden „Disziplinen“ durchgängig stiefmütterlich behandelt wurde: Während kriminologische Forschung zum White-Collar-Crime äußerst selten war und ist, war die polizeiliche Diskussion über Wirtschaftskriminelle immer davon geprägt, dass es an den nötigen Ressourcen zu deren Bekämpfung fehle – an beiden Befunden hat auch die kurze Konjunktur, die das Thema in den 70er Jahren erfuhr, nichts geändert. Demgegenüber ist die „Geldwäsche“ erst seit knapp 15 Jahren Gegenstand kriminalwissenschaftlicher und polizeilicher Aufmerksamkeit. Entstanden aus dem Versagen der herkömmlichen polizeilichen Drogenbekämpfung dehnte sich der kriminalstrategische Ansatz, der über die illegalen Geldströme Straftäter entdecken und einer Bestrafung zuführen will, auf immer weitere Deliktsbereiche aus. Literatur weiterlesen

Von der Festung zum Sportstadion? Auch 2003: keine Demonstration gegen das WEF in Davos

von Viktor Györffy

Ihr Ziel, das jährliche Treffen des World Economic Forum in Davos vor Kritik von der Straße abzuschirmen, wollten die Behörden dieses Jahr nicht durch ein Demonstrationsverbot erreichen. Sie setzten statt dessen auf ein breit angelegtes Sicherheitskonzept, das u.a. ein präventives Ausfiltern von Demonstrationswilligen durch Polizei und Staatsschutz beinhaltete.[1]

Noch nie hatten in Davos bewilligte Proteste gegen das Jahrestreffen des World Economic Forum (WEF) stattfinden können. Jahrelang hatte die Gemeinde Davos Demonstrationen während des Jahrestreffens generell verboten, bis das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden 1999 entschied, dass dies nicht zulässig sei.[2] Seither gilt – theoretisch – das in der Schweiz für Demonstrationen übliche Prozedere, gemäß dem von der Gemeinde auf Gesuch hin eine Demonstrationsbewilligung erteilt wird. Praktisch mussten jedoch auch nach 1999 regelmäßig Rechtsmittel gegen die Entscheide der Gemeinde ergriffen werden: Im Jahr 2000 gaben die Demo-OrganisatorInnen ein Gesuch für einen Samstag ein, erhielten aber stattdessen eine Bewilligung für den darauf folgenden Sonntag. Im Jahr 2001 war die Gemeinde Davos der Auffassung, den OrganisatorInnen gehe es gar nicht um die Durchführung einer Demonstration, sondern nur um Ausschreitungen und Randale, und lehnte das Bewilligungsgesuch ab. (Im Jahr 2002 fand das WEF-Jahrestreffen in New York statt, wodurch sich sowohl das Demonstrationsgesuch als auch der Rechtsstreit erübrigten.) Dieses Jahr hätte alles anders sein sollen: Für den 25. Januar 2003 – einen Samstag – war eine Demonstration bewilligt worden, zwischen Organisierenden und Behörden herrschte ausnahmsweise Einigkeit über Zeit und Route der Bewilligung. Von der Festung zum Sportstadion? Auch 2003: keine Demonstration gegen das WEF in Davos weiterlesen

Die „Financial Action Task Force“ – Die weltweite Bekämpfung der Geldwäsche

von Norbert Pütter

Der Logik der Geldwäsche entspricht, dass sie ein potentiell globaler Vorgang ist: Um die illegale Herkunft von Geld zu verschleiern, bieten sich Transfers über staatliche Grenzen hinweg an. Zum einen könnten in diesen Staaten Strafbarkeitslücken bestehen, zum andern könnten die nationalen Grenzen Schutz vor den Strafverfolgungsbehörden bieten, die die Spur des gewaschenen Geldes verfolgen wollen. Wer den „Kampf gegen die Geldwäsche“ gewinnen will, muss deshalb nach globalen Antworten suchen.

Betrachtet man die internationalen Übereinkünfte gegen die Geldwäsche, so zeigt sich ein unübersichtliches Geflecht von Erklärungen, Konventionen, Vereinbarungen und Aktionsprogrammen: Die Vereinten Nationen (UN) haben u.a. in den Konventionen von Wien (1988) und Palermo (2000) die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen gegen die Geldwäsche aufgefordert;[1] seit 1997 betreiben die UN ein „Global Programme against Money Laundering“.[2] Bereits 1988 verständigten sich Vertreter des internationalen Bankensystems auf Grundsätze gegen den Missbrauch des Bankensystems („Basler Prinzipien“).[3] Der Europarat verabschiedete 1990 eine Anti-Geldwäsche-Konvention und richtete ein Expertenkomitee zur Evaluation des Kampfes gegen die Geldwäsche ein.[4] In den 90er Jahren hat auch Interpol ihre Anstrengungen gegen die Geldwäsche intensiviert.[5] In Richtlinien von 1991 und 2001 hat die Europäische Union verbindliche Mindeststandards für das Geldwäsche-Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben.[6] Die „Financial Action Task Force“ – Die weltweite Bekämpfung der Geldwäsche weiterlesen

Die Suche nach der Geldwäsche – Aufwand und Misserfolg der Verdachtschöpfung

von Norbert Pütter

Die Geldwäsche gilt unter Kriminalstrategen noch immer als die „Achillesferse der Organisierten Kriminalität“. Obwohl die Innenminister nicht müde werden, die großen Erfolge zu feiern, bleibt die Bilanz nach einem Jahrzehnt intensiver „Geldwäschebekämpfung“ dürftig.

Mit der Strafbarkeit der Geldwäsche (1992) und dem nachfolgenden Geldwäschegesetz (GwG) (1993) begannen die deutschen Polizeien mit der Einrichtung von Spezialdienststellen für „Finanzermittlungen“.[1] In den 90er Jahren entstanden sowohl bei einigen Staatsanwaltschaften wie beim Zollkriminalamt entsprechende Spezialisierungen. Nach dem Vorbild der „Gemeinsamen Ermittlungsgruppen Rauschgift“ bildeten Zoll und Polizei in einigen Ländern gemeinsame Ermittlungsgruppen (GFG). Wie viele PolizistInnen, ZöllnerInnen und StaatsanwältInnen sich in Deutschland ausschließlich mit der Aufdeckung und Bekämpfung der Geldwäsche beschäftigen, ist nicht bekannt. Allein in der nordrhein-westfälischen Polizei sind ca. 200 FinanzermittlerInnen tätig.[2] Die Suche nach der Geldwäsche – Aufwand und Misserfolg der Verdachtschöpfung weiterlesen

Gesetze gegen Geldwäsche – OK-Bekämpfung ohne Grenzen!?

von Norbert Pütter

Seit mehr als zehn Jahren ist die „Geldwäsche“ in Deutschland strafbar. In diesem Jahrzehnt wurden die entsprechenden Gesetze mehrfach „nachgebessert“ und erweitert. Statt – wie versprochen – Organisierte Kriminalität (OK) effektiv „bekämpfen“ zu können, hat die Geldwäsche-Gesetzgebung vor allem die weitere Entgrenzung des Strafrechts bewirkt.

„Geldwäsche“ bezeichnet die Überführung illegal erlangten Geldes in den legalen Wirtschaftskreislauf. Die „Wäsche“ besteht darin, dass eine legale Herkunft des Geldes vorgetäuscht wird.[1] Um die Aktivitäten des Gesetzgebers gegen die Geldwäsche zu verstehen, muss man sich deren kriminalstrategische Bedeutung vor Augen führen. Ihr Ausgangspunkt ist die sogenannte „Organisierte Kriminalität“. Dieser Begriff steht als Chiffre für besonders schwere, professionelle, arbeitsteilig und international begangene Kriminalität, die zu erheblichen Gewinnen bei den OK-Tätern führe. Da – so die kriminalistische Überlegung – die bisherigen Bemühungen, diese Täter zu entdecken, zu überführen und der Strafjustiz zuzuführen nicht ausreichten, müssten neue Instrumente und Strategien eingesetzt werden. Zu diesen Instrumenten gehört der „Kampf“ gegen die Geldwäsche, der nicht an den „eigentlichen“ OK-Delikten ansetzt, sondern an deren Folgen: der Verwandlung der illegal erlangten Werte in legale.[2] Die Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung dient der rechtlichen Absicherung dieser strategischen Verschiebung. Gesetze gegen Geldwäsche – OK-Bekämpfung ohne Grenzen!? weiterlesen