von Norbert Pütter
Der Logik der Geldwäsche entspricht, dass sie ein potentiell globaler Vorgang ist: Um die illegale Herkunft von Geld zu verschleiern, bieten sich Transfers über staatliche Grenzen hinweg an. Zum einen könnten in diesen Staaten Strafbarkeitslücken bestehen, zum andern könnten die nationalen Grenzen Schutz vor den Strafverfolgungsbehörden bieten, die die Spur des gewaschenen Geldes verfolgen wollen. Wer den „Kampf gegen die Geldwäsche“ gewinnen will, muss deshalb nach globalen Antworten suchen.
Betrachtet man die internationalen Übereinkünfte gegen die Geldwäsche, so zeigt sich ein unübersichtliches Geflecht von Erklärungen, Konventionen, Vereinbarungen und Aktionsprogrammen: Die Vereinten Nationen (UN) haben u.a. in den Konventionen von Wien (1988) und Palermo (2000) die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen gegen die Geldwäsche aufgefordert;[1] seit 1997 betreiben die UN ein „Global Programme against Money Laundering“.[2] Bereits 1988 verständigten sich Vertreter des internationalen Bankensystems auf Grundsätze gegen den Missbrauch des Bankensystems („Basler Prinzipien“).[3] Der Europarat verabschiedete 1990 eine Anti-Geldwäsche-Konvention und richtete ein Expertenkomitee zur Evaluation des Kampfes gegen die Geldwäsche ein.[4] In den 90er Jahren hat auch Interpol ihre Anstrengungen gegen die Geldwäsche intensiviert.[5] In Richtlinien von 1991 und 2001 hat die Europäische Union verbindliche Mindeststandards für das Geldwäsche-Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben.[6]
FATF
Besondere Bedeutung in der internationalen Regulierung der Geldwäsche kommt der „Financial Action Task Force“ (FATF) zu, die 1989 von den Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten ins Leben gerufen wurde.[7] Ursprünglich war die FATF nur für ein Jahr eingerichtet worden; ihr Mandat wurde jedoch mehrfach verlängert – gegenwärtig bis 2004. Bei der FATF handelt es sich um eine Einrichtung auf Regierungsebene („intergovernmental body“), in der die Staaten durch Fachleute aus dem Rechts- und Finanzwesen und der Strafverfolgung vertreten sind. Ihr rechtlicher und institutioneller Status ist ungeklärt. Sie hat keinerlei formalisierte Kompetenzen und ist an keine der festen Formen internationaler Zusammenarbeit angebunden. Dass ihr Sekretariat dem der OECD[8] in Paris angegliedert wurde, hat allein praktische Gründe. Weder ist die FATF Teil der OECD, noch ist ihre Zuständigkeit auf den OECD-Raum beschränkt. Der FATF gehören 29 Staaten sowie die Europäische Union und der Kooperationsrat der Golfstaaten an.[9]
Die FATF verfolgt drei Ziele: Erstens soll sie die Verbreitung von Anti-Geldwäsche-Maßnahmen weltweit fördern. Zweitens soll sie überwachen, ob die Staaten die von ihr angeregten Empfehlungen verfolgen. Und drittens soll sie die sich wandelnden Praktiken der Geldwäsche beobachten und neue Gegenmaßnahmen entwickeln.
Das wichtigste Dokument der FATF sind ihre „40 Empfehlungen“, die 1990 beschlossen wurden. 1996 wurden die Empfehlungen aktualisiert; außerdem wurde der Text mehrfach durch sogenannte „interpretative notes“ erläutert. Die 40 Empfehlungen bilden das Grundgerüst der Geldwäschebekämpfung. Sie beziehen sich auf das (Straf-)Rechtssystem, das Finanzwesen und die internationale Zusammenarbeit gegen die Geldwäsche. Empfehlung Nr. 4 verlangt z.B., die Geldwäsche unter Strafe zu stellen, Nr. 15 verpflichtet die Finanzinstitute zur Meldung von verdächtigen Transaktionen, und Nr. 32 will den internationalen Datenaustausch der zuständigen Behörden verbessern. Da die nationalen Rechts- und Finanzsysteme erhebliche Unterschiede aufweisen, enthalten die Empfehlungen relativ allgemeine Bestimmungen, die von den Ländern entsprechend ihrer eigenen Gegebenheiten und Verfassungen umgesetzt werden sollen. So sollen etwa nach der vierten Empfehlung die Vortaten der Geldwäsche vom Rauschgifthandel auf andere Verbrechen ausgedehnt werden; jedes Land soll jedoch selbst bestimmen, „welche Verbrechen als kriminelle Vortaten der Geldwäsche bezeichnet werden.“ Die FATF-Mitgliedstaaten verpflichten sich, die Empfehlungen in ihr nationales Recht umzusetzen. Ihrem Selbstverständnis nach beanspruchen die Empfehlungen jedoch weltweite Geltung.[10]
FATF-Instrumente
Die FATF verfügt über zwei Mechanismen, mit denen sie überprüfen kann, ob die Empfehlungen in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden: Zum einen werden die Mitglieder aufgefordert, jährliche Berichte über den Stand der nationalen Geldwäschebekämpfung vorzulegen. Die Ergebnisse dieses „self assessing“ gehen in die jährlichen Tätigkeitsberichte der FATF ein. Zum anderen existiert ein Verfahren der gegenseitigen Evaluation, in denen vom FATF-Sekretariat berufene Experten die Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung und -Praxis in den Mitgliedstaaten untersuchen. Sofern Mängel festgestellt werden, werden die Staaten aufgefordert, diese abzustellen. So war etwa die Novellierung des kanadischen Money Laundering Act im Jahr 2000 eine direkte Folge des FATF-Berichts;[11] auch die Einrichtung einer deutschen Zentralstelle für Verdachtsanzeigen im Bundeskriminalamt ist auf entsprechende „Anregungen“ der FATF zurückzuführen.
Vor einigen Jahren startete die FATF ihre „NCCT-Initiative“. NCCT steht für „Non-Cooperative Countries and Territories“. In der Umsetzung der 21. Empfehlung, der zufolge die Finanzinstitute besonders aufmerksam bei Transaktionen mit Ländern sein sollen, in denen die Empfehlungen nur unzureichend umgesetzt werden, hat die FATF es sich zur Aufgabe gemacht, weltweit nach solchen Staaten zu suchen. Im Juni 2000 wurde erstmals eine Liste der NCCTs veröffentlicht. Sie umfasste damals 15 Staaten, u.a. Russland, Israel und Liechtenstein, die in der aktuellen Auflistung nicht mehr enthalten sind. Bis zum Frühjahr 2001 hatten sieben der genannten Länder Geldwäsche-Bestimmungen erlassen. Gegenwärtig nennt die FATF zehn nicht kooperierende Länder. Dazu gehören neben einigen Kleinststaaten Ägypten, Nigeria, Guatemala, Indonesien, die Philippinen und die Ukraine. Das Beispiel der Republik Nauru zeigt, wie die NCCT-Initiative in den FATF-Ländern umgesetzt wird. Nauru gehörte bereits zur ersten NCCT-Liste. Das Geldwäsche-Gesetz, das Nauru 2001 schuf, erfüllte jedoch nicht die Kriterien der FATF. Nachdem ein Ultimatum für die Nachbesserung verstrichen war, forderte die FATF die Mitgliedstaaten zu Gegenmaßnahmen auf. Der FATF-Beschluss führte dazu, dass die Bundesanstalt für das Kreditwesen im Dezember 2001 „weitere zusätzliche Geldwäschepräventionsmaßnahmen“ für Transaktionen von oder nach Nauru den deutschen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten nahe legte: „verstärkte Kundenidentifizierungspflichten“, die Überprüfung bestehender Bankbeziehungen, um „eine Entscheidung über das Fortbestehen der Geschäftsbeziehungen bzw. deren Kündigung zu treffen“, alle Geschäfte in oder aus Nauru sollten „einer eingehenden Überprüfung unterzogen“, und, sofern eine Geldwäsche nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, sollte eine Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz erstattet werden.[12] Die Aufnahme in die NCCT-Liste führt zu einer erheblichen Verschlechterung – wenn nicht zur Einstellung – des Zahlungsverkehrs mit den betroffenen Ländern. Das ist das erklärte Ziel der FATF-Strategie: Staaten, die sich nicht freiwillig ihren Vorstellungen unterwerfen, sollen durch ökonomischen Druck dazu gezwungen werden.
Nach dem 11.9.2001 hat die FATF sich der „Finanzierung des Terrorismus“ zugewandt. Die FATF-Vollversammlung beschloss Ende Oktober 2001 acht entsprechende „Sonder-Empfehlungen“. Die Länder werden aufgefordert, die Finanzierung des Terrorismus unter Strafe zu stellen und sie in den Vortaten-Katalog der Geldwäsche aufzunehmen. Regelungen über das Einziehen und die Beschlagnahme von „terroristischem Vermögen“ sollen erlassen werden; verdächtige Transaktionen sollen den Behörden gemeldet werden. Die Staaten sollen den Informationsaustausch verbessern und sich gegenseitig „größtmögliche Hilfe“ leisten. Besonderes Gewicht legen die „Sonder-Empfehlungen“ auf „alternative Überweisungen“ und „nichtkommerzielle Organisationen“, die intensiv kontrolliert werden sollen. Mit den Mechanismen der FATF (self assessing und mutual evaluation) soll auch überprüft werden, inwieweit die Staaten diesen neuen Empfehlungen folgen.
Finance Intelligence Units (FIUs)
Eine Besonderheit innerhalb des FATF-Gebildes ist die sogenannte „Egmont-Gruppe“, die seit 1995 besteht.[13] Bei dieser Gruppe handelt es sich um einen Zusammenschluss der „Financial Intelligence Units of the World“ (so der offizielle Untertitel der Egmont-Gruppe). Nach ihrer eigenen Definition sind FIUs jene zentralen staatlichen Stellen, die für die Sammlung, die Analyse und die Weiterleitung oder Veröffentlichung von finanziellen Informationen zuständig sind, die sich auf die Erträge aus Straftaten beziehen oder die mit der Bekämpfung der Geldwäsche beauftragt sind. Gegenwärtig gehören die FIUs aus 69 Staaten der Egmont-Gruppe an; jede Stelle, die die Definition erfüllt, kann in die Gruppe aufgenommen werden. Deutschland fehlt bislang in dieser Liste, da bis zum vergangenen Herbst keine bundesweite Zentralstelle bestand.
Zentrales Anliegen der Egmont-Gruppe ist, den internationalen Informationsaustausch im Hinblick auf die Geldwäsche zu verbessern. 2001 hat man sich auf „Prinzipien“ für den gegenseitigen Informationsaustausch verständigt, die einige allgemeine Absichtserklärungen im Hinblick auf Datenweitergabe, Vertraulichkeit und Zweckbindung enthalten. Der Informationsaustausch soll auf Anforderung oder spontan erfolgen und „alle verfügbaren Informationen“ umfassen, die für die Analyse Geldwäsche verdächtiger Transaktionen erforderlich sind. Die Egmont-Gruppe fördert auch die Ausbildung der FIU-Spezialisten in den Mitgliedsländern. Inwieweit im FIU-Kontext auch die staatlich „überwachte Lieferung von Vermögen“ vorbereitet wird, die die FATF in ihrer 36. Empfehlung den Staaten vorschlägt, ist nicht bekannt.
Auf dem Weg zur globalen Bürokratie
Die internationalen Übereinkünfte wie die Tätigkeit der FATF dienen einem doppelten Ziel: Sie sollen weltweit vergleichbare Strafbarkeitsstandards schaffen, und sie sollen die Zusammenarbeit der nationalen Strafverfolgungsbehörden verbessern, indem sie Standards für den Informationsaustausch und das operative Instrumentarium der Polizeien schaffen. Unter dieser Perspektive erscheint die FATF als der fortgeschrittenste Versuch einer globalisierten Verbrechensbekämpfung.
Zu den besonderen Merkmalen dieser Art der Globalisierung gehört die enorme Kluft zwischen der mangelnden demokratischen Legitimation der Akteure und den Wirkungen, die sie auslösen können. FATF-Entscheidungen können Länder (auch solche, die der FATF nicht angehören) veranlassen, ihre Gesetze zu ändern. Kooperationsunwillige Länder werden mit wirtschaftlichen Sanktionen bedroht. Damit haben die Geldwäsche-Experten im Konfliktfall mehr Einfluss auf die nationalen Gesetze als die gewählten Volksvertreter. Die FATF besitzt keine unmittelbare demokratische Legitimation. Sie entstand aus einer Übereinkunft der führenden Industriestaaten; sie ist keiner regierungsexternen Kontrolle unterworfen; und die nationalen Parlamente haben auf sie keinen Einfluss. Durch die FATF ist mithin auf der globalen Ebene bereits entstanden, was sich die Bürokratien schon immer wünschen: Dass sie ungehindert schalten und walten können.
Die Globalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte erhält so ihr Pendant in der Geldwäschebekämpfung. Aktive Verdachtschöpfung, Überwachung des Geldverkehrs, Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und Meldepflichten erscheinen als Ausgleich für die neuen Gefahren der Geldwirtschaft. Im FATF-Zeitalter schickt die Kriminalstrategie sich an, (auch noch) über die Freiheit des Kapitals zu entscheiden.