Schlagwort-Archive: USA

Überprüfung von Reisenden: US-Behörden wollen Fingerabdrücke in EU abfragen

Für die Teilnahme am Visa Waiver Programm erlaubt Israel den USA Zugang zu seinen biometrischen Daten. Die Regierung in Washington will dies für weitere 40 Länder vorschreiben.

Die US-Regierung hat ein Schreiben an EU-Mitgliedstaaten verschickt, das eine Verstärkte Partnerschaft für Grenzsicherheit (Enhanced Border Security Partnership – EBSP) ankündigt. Darin soll der Zugriff auf Fingerabdruck-Datenbanken durch US-amerikanische Grenzbehörden geregelt werden. Dies würde eine Bedingung für Länder, deren Staatsangehörige visafrei in die Vereinigten einreisen können.

Auch die Bundesregierung hat am 9. Februar eine solche Mitteilung von der US-Botschaft erhalten, antwortet das Innenministerium auf eine parlamentarische Schriftliche Frage. Die Vorschrift soll demnach ab 2027 gelten. „Im Wesentlichen soll damit wohl unter anderem ein Austausch von biometrischen Daten, unter anderem von Reisenden, ermöglicht werden“, schreibt das Ministerium und will weitere Einzelheiten klären. Überprüfung von Reisenden: US-Behörden wollen Fingerabdrücke in EU abfragen weiterlesen

Community Accountability: Feministisch-antirassistische Alternative zum strafenden Staat?

von Marie-Theres Piening und Jenny Künkel

Polizei und Gefängnis (re-)produzieren Gewalt, statt sie zu beenden. Soziale Bewegungen entwickeln neue Konfliktbearbeitungswege wie Community Accountability/Transformative Justice. Sie set­zen auf Gemeinverantwortung statt auf den strafenden Staat, reproduzieren aber Macht in und zwischen Communities. Auch sind sie strukturell passfähig mit neoliberaler Selbstverantwortung und bleiben auf Nachbar- oder Wertegemeinschaft begrenzt.

Kritische Perspektiven auf Polizei und den strafenden Staat stehen oftmals vor einem Dilemma: Einerseits kritisieren sie ‚Kriminalität‘ oder ‚abweichendes Verhalten‘ als Zuschreibung und Produkt von Kontrollpraktiken, die Macht- und Herrschaftsverhältnisse stabilisieren. Andererseits muss jede Gesellschaft sozial unerwünschtes Verhalten definieren und einen Umgang damit finden. Dieser Prozess ist nie machtfrei. Denn ob z. B. unerwünschte Berührungen, Wohnraumaneignung, Grenz­über­querungen oder das Sterben lassen in diesem Prozess als inakzeptabel und gegebenenfalls sanktionierbar gelten, verändert wie Men­schen zueinander ins Verhältnis treten. Community Accountability: Feministisch-antirassistische Alternative zum strafenden Staat? weiterlesen

Nehmt Eure Zustimmung zurück: Entzieht der Polizei die Finanzierung

Aufruf von Showing Up for Racial Justice (SURJ) an weiße Menschen

von Hilary Moore, SURJ

Millionen Menschen sind weltweit auf die Straße gegangen, um ihre Empörung über den Mord von George Floyd, einem unbewaffneten Schwarzen Mann, durch einen Beamten der Minneapolis Police am 25. Mai 2020 auszudrücken. Die Forderung der Bewegung für Schwarze Leben (Movement for Black Lives, M4BL) “Defund the Police” – “Entzieht der Polizei die Finanzierung” vermag die Fantasie zu entfachen: Gemeinschaften üben erfolgreich Druck auf die Städte aus, damit diese ihren Polizeidienststellen die Finanzierung entziehen und sie auflösen, z.B. in Los Angeles, Minneapolis, Philadelphia und Dallas.

“Entzieht der Polizei die Finanzierung” ist eine Antwort auf Jahrzehnte der Desinvestition in Gesundheitsinfrastrukturen, Bildungssysteme und bezahlbaren Wohnraum. Dieses bewusste Ausweiden sozialer Infrastrukturen hängt direkt zusammen mit dem Aufblähen von Polizeibudgets und der Ausbreitung von Gefängnissen. Strafe und Kontrolle wurden die reflexartigen Reaktionen des Staates auf sein Versagen bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen. Nehmt Eure Zustimmung zurück: Entzieht der Polizei die Finanzierung weiterlesen

Wieso und wie der Polizei die Finanzierung entziehen

Jason Kirkpatrick

Der vage und leicht falsch zu verstehende Ruf nach „Defund the Police“ („Der Polizei die Finanzierung entziehen“) hat sich schnell in den gesamten Vereinigten Staaten verbreitet. Manche reagieren vielleicht reflexartig mit „nein“ auf diesen Aufruf. Laut Umfragen will aber eine große Mehrheit der Amerikaner*innen das Leben von People of Color im ganzen Land verbessern. Reformen wie die Unterweisung der Polizei in der Deeskalation von Konflikten und der Einsatz von Körperkameras werden von etwa 90% der Amerikaner*innen unterstützt.

Wie könnten also polizeikritische Lösungen für die gegenwärtige Situation aussehen, wie könnten sie bezahlt werden, und sollten die jeweiligen Kosten wirklich aus dem Polizeibudget finanziert werden? Wieso und wie der Polizei die Finanzierung entziehen weiterlesen

Kapitalistische Kampfbünde – Zum Verhältnis von Polizei und Militär in den USA

von Volker Eick

Seit 1991 hat das US-Verteidigungsministerium Waffen und sonstiges Material im Wert von 6,8 Milliarden Dollar an lokale und staatliche Polizeibehörden ausgereicht, davon allein 450 Millionen im Haushaltsjahr 2013/14. Nur vier Prozent der 2013/14 gelieferten Ausstattung waren „controlled property“, also reine Militärausrüstung.

„Nur“ vier Prozent? Immerhin hieß das rund 78.000 Schusswaffen, mehr als 600 minengeschützte Kettenfahrzeuge, also Mine Resistant Ambush Protected Vehicles (MRAPs), und sonstiges taktisches Kampfmaterial. Zwischen Januar 1997 und Oktober 1999 kamen so 253 Flugzeuge und Hubschrauber, rund 7.900 M16-Gewehre, 180 Granatwerfer, 8.100 schusssichere Helme und 1.160 Nachtsichtgeräte in Polizeibesitz. Zwischen Januar 2006 und April 2014 lieferte das Pentagon an lokale und bundesstaatliche Polizeibehörden rund 80.000 Sturmgewehre, 200 Granatwerfer, 12.000 Bajonette, 50 Flugzeuge sowie 422 Helikopter. Allein die beiden für Ferguson (Missouri) zuständigen County-Polizeien (weniger als 1.000 Bedienstete) erhielten vom US-Militär u. a. neun MRAPs, zwölf M16-Sturmgewehre und drei Hubschrauber.[1] Kapitalistische Kampfbünde – Zum Verhältnis von Polizei und Militär in den USA weiterlesen

Protest erscheint als Aufstand, der mit aller Macht unterdrückt werden muss

Bernard E. Harcourt erklärt im Interview den Zusammenhang zwischen der „expositorischen Gesellschaft“, in der die Menschen sich der Preisgabe persönlicher Informationen im Internet kaum noch entziehen können, moderner Aufstandsbekämpfung und der Militarisierung der US-Polizei.

Interview von Carl Melchers

Bernard Harcourt (geb. 1963) ist Juraprofessor und Direktor des Columbia Center for Contemporary Critical Thought an der Columbia Law School in New York City. Zuvor war er Professor für Politikwissenschaft an der Universität Chicago. Außerdem vertritt er als Menschenrechtsanwalt Mandanten in Alabama und vor dem Obersten Gericht der USA, die zum Tod oder zu lebenslangen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden. Protest erscheint als Aufstand, der mit aller Macht unterdrückt werden muss weiterlesen

Spuren der Reid-Methode: Erzwungene Geständnisse und institutioneller Rassismus

von Heike Kleffner

Anfang der Nullerjahre absolvierten über hundert bayerische KriminalbeamtInnen Fortbildungskurse in der aus den USA importierten Reid-Vernehmungsmethode. Deren Gefahren zeigen sich u.a. in den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und im Fall der ermordeten neunjährigen Peggy K. aus Oberfranken.

Die auf die Angehörigen der neun migrantischen Mordopfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und Betroffenen der rassistischen Anschläge fokussierten Ermittlungen geraten in der medialen und parlamentarischen Aufarbeitung zunehmend in Vergessenheit. Auch in dem seit fünf Jahren andauernden Prozess vor dem Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten mussten NebenklagevertreterInnen hart darum kämpfen, dass die Ermittlungsführung überhaupt thematisiert werden konnte. Spuren der Reid-Methode: Erzwungene Geständnisse und institutioneller Rassismus weiterlesen

Videos zum Hinfassen: BodyCams in den USA und der BRD

von Volker Eick

Mit der BodyCam am RoboCop, also der Einführung von am Polizeikörper getragenen Videokameras und dem dazugehörigen Equip­ment, werden die TrägerInnen des staatlichen Gewaltmonopols seit gut zehn Jahren sukzessive auch zu TrägerInnen stattlicher Technologie, die im Angelsächsischen unter Body-Worn, On-Officer oder Lapel Camera firmiert.

Die ersten BodyCams führten Anfang der 2000er Jahre die dänischen und schwedischen Polizeien ein. Ab 2005 begann die Ausrüstung der britischen, ab 2008 die der US-amerikanischen Polizeien. 2009 starteten die Niederlande mit Tests, ab 2012 Australien und Kanada. Ab 2013 folgten Belgien, Deutschland, Frankreich und Spanien. Im Januar 2015 begann in Norwegen der Einsatz von BodyCams in Kombination mit Überwachungsdrohnen, Finnland startete Versuche Ende 2015, seit März 2016 schließlich trägt auch Österreichs Polizei BodyCams, in der Schweiz trägt man stattdessen (noch) Bedenken.[1] Videos zum Hinfassen: BodyCams in den USA und der BRD weiterlesen