Archiv der Kategorie: Beiträge

Nicht alle Artikel der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP sind online verfügbar. Im Netz finden sich bisher die kompletten Ausgaben 0 bis 72, die Nummern 73 bis 95 stellen wir in langsamer Folge ebenfalls online. Jüngere Hefte können hier bestellt werden.

Rassismus: Kein Thema für die deutsche Polizei? Gedanken zu einem Tabu

von Albrecht Funk

Wenn leitende Polizei- oder Ministerialbeamte der Innenministerien zur Ausländerfeindlichkeit in der Polizei öffentlich Stellung nehmen, ist allenfalls von einigen „faulen Äpfeln“ die Rede, die es in jeder Sparte gäbe. Angesprochen auf das Thema Rassismus in der Polizei fallen allenfalls Begriffe wie Rodney King und Los Angeles. Vorkommnisse auf deutschen Polizeirevieren scheint es – zumindest offiziell – nicht zu geben. Die Indikatoren eines gesetzestreuen Vollzugsdienstes „ohne Ansehen der Person“ geben den Verwaltern der offiziellen Polizeiwirklichkeit zunächst recht. Die ohnehin schon geringe Zahl an Strafanzeigen aufgrund polizeilicher Übergriffe verschwindet da, wo es um verbale Übergriffe auf ‚Ausländer‘ geht, nahezu völlig.

Auch in der überregionalen Presse tauchten in den 70er und 80er Jahren nur sporadisch einige Fälle auf, wie der dreier Bonner Polizisten, die nach einem Kneipenbummel zwei Türken beschimpft und krankenhausreif geschlagen hatten – immerhin außerhalb der Dienstzeit.[1] Erst seit einem Jahr finden sich im Redaktionsarchiv vermehrt Meldungen über polizeiliche Diskriminierungen und Übergriffe auf ausländische Mitbürger: Rassismus: Kein Thema für die deutsche Polizei? Gedanken zu einem Tabu weiterlesen

Berliner Polizei und Rechtsextremismus – Versuch einer Situationsbeschreibung

von Eckhardt Lazai

Im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Diskussion um eine effektive Bekämpfung des Rechtsextremismus und damit einhergehender Gewalttaten kommt der Frage nach der Rolle, welche die Polizei dabei wahrnehmen kann und soll, von Anfang an eine zentrale Bedeutung zu. Es ist festzustellen, daß diese hierbei oftmals stark überschätzt wird. Rufe nach dem starken Staat, nach mehr Befugnissen und besserer Ausrüstung für die Polizei sowie nach schärferen Gesetzen lassen außer acht, daß polizeiliches Handeln nur die Symptome, nicht aber die Ursachen für den Rechtsextremismus bekämpfen kann.

Natürlich muß in der gegenwärtigen Situation diskutiert werden, welche Funktion dem Instrument des ‚Strafens‘ in unserer Gesellschaft zukommt. Auch muß die Polizei organisatorisch, personell, materiell und rechtlich in der Lage sein bzw. versetzt werden, ihrem gesetzlichen Auftrag – hier dem Schutz der Menschenrechte ausländischer Mitbürger sowie der Strafverfolgung – nachzukommen. Berliner Polizei und Rechtsextremismus – Versuch einer Situationsbeschreibung weiterlesen

Die Erfassung rechtsextremistischer Straftaten – Wirrwarr auf ganzer Linie

von Kea Tielemann

In den zurückliegenden Wochen und Monaten wurden von Verfassungsschutz und Polizei diverse Abhandlungen und Statistiken veröffentlicht, die die reale Zunahme rechtsextremer Gewalttaten für die Jahre 1991 und 1992 dokumentieren sollen. Vergleicht man diese Statistiken miteinander, so ergeben sich trotz einer unterdessen eingeführten bundeseinheitlichen Definition z.T. erhebliche Widersprüche, da die erfaßten Delikte unterschiedlich zugeordnet werden.[1]

Seit dem März 1992 werden unter „fremdenfeindlichen Straftaten“ bundesweit einheitlich jene Tatbestände verstanden, „die in der Zielrichtung gegen Personen begangen werden, denen der Täter (aus intoleranter Haltung heraus) aufgrund ihrer

  • Nationalität, Volkszugehörigkeit,
  • Rasse, Hautfarbe,
  • Religion, Weltanschauung,
  • Herkunft oder
  • aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes ein Bleibe- oder Aufenthaltsrecht in seiner Wohnumgebung oder in der gesamten Bundesrepublik Deutschland bestreitet.

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Ausländerbeauftragte bei der Potsdamer Polizei – Mut zur Entpolizeilichung

von Frauke Postel

Nach den Rostocker Pogrom-Nächten führte eine Überprüfung der Asylbewerberheime in Brandenburg zu der erschreckenden Erkenntnis, daß die Sicherheitsmaßnahmen hier bei weitem nicht ausreichend waren. In der Folge entstand in Potsdam, einem der fünf Polizeipräsidien Brandenburgs, ein unerwartetes Konzept: Mit den Asylbewerbern sollte eine Zusammenarbeit zustande kommen, die es diesen erlaubte, Vertrauen in die Polizei zu entwickeln. Deshalb wurden Sicherheitsberater gebraucht, die – und das läßt aufmerken – als Ansprechpartner auch für die gefährdeten Asylbewerber Beratung anboten. Zudem sollte der Versuch unternommen werden, Asylbewerber über Verhaltensweisen aufzuklären, die gegen die Normen und Ordnungsvorstellungen ihrer deutschen Umgebung verstoßen, um damit zu einer besseren Akzeptanz beizutragen.

Entwickelt wurde das Konzept vor ungefähr einem halben Jahr von dem Potsdamer Polizeipräsidenten Detlef von Schwerin und seinem Leiter ‚Einsatz (E)‘, dem Leitenden Polizeidirektor Peter Schultheiß. Ausländerbeauftragte bei der Potsdamer Polizei – Mut zur Entpolizeilichung weiterlesen

Sonderkommission Rechtsextremismus: „Soko Rex“ – Polizeiliche Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen

von Otto Diederichs

Polizeiliche Sonderdezernate oder -arbeitsgruppen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gibt es mittlerweile in nahezu allen Bundesländern. In den meisten Fällen handelt es sich dabei jedoch um nicht sehr viel mehr als reinen Aktionismus. Lediglich die beim sächsischen Landeskriminalamt (LKA) in Dresden eingerichtete ‚Soko Rex‘ hat bislang beachtenswerte Erfolge vorzuweisen. Wenn man Konzept und Arbeit der seit eineinhalb Jahren arbeitenden ‚Soko Rex‘ indes etwas genauer betrachtet, hat auch ihr Vorgehen einige Schönheitsfehler.

„14 Tage vor meinem Kommen wurde Jorge Gomondai aus der Straßenbahn geprügelt, daß er zu Tode kam. Vor mir breitete sich ein rechtsorientiertes Gewaltphänomen aus: Das kann ja wohl nicht sein!, sagte ich mir. Es galt konsequente Strafverfolgung aufzuziehen, damit die Täter nicht ermuntert wurden. Hier mußten Spezialisten ran, die wußten, wie man mit diesem Klientel umgeht“,[1] beschreibt der Präsident des LKA Sachsen und geistige Vater der ‚Soko Rex‘, Peter Raisch, den Ursprung der Sonderkommission. Alles weitere ging dann erstaunlich schnell. Am 15. April 1991 übernahm Raisch die Leitung des Aufbaustabes für das LKA, schlug dem Innenministerium die Einrichtung einer Sonderkommission zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vor, und bereits am 1. Juli wurde die ‚Soko Rex‘ gegründet. Zwei Wochen später begann sie ihre Arbeit.[2] Als Aufgaben wurden ihr die „Durchführung der Strafverfolgung im deliktspezifischen Bereich sowie Vorbereitung von Präventionsmaßnahmen“[3] zugewiesen. Sonderkommission Rechtsextremismus: „Soko Rex“ – Polizeiliche Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen weiterlesen

Das Einsatzkonzept ‚LEO ELBE‘ – Etikettenschwindel in Sachsen-Anhalt

von Otto Diederichs

Nach dem Überfall von ca. 40-60 Skinheads auf eine Party von Punkern am 10. Mai 92 in der Magdeburger Gaststätte ‚Elbterrassen‘, bei dem ein 23jähriger Punker getötet wurde, machte man sich in Sachsen-Anhalt Gedanken darüber, wie man künftig auf derartige Situationen besser reagieren, insbesondere schneller und ausreichend Polizeikräfte einsetzen könne. Herausgekommen ist dabei u.a. das Einsatzkonzept ‚Landeseinsatzorganisation Elbe (LEO ELBE)‘.

„Nach Ansicht von Innenminister Hartmut Perschau ist die Polizei in Sachsen-Anhalt diejenige Institution, die besonders intensiv und offensiv die Auseinandersetzung mit dem gewalttätigen rechten Spektrum führt“, beginnt die Pressemitteilung, mit der der Öffentlichkeit das neue Konzept im November letzten Jahres vorgestellt wurde.[1] Damit solle es künftig möglich werden, „zügig geschlossene Einheiten zu bilden, sie regional zur Verfügung zu stellen und ohne großen Zeitverlust als ‚Alarmeinheiten‘ einzusetzen“.[2] Das Einsatzkonzept ‚LEO ELBE‘ – Etikettenschwindel in Sachsen-Anhalt weiterlesen

Polizei und Rassismus in Großbritannien – Altes Lied mit neuer Melodie

von Tony Bunyan

Das Thema Polizei und Rassismus reicht in Großbritannien zurück bis weit zur Jahrhundertwende und muß sich somit im Rahmen dieses Beitrages einer eingehenderen Betrachtung entziehen. Um die gegenwärtige Beziehung zwischen der Polizei und der ‚black community‘ (dieser Begriff umfaßt alle nichtweißen Gruppen) richtig zu verstehen, bedarf es zumindest jedoch eines Rückblickes auf die 80er Jahre. Nur so läßt sich nachvollziehen, was sich seitdem auf diesem Gebiet weiterentwickelt hat.[1]

Die Geschichte dieser Periode beginnt im April 1979 in Southall im Westen Londons, als die dortige asiatische Bevölkerung und ihre UnterstützerInnen gegen ein Treffen der faschistischen ‚National Front‘ protestierten. Zehntausende blockierten die Straßen. Die Polizei reagierte mit einem Angriff auf die DemonstrantInnen und verhaftete mehr als 350 Personen. Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen tötete ein Mitglied der ‚Special Patrol Group‘ (SPG), einer paramilitärischen Einheit zur Aufstandsbekämpfung (heute: ‚Territorial Support Group‘), den weißen Lehrer Blair Peach. In St. Pauls in Bristol formierten sich daraufhin Jugendliche gegen die Polizei und sperrten über Stunden den gesamten Bezirk, bis die Polizei aus umliegenden Revieren Verstärkung erhielt. Polizeifahrzeuge wurden mit Brandsätzen angegriffen und umgestürzt. Die Polizei reagierte darauf mit einer zusätzlichen Ausbildung nicht nur für die Sondereinsatzgruppen, sondern für alle Einheiten. Diese Ausbildungselemente zur Aufstandsbekämpfung sind unterdessen Bestandteil der regulären Ausbildung geworden und werden durch regelmäßige Fortbildungen aufgefrischt. Polizei und Rassismus in Großbritannien – Altes Lied mit neuer Melodie weiterlesen

Rassistische Polizei in Frankreich? Polizeiliches Einsatzverhalten und dessen Konsequenzen

von Hartmut Aden

Wer weißer Hautfarbe und gut gekleidet ist, wird wesentlich seltener von der Polizei kontrolliert als Schwarze und AraberInnnen. Das ist eine kaum zu bestreitende Alltagserfahrung mit der französischen Polizei. Verhalten sich französische PolizistInnen deshalb rassistisch? Wenn ja, wo liegen die strukturellen Ursachen, und welche Maßnahmen können dagegen ergriffen werden? Inwieweit handelt es sich um ein typisch französisches, inwieweit um ein internationales Problem?

Diese Fragen sind in letzter Zeit in zwei interessanten Diskussionsbeiträgen aufgegriffen worden: In einem Bericht der Internationalen Liga für Menschenrechte (Fédération Internationale des Droits de l`Homme, FIDH)[1] und in einer Analyse, die eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Soziologen Michel Wieworka für das zum Innenministerium gehörende Institut des Hautes Etudes de la Sécurité Intérieure (IHESI) erstellt hat.[2] Rassistische Polizei in Frankreich? Polizeiliches Einsatzverhalten und dessen Konsequenzen weiterlesen