Für die Teilnahme am Visa Waiver Programm erlaubt Israel den USA Zugang zu seinen biometrischen Daten. Die Regierung in Washington will dies für weitere 40 Länder vorschreiben.
Die US-Regierung hat ein Schreiben an EU-Mitgliedstaaten verschickt, das eine Verstärkte Partnerschaft für Grenzsicherheit (Enhanced Border Security Partnership – EBSP) ankündigt. Darin soll der Zugriff auf Fingerabdruck-Datenbanken durch US-amerikanische Grenzbehörden geregelt werden. Dies würde eine Bedingung für Länder, deren Staatsangehörige visafrei in die Vereinigten einreisen können.
Auch die Bundesregierung hat am 9. Februar eine solche Mitteilung von der US-Botschaft erhalten, antwortet das Innenministerium auf eine parlamentarische Schriftliche Frage. Die Vorschrift soll demnach ab 2027 gelten. „Im Wesentlichen soll damit wohl unter anderem ein Austausch von biometrischen Daten, unter anderem von Reisenden, ermöglicht werden“, schreibt das Ministerium und will weitere Einzelheiten klären.
5,5 Millionen Personendatensätze mit Fingerabdrücken beim BKA
Das Visa Waiver Programm (VWP) umfasst nach Angaben der US-Regierung derzeit 40 Länder. Es ermöglicht die Einreise zu touristischen oder geschäftlichen Zwecken für bis zu 90 Tage. Zwar braucht es dafür kein Visum, die Reisenden müssen aber vorab eine gültige Genehmigung über ein digitales Registriersystem (Electronic System for Travel Authorization – ESTA) beantragen und dabei Angaben zum Grund und Verlauf der Reise machen. Alternativ kann zum ESTA aber auch ein reguläres Visum beantragt werden.
Im VWP werden keine biometrische Daten erhoben, auch die Voranmeldungen des ESTA sehen dies nicht vor. Es ist deshalb anzunehmen dass die Abfrage europäischer Datenbanken erst beim endgültigen Grenzübertritt in den USA erfolgen soll. Denn spätestens dort müssen auch alle Teilnehmenden am VWP ihre Fingerabdrücke und Gesichtsbilder abgeben.
Unklar ist, auf welche nationalen Datenbanken die US-Behörden in den einzelnen Ländern eigentlich zugreifen wollen. In Deutschland liegen Fingerabdrücke, die für polizeiliche Zwecke genutzt werden können, in der INPOL-Datenbank, die vom Bundeskriminalamt (BKA) geführt wird. Auch die Einträge im Ausländerzentralregister sind dort gespiegelt. Im vergangenen Jahr waren in INPOL 5,5 Millionen Personendatensätze durchsuchbar gespeichert, außerdem rund 546.000 ungelöste daktyloskopische Tatortspuren.
Französischer EU-Vorsitz will antworten
Als offenbar erstes Land will Israel seine biometrischen Datenbanken für die amerikanische Einreisekontrolle öffnen, auch dies wird aber in der Ankündigung dazu nicht präzisiert. Anfang März hat das US-Heimatschutzministerium (DHS) ein entsprechendes Abkommen mit der israelischen Innenministerin und dem Minister für öffentliche Sicherheit unterzeichnet. Bislang ist Israel nicht Mitglied im VWP, die geplante zukünftige Teilnahme kommt also von vornherein mit der Abfrage biometrischer Daten.
Zwar hat die US-Regierung auch an die EU-Kommission eine Mitteilung über die „Verstärkte Partnerschaft für Grenzsicherheit“ geschickt, soweit bekannt wird darin aber kein Zugriff auf EU-Informationssysteme gefordert. Trotzdem plant der französische EU-Vorsitz eine gemeinsame Antwort im Namen der im Rat zusammengeschlossenen Mitgliedstaaten. Der Vorstoß überrascht, denn die Regierung in Washington könnte dies als Einladung zum Zugriff auf EU-Datenbanken interpretieren. Die Eurodac-Datei, die von allen Schengen-Staaten zu Asylsuchenden geführt wird, enthält beispielsweise 6,5 Millionen Fingerabdruckdatenblätter, diese können auch polizeilich durchsucht werden. Das Gleiche gilt für die rund 294.000 Fingerabdrücke im Schengener Informationssystem.
Sowohl in dem Schreiben an die europäischen Regierungen als auch zur Vereinbarung mit Israel ist von einem „Austausch“ der Informationen die Rede. Möglich wäre also, dass auch die US-Regierung biometrische Datenbanken für die ausländischen Grenzbehörden zugänglich macht. Eine deutsche Abfrage könnte dann im Rahmen des Ein-Ausreisesystems erfolgen, das die EU im kommenden Jahr für visafrei Reisende in Betrieb nimmt und das beim Übertritt jeder EU-Außengrenze – dazu können auch Flughäfen gehören – die Abgabe von vier Fingerabdrücken und dem Gesichtsbild vorschreibt.
Wahrscheinlicher wäre jedoch ein Anschluss an das Prüm-System, das die Fingerabdruck- und DNA-Datenbanken der Polizeibehörden in den Schengen-Staaten miteinander vernetzt und nun um Gesichtserkennung erweitert wird. Auch Drittstaaten können sich beteiligen, der erste wird Großbritannien nach dem Brexit sein.
Austausch zur Strafverfolgung bereits seit 2016
Der Zugriff auf in Deutschland gespeicherte Fingerabdrücke und DNA-Proben ist bereits in einem Deutsch-Amerikanischen Sicherheitsabkommen (DASA) von 2008 geregelt, allerdings ausschließlich zur Strafverfolgung im Falle einer „ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“ und nicht zum Abgleich von Reisenden. Die Umsetzung erfolgte nach Abschluss eines technischen Abkommens im Jahr 2012 sowie einer weiteren vierjährigen Verspätung.
Kontaktstellen für den Austausch sind – soweit bekannt – das BKA und das Federal Bureau of Investigation (FBI). In den ersten zwei Jahren wurden auf diese Weise 101 Anfragen nach Deutschland geschickt, deutsche Behörden nahmen im gleichen Zeitraum 191 Recherchen vor. Dabei wurden fünf Übereinstimmungen bei Fingerabdrücken erzielt.
Gesichtsbilder sind vom DASA noch nicht umfasst. Das Abkommen ist den Prüm-Beschlüssen nachempfunden, mit dem sich die Schengen-Staaten seit 2008 Zugriff auf ihre polizeilich gespeicherten Fingerabdrücke und DNA-Daten ermöglichen. Das Prüm-System wird zukünftig nach Abschluss des EU-Gesetzgebungsverfahrens auf Gesichtsbilder erweitert; gut möglich also, dass die US-Regierung auch im DASA einen solchen Ausbau fordert und das FBI in einigen Jahren biometrische Lichtbilder in Deutschland abfragen kann.
Neue Regelung zur Fahndung im Schengener Informationssystem
Zukünftig können Behörden aus den USA und anderen, ausgewählten Ländern außerdem Fahndungen in Europa initiieren, die neben Gesichtsbildern oder DNA-Proben auch Fingerabdrücke enthalten können. Listen mit betroffenen Personen aus Drittstaaten werden dazu an Europol geschickt, die Polizeiagentur sucht dann einen willigen Mitgliedstaat zur Ausschreibung im Schengener Informationssystem. Die EU-Mitgliedstaaten und der Rat haben sich vergangene Woche auf eine entsprechende Verordnung geeinigt.
In mindestens 70 Fällen hat auch das BKA eine solche Fahndung vorgenommen, die Betroffenen stammten aus Syrien, dem Irak und Marokko. Auch dieses Verfahren dient jedoch lediglich der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Ob und wann die US-Behörden informiert werden, wenn die Ausgeschriebenen festgenommen oder ihnen die Einreise in die Europäische Union verweigert wird, kann der ausschreibende Mitgliedstaat nach eigenem Ermessen entscheiden.
Im Text heißt es: »außerdem rund 546.00 ungelöste daktyloskopische Tatortspuren« – fehlt eine 0, oder steht der Punkt an der falschen Stelle?
Danke ist gefixt, es fehlte eine Null.