Neue Frontex-Verordnung: Aufrüstung der Festung Europa

Die Europäische Union baut eine Grenztruppe mit 10.000 Einsatzkräften auf, den größten Teil stellt die Bundespolizei. Die neue Kommissionspräsidentin will die Truppe bereits in 2024 komplett haben. Frontex erhält außerdem mehr Kompetenzen und verändert ihre Organisationsstruktur.

Mit einer „Ständigen Reserve“ („Standing Corps“) von 10.000 zusätzlichen Einsatzkräften perfektioniert die EU-Grenzagentur Frontex die Abschottung der Europäischen Union. So steht es in dem Vorschlag der EU- Kommission vom 12. September 2018 zur Änderung der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (EBCG). Die neue Grenztruppe soll Übertritte an den Außengrenzen Europas verhindern sowie Rückführungen und Abschiebungen durchführen.

Frontex verfügt derzeit nur über ziviles Personal und „leiht“ sich Einsatzkräfte für die gemeinsamen Operationen aus den Mitgliedstaaten. Bislang steht jede Mission unter der Verantwortung eines Einsatzmitgliedstaates, die Grenzagentur kann diese gemäß der neuen Verordnung zukünftig auch selbst leiten.

1.277 deutsche PolizistInnen

Der Aufbau des neuen „Standing Corps“ erfolgt schrittweise. Ab dem ab 1. Januar 2021 werden 6.500 BeamtInnen eingestellt, bis 2024 sind es nach derzeitigen Plänen 8.000. Das meiste Personal ist als „Einsatzkräfte für kurzfristige Entsendungen“ vorgesehen (insgesamt 5.500 PolizistInnen), für die langfristige Abordnung sowie als „Reserve für Soforteinsätze“ jeweils weitere 1.500. Als eigenes Statuspersonal erhält Frontex 3.000 BeamtInnen.

Die vier Kategorien des „Standing Corps“ von Frontex (BT-Drucksache 19/12151).

Rund 10 Prozent aller Einsatzkräfte der Grenzagentur werden schon jetzt von der Bundespolizei gestellt, Deutschland ist damit der größte Entsendestaat. Im Rahmen des „Standing Corps“ sollen es 1.277 deutsche PolizistInnen werden. Frontex-Operationen werden außerdem vom Bundeskriminalamt und der Zollverwaltung unterstützt.

Der Rat und das alte Europäische Parlament haben dem Aufwuchs von Frontex bereits grundsätzlich zugestimmt, nach einer linguistischen Korrektur (das sogenannte Artikel 241-Verfahren) beschließen die Mitgliedstaaten und das neue Parlament den Rechtsakt in einer ihrer nächsten Sitzungen abermals formal. Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union tritt die Verordnung dann vermutlich noch in diesem Jahr in Kraft. Noch vor der endgültigen Verabschiedung hat die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, den Aufbau des „Standing Corps“ schon in 2024 abzuschließen. Allerdings ist unklar, ob die Mitgliedstaaten hierfür geeignetes Personal mobilisieren können. Diskutiert wird deshalb, als Anreiz die Besoldung der BeamtInnen zu erhöhen.

Mehr Überwachung des „Grenzvorbereichs“

Frontex hat außerdem ihre Überwachungsfähigkeiten verstärkt. Die Grenzagentur betreibt das Überwachungssystem EUROSUR, das unter anderem die Küstenregionen von Algerien, Tunesien und Libyen überwacht. Hierfür testet Frontex den Einsatz von Drohnen, die ursprünglich für das Militär entwickelt wurden. Die Ausforschung dieses „Grenzvorbereichs“ vor Nordafrika wird nun auf neue Gebiete ausgeweitet.

Die „Multipurpose Aerial Surveillance“ von Frontex in Lampedusa (Frontex).

Seit zwei Jahren bietet die Grenzagentur Frontex den EU-Mitgliedstaaten an, ihre Außengrenzen mit einem Flugzeug aus der Luft zu überwachen. Zuerst hatte Italien ab 2017 Flüge dieser „Multipurpose Aerial Surveillance“ (MAS) bestellt. Vor einem Jahr hat Frontex den Luftüberwachungsdienst ausgebaut, zu den neuen Einsatzgebieten gehören die Länder des Westbalkan, das Ägäische Meer, das Schwarze Meer und der Atlantik. Die meisten Flüge erfolgen mit bemannten Systemen, nur in Portugal erledigt Frontex die MAS mit einer Drohne. Eine Überwachung von Landgrenzen erfolgte erstmals mit Kroatien.

Einsätze in Drittstaaten

Wegen des völkerrechtlichen Non-refoulement-Gebots darf Frontex keine Geflüchteten an einer EU-Außengrenze zurückweisen. Im Bereich der Grenzüberwachung ist das neue „Standing Corps“ deshalb für den Einsatz in Drittstaaten gedacht. Die neue Frontex-Verordnung erleichtert solche Einsätze außerhalb der EU. Einer dortigen Durchführung von Rückführungen und Abschiebungen wollte das EU-Parlament allerdings nicht zustimmen.

Länder mit denen Frontex Statusvereinbarungen vereinbart hat oder aushandelt. (Europäische Union)

Ein erstes operatives Abkommen mit einem Drittstaat hat die Grenzagentur mit Albanien geschlossen, der Einsatz begann im Mai dieses Jahres. Weitere Abkommen mit den Regierungen in Bosnien, Serbien, Mazedonien und Montenegro sind bereits verhandelt, müssen dort aber noch den Gesetzgebungsprozess durchlaufen.

Mit der Aufrüstung von Frontex plant die Agentur eine neue Organisationsstruktur. Das Hauptquartier in Warschau bleibt für die Beobachtung und Analyse von Migration zuständig und plant die Operationen. Für deren Durchführung errichtet Frontex Außenstellen („Antenna Offices“) in den Einsatzmitgliedstaaten. Der Frontex-Direktor Fabrice Leggeri erhält zukünftig drei Exekutivdirektoren, ihre Aufgabenbereiche werden noch definiert. Die Bundesregierung berichtet von Plänen, auch dem Grundrechtebeauftragten „einen Stellvertreter bzw. Stellvertreterin zusätzlich zur Seite zu stellen“.

Update 25. Oktober: Die neue Frontex-Verordnung im Wortlaut. Am 30. Oktober Annahme im Ausschuss der Ständigen Vertreter, am 8. November im Rat. Das EU-Parlament unterzeichnet eine Woche später. Anfang Dezember tritt die VO in Kraft.

Beitragsbild: Gemeinsame Operation „Poseidon“ in Griechenland (Frontex).

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