Literatur

Literatur zum Schwerpunkt

Die internationale Literatur zu „Community Policing“ füllt vermutlich Bibliotheken. Für die Beiträge des Schwerpunktes haben wir auf die uns bekannten und zugänglichen Veröffentlichungen zurückgegriffen, auf die in den Fußnoten verwiesen wird. Einige interessante und informative Bücher und Aufsätze verdienen jedoch einen besonderen Hinweis.

Greene, Jack R.; Mastrofski, Stephen D. (eds.): Community Policing. Rhetoric or Reality, New York 1988
Rosenbaum, Dennis P. (ed.):
The Challenge of Community Policing. Testing the Promises, Thousand Oaks, London, New Delhi 1994

Die Sammelbände geben einen guten – wenn auch nicht mehr ganz aktuellen – Überblick über Community Policing in den USA, Kanada und Großbritannien. Neben den konzeptionellen Merkmalen von CP und seiner geschichtlichen Entwicklung werden Voraussetzungen, Praxis und Folgen unterschiedlicher lokaler CP-Modelle vorgestellt. Die Bände enthalten Aufsätze der bekanntesten CP-Experten (Skogan, Trojanowicz, Bayley, Manning, Moore, Greene) und geben insofern auch einen Einblick in unterschiedliche Positionen.

Sherman, Lawrence W.; Gottfredson, Denis C.; MacKenzie, Doris et al.: Preventing Crime: What Works, What Doesn’t, What’s Promising, in: National Institute of Justice, Research in Brief, July 1998 (http://www.ncjrs.org/pdffiles/171676.pdf)
Lyons, William: The Politics of Community Policing: Rearranging the Power to Punish, Chicago 1999

Beide Veröffentlichungen stellen eine aktuelle Bilanz von Community Policing (in den USA) dar. Bei dem Bericht von Sherman u.a. handelt es sich um eine Bestandsaufnahme, die im Auftrag des US-Kongresses erstellt wurde. Der vollständige Bericht ist auch im Internet verfügbar: http://www.ncjrs.org/works

Trojanowicz, Robert; Bucqueroux, Bonnie: Community Policing. A Contemporary Perspective, Cincinnati 1990

Für diejenigen, die eine zusammenfassende Darstellung aus der Feder überzeugter Befürworter von Community Policing suchen, sei dieses Buch empfohlen. Die CP-Philosophie wird hier in Reinform vertreten. Am Beispiel von Flint (Michigan) wird die Entwicklung einer vor allem auf räumliche Präsenz und Ansprechbarkeit der Polizei setzenden Strategie vorgestellt. Unter der Überschrift „Special People/Special Problems“ werden die CP-Antworten auf Sicherheitsprobleme, die von Jugendlichen, Minderheiten, Drogenmißbrauch etc. ausgehen (sollen) illustriert.

Goldstein, Herman: Problem-oriented Policing, New York, St. Louis, San Francisco u.a. 1990

Aus der Kritik des reaktiven Polizeimodells entwickelt Goldstein das Modell einer auf Problemlösung ausgerichteten Polizeiarbeit. „Problem solving“ wird als ein mehrstufiger Prozeß dargestellt, der darauf beruht, die lokalen Kontexte zu berücksichtigen und die BürgerInnen unmittelbar an der Problemdefinition, an der Entwicklung von Lösungsstrategien und an deren Umsetzung zu beteiligen.

Grabosky, Peter N.: Law Enforcement and the Citizen: Non-governmental Participants in Crime Prevention and Control, in: Policing & Society Vol. 2, 1992, No. 4, pp. 249-271

Die unterschiedlichen Formen der BürgerInnenbeteiligung an der präventiven und repressiven „Sicherheitsarbeit“ werden in diesem Aufsatz vorgestellt. Wer sich einen unmittelbaren Eindruck von Community Policing machen will, der oder die sollte im Internet auf die Suche gehen. Regelmäßig stößt man auf Selbstdarstellungen vor allem US-amerikanischer Polizeien. Häufig findet sich auch interessante Sekundärliteratur. Nur drei Hinweise:

Dölling, Dieter; Feltes, Thomas (eds.): Community Policing. Comparative Aspects of Community Oriented Police Work (Empirische Polizeiforschung, Bd. 5), Holzkirchen/Obb. 1993

Der Band enthält u.a. Berichte über Community Policing in zehn europäischen und nordamerikanischen Ländern. Besonders interessant sind sowohl die Beiträge von Ericson/Haggerty/Carriere über CP als „Communications Policing“ und der die USA-Erfahrungen zusammenfassende Bericht von Greene. Implizit vermitteln die beiden deutschen Beiträge (Kube und Jäger), daß die Gemeinde für die Polizei in Deutschland keine Rolle spielt(e).

Crawford, Adam: Appeals to community and crime prevention, in: Crime, Law and Social Change Vol. 22, 1995, pp. 97-126
Manning, Peter: Community Policing, in: Dunham, Roger G.; Alpert, Geoffrey P. (eds.): Critical Issues in Policing. Contemporary Readings, Prospect Heights, Ill. 1989, pp. 395-405
Kreissl, Reinhard: Die Simulation sozialer Ordnung. Gemeindenahe Kriminalitätsbekämpfung, in: Kriminologisches Journal 19. Jg., 1987, H. 4, S. 269-284

Die Aufsätze legen besonderen Wert auf die ideologischen, politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen von Polizei- und Sicherheitsstrategien, die auf der lokalen Ebene wirksam werden sollen.

Bässmann, Jörg; Vogt, Sabine: Community Policing. Projektbericht des Bundeskriminalamtes zu den Erfahrungen in den USA (BKA-Forschung), Wiesbaden 1997

Angestoßen durch die deutsche Diskussion über die (angeblichen) Erfolge der New Yorker Polizei entstand dieser BKA-Bericht. Neben den Programmen in fünf amerikanischen Städten und den Hintergründen des Konzepts werden auch die bundespolitischen Initiativen zur Förderung von CP kurz vorgestellt.

Aus der Flut der Veröffentlichungen zum New Yorker Polizeimodell verweisen wir stellvertretend auf diese drei Sammelbände, die das Spektrum der Resonanz in Deutschland gut wiedergeben:

Dreher, Gunther; Feltes, Thomas (Hg.): Das Modell New York: Kriminalprävention durch „Zero Tolerance“? Beiträge zur aktuellen kriminalpolitischen Diskussion (Empirische Polizeiforschung, Bd. 12), Holzkirchen/Obb. 1997
Ortner, Helmut; Pilgram, Arno; Steinert, Heinz (Hg.): Die Null-Lösung. New Yorker „Zero-Tolerance“-Politik – das Ende der urbanen Toleranz?, Baden-Baden 1998
Friedrich-Ebert-Stiftung, Berliner Büro (Hg.): New York! New York? Kriminalprävention in den Metropolen, Berlin 1998

Bundeskriminalamt (Hg.): Community Policing. Ergebnisse eines Workshops am 8./9. Juli 1997 im Bundeskriminalamt (BKA-Forschung), Wiesbaden 1997
Posiege, Petra; Steinschulte-Leidig, Birgitta: Bürgernahe Polizeiarbeit in Deutschland. Darstellung von Konzepten und Modellen (BKA-Forschung), Wiesbaden 1999

Beide BKA-Veröffentlichungen stehen symptomatisch für die CP-Rezeption in den deutschen Polizeien: Was auch immer die Polizei gegenwärtig macht, es wird als „Community Policing“ etikettiert.

Steffen, Wiebke: Veränderungen in der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung – Gemeinwesenorientierung als moderne Zielperspektive?, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1995, H. 3/4, S. 107-122
Dölling, Dieter: Läßt sich der Community Policing-Ansatz erfolgversprechend nach Deutschland transferieren?, in: Bundeskriminalamt (Hg.): Neue Freiheiten, neue Risiken, neue Chancen. Aktuelle Kriminalitätsformen und Bekämpfungsansätze (BKA-Forschungsreihe, Bd. 48), Wiesbaden 1998, S. 125-145

Steffen warnt vor zu einfachen Antworten, da sich hinter einer schönen Rhetorik die Probleme einer demokratisch agierenden Polizei versteckten. Die rückwärtsgewandte „Gemeinschaftsduselei“, die tendenziell auf eine Tyrannei der Mehrheit hinauslaufe, lehnt sie ebenso ab wie das Modell einer proaktiven Alltagspolizei. Statt dessen setzt sie auf gesellschaftliche Prävention. Obwohl Döllings Plädoyer für Community Policing in Deutschland nicht überzeugt, ist sein Aufsatz allein deshalb lesenswert, weil er die wesentlichen Pro- und Contra-Argumente präsentiert.
(sämtlich: Norbert Pütter)

Northoff, Robert (Hg.): Handbuch der Kriminalprävention. Fortsetzungswerk in Loseblattform, Baden-Baden 1997 (Nomos), zweite Lieferung 1999, Grundwerk 1 Ordner, ca. 650 S., DM 69,

Zur Politik der Präventionsräte gibt es eine Flut programmatischer Texte, in denen die Vorteile lokaler Prävention beschworen werden. Beispielhaft sind die gängigen Theoreme in diesem für die Praxis konzipierten Handbuch vereint. Hier finden sich nicht nur sämtliche Argumente des rhetorischen Überbaus, sondern auch zahlreiche Handlungsempfehlungen. Trotz beeindruckender Datenfülle (Übersicht über Gremien, Strategien, Projekte) bleibt der lexikalische Wert gering, da das Material unkritisch aufbereitet und unübersichtlich dargestellt ist.

Rössner, Dietrich; Jehle, Jörg-Martin (Hg.): Kriminalität, Prävention und Kontrolle (Neue Kriminologische Schriftenreihe, Bd. 104), Heidelberg 1999 (Kriminalistik Verlag), 406 S., DM 138,

Ein insgesamt affirmatives Gesamtbild ergibt sich auch aus diesem Sammelband, der Binsenweisheiten mit neueren Erfahrungen zusammenbringt. Edwin Kube präsentiert einen Jubiläumsaufguß seiner zwölf Jahre alten Lehre von den „Dimensionen der Kriminalprävention“, Wolfgang Heinz verkündet in acht Thesen die Notwendigkeiten kommunaler Kriminalprävention. Auch das Umfeld lokaler Prävention – von der Rolle des Strafrechts bis hin zu sozialpädagogischer Krisenintervention – wird weitgehend konform dargestellt. Lediglich Michael Walter wirft ein kritisches Auge auf die von ihm so genannte „Präventionsbewegung“. Er befürchtet ausgedehnte Kontrollnetze, einen „Privatisierungsschub“ sowie einen „Kreislauf“ aus Verbrechensfurcht und Präventionsstrategien.

Hitzler, Ronald; Peters, Helge (Hg.): Inszenierung: Innere Sicherheit. Daten und Diskurse, Opladen 1998 (Leske+Budrich), 216 S., DM 36,

Fundiertere Kritik und Analyse bieten zwei ältere Texte in diesem Band: In dem Beitrag „Präventionsräte, Stadtteilforen, Sicherheitspartnerschaften“ beschreibt Werner Lehne exemplarisch einige „Präventionsstrategien“ in Schleswig-Holstein, benennt Folgen und Gefahren und warnt vor der „Reorganisation des Politikfelds ,Innere Sicherheit'“. Hingegen schätzt Stefan Hornbostel – am Beispiel zweier Präventionsräte in Thüringen – die Reichweite lokaler Präventionsbemühungen als eher gering ein. In dem Aufsatz „Die Konstruktion von Unsicherheitslagen durch kommunale Präventionsräte“ stellt er zwar eine Erweiterung polizeilichen Handelns fest, sieht aber im lokalen Kontext wenig Handlungschancen.
(sämtlich: Christine Hohmeyer)

Sonstige Neuerscheinungen

Busch, Heiner: Polizeiliche Drogenbekämpfung – eine internationale Verstrickung, unter Mitarbeit von Elke Schäfter, Britta Grell, Wolf-Dieter Narr, Münster 1999 (Westfälisches Dampfboot), 338 S., DM 48,

Die Geschichte der internationalen Bekämpfung illegalisierter Drogen ist für die Polizei eine Erfolgsgeschichte – sowohl hinsichtlich der Durchsetzungsfähigkeit ihrer Bekämpfungskonzepte gegenüber sozialen und medizinischen Ansätzen als auch im Hinblick auf den Ausbau der Polizeiapparate. Diese Form polizeilicher Drogenbekämpfung hat zu gesellschaftlichen Lähmungserscheinungen geführt, die ihren Ausgangspunkt in einer fatalen prohibitiven Gesetzgebung hat. Die Studie von Heiner Busch fragt danach, welche Auswirkungen die zunehmend internationale polizeiliche Drogenbekämpfung auf die beteiligten Institutionen selber hat und inwieweit sich hierbei auch die Möglichkeiten einer politischen Kontrolle der Polizei verändert haben.

In den 80er Jahre kam es hier zu einem grundlegenden Wandel: „Drogen“ lösten den „Terrorismus“ als sicherheitspolitisches Leitthema ab. Gleichzeitig veränderte sich aber auch die polizeiliche Wahrnehmung dieses Kriminalitätsbereichs: Im Drogenkönig wurde nun auch ein „homo oeconomicus“ erkannt. Zudem wollte die Polizei lieber Netzwerke von Hintermännern zerschlagen als Straßendealer verfolgen. Das an sich rechtlich unbeachtliche Vorfeld möglicher Drogendelikte rückte damit immer mehr ins Zentrum des polizeilichen Ausforschungsinteresses. An die Stelle der eigentlichen Verdichtung eines Tatverdachts trat die anlaßunabhängige Verdachtsschöpfung.

Den Prozeß der Verpolizeilichung der internationalen Drogenpolitik zeichnet Busch für die UN- und europäische Ebene u.a. anhand der Entwicklung des Zolls nach. Dieser hat sich inzwischen mehr geheimpolizeiliche Verfolgungsmethoden verrechtlichen lassen, als es dem großen polizeilichen Bruder bis heute möglich war. Doch auch bei der Polizei hatte die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels die Funktion einer Einstiegsdroge: Der Öffentlichkeit wurde der Aufbau von EUROPOL erst einmal mit der Installierung der „European Drug Unit“ schmackhaft gemacht. Die Internationalisierung der polizeilichen Drogenbekämpfung hat zu einer Elitenbildung und Vergeheimdienstlichung der Polizei geführt. Busch illustriert diese Entwicklung z.B. anhand der zunehmenden Verwendung verdeckt gewonnener Informationen (der sog. Intelligence-Arbeit) durch EUROPOL und die nationalen Polizeibehörden. Die Unübersichtlichkeit organisatorischer Zusammenhänge wurde zu einem Charakteristikum der internationalen polizeilichen Drogenbekämpfung: Man trifft sich in Dutzenden von Gremien, von denen keines der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich ist. Die Studie von Heiner Busch u.a. schafft hier erstmals Übersicht. Die Entwicklung der internationalen polizeilichen Drogenbekämpfung spielt sich schließlich außerhalb der Gewaltenteilung ab. Dies führte zu einer Entpolitisierung der Drogenpolitik. Den Zusammenhang zum strukturell konservativen Charakter der EU belegt Busch mit der undemokratischen Verrechtlichungspraxis polizeilicher Drogenbekämpfungsmaßnahmen in der EU.

Busch geht es weder um die Drogen noch um den Sinn oder Unsinn von Entkriminalisierungsansätzen. Auch wird nicht die Frage der Effizienz polizeilicher Drogenbekämpfung untersucht. Die unter Mitarbeit von Britta Grell, Elke Schäfter und Wolf-Dieter Narr entstandene Studie ist ein Kompendium, eine Sammlung von Sachinformationen und Dokumenten, an die in diesem so perfekt abgeschotteten Bereich nur mit unglaublichen Mühen und Hartnäckigkeit heranzukommen ist. Die anregendsten, ja zum Teil spannenden Stellen des Buches beruhen entweder auf Interviews mit polizeilich Verantwortlichen oder auf der Darstellung eigener Recherchen über die beunruhigenden praktischen Auswirkungen einer sich insgeheim verselbständigenden Polizei.
(Mark Holzberger)

Franzke, Bettina: Polizisten und Polizistinnen ausländischer Herkunft. Eine Studie zur ethnisch-kulturellen Identität und beruflichen Sozialisation Erwachsener in einer Einwanderungsgesellschaft, Bielefeld 1999 (Kleine Verlag), 420 S., DM 58,80

„Die Studie sollte keine Anhaltspunkte für Mobbing gegen die Befragten bieten“ (S. 146). Mit diesem Satz erklärt die Autorin die Notwendigkeit, ihre Untersuchung über die Anonymisierung der Personen hinaus einer „geringfügigen Zensierung“ (ebd.) zu unterwerfen. Die Befragten, das sind 17 PolizistInnen ausländischer Herkunft (darunter zwei Frauen) im Alter zwischen 19 und 41 Jahren. Der Satz sagt über die Wirklichkeit des Polizeialltags in der Bundesrepublik mehr aus als weite Teile des Buches selbst. Mit Ausnahme von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat sich die Polizei vor rund sechs Jahren auf Initiative Baden-Württembergs auch Nichtdeutschen geöffnet. Wie hoch ihr Anteil heute ist, ist schwer feststellbar. Klar ist jedoch, daß bisher eher wenige Ausländer und Ausländerinnen eine Ausbildung bei der Polizei aufgenommen haben und diese überproportional häufig wieder abbrechen.

Forschungen über PolizistInnen verschiedener Ethnien gibt es in anderen Staaten bereits seit längerem. In der Bundesrepublik hingegen sind derartige Arbeiten Mangelware. Grund genug für die Diplom-Psychologin Bettina Franzke, der Familiengeschichte ausländischer Polizeibeamter/-beamtinnen, ihren Motiven für die Berufswahl, den damit verbundenen Erwartungen und dem Erleben des Polizeiberufes nachzugehen. Gelungen ist dies nur teilweise. Zumindest aus der Darstellung Franzkes erschließen sich – trotz einer anderen kulturellen Prägung – über weite Strecken keine gravierenden Unterschiede zu deutschstämmigen PolizistInnen.

Neben der guten Zusammenfassung ausländischer Untersuchungen im ersten Teil des Buches sind daher nur zwei Aspekte der Studie wirklich aufschlußreich: Einstellung und Verhalten deutscher PolizistInnen gegenüber ihren ausländischen KollegInnen und die Meinung der Befragten selbst zur Einstellung ausländischer Staatsangehöriger in den Polizeidienst. Obwohl PolizistInnen ausländischer Herkunft die in der Polizei herrschenden Sozialisationsmuster zumeist umstandslos übernehmen, sogar „sehr um Anpassung und Unauffälligkeit“ bemüht sind (S. 383), so Franzkes Fazit, geben ihnen ihre deutschen KollegInnen „kaum Chancen, die Gruppe ‚Ausländer – ausländischer Staatsangehöriger‘ zu verlassen“ (S. 388). Bei der Mehrzahl der Betroffenen führte dies zu einer Art Überassimilation, die so weit geht, daß sie sich von ausländischen PolizistInnen „explizit“ abgrenzen. Statt sich mit AusländerInnen in der Polizei zu identifizieren, „teilen sie oftmals die Skepsis vieler Kollegen“ (S. 383). Selbst „objektiv fragwürdiges Verhalten gegenüber ausländischen Bürgern wird (…) nicht als Fremden- oder Ausländerfeindlichkeit interpretiert“ (S. 382). Von irrationalen Schlüssen ist allerdings auch Franzke bei ihrer Parteinahme für ethnische Minderheiten in der Polizei nicht frei. Etwa wenn sie fordert, bei der Einstellung auf die schriftliche Beherrschung einer Zweitsprache zu verzichten, da es auch Sprachen gebe, die „nicht schriftlich abbildbar sind“ (S. 112). Welche, außer der Sprache einzelner „Naturvölker“, sollte das sein?

Alles in allem hinterläßt die Studie einen zwiespältigen Eindruck. Während einige Teile durchaus neue und wichtige Informationen enthalten, sind andere in ihrem Erkenntniswert ausgesprochen dürftig. Einzelne Aussagen sind sogar nichtssagend („Die Befragten sind entweder für die Einstellung ausländischer Staatsangehöriger, dagegen oder sie vertreten keine Meinung“ (S. 365)) oder schlicht unsinnig („B unterstützt die Anwerbung von ausländischen Staatsangehörigen für den Polizeidienst, F engagiert sich im Sport“ (S. 390)). Als größtes Manko erweist sich allerdings der Umstand, daß hier eine Dissertation ohne Veränderungen in Aufbau und Stil als Buch veröffentlicht wurde. Allein hierdurch dürfte der Leserkreis klein bleiben – und das ist bei allen Mängeln dennoch bedauerlich.
(Otto Diederichs)

Themenheft: Flüchtlinge, Migration und Integration, Widerspruch 37, Juli 1999, 216 S., Sfr./DM 21,

Erfreulich unangepaßt an den Zeitgeist liefert der in Zürich erscheinende „Widerspruch“ in einem gelungenen Mix von aktuellen und theoretischen Aufsätzen nach wie vor „Beiträge zur sozialistischen Politik“ – und das keineswegs nur für die Schweiz. Dietrich demonstriert am Beispiel der Kosovo-Flüchtlinge, wie deren Flucht in reichere und sichere Gefilde Europas verhindert wurde: durch die Internierung in unzugänglichen, von der NATO kontrollierten Lagern in Mazedonien und Albanien, durch die polizeiliche Zerschlagung der Fluchtwege vom Balkan nach Westeuropa. Er beleuchtet dabei auch die Rolle zwischenstaatlicher Organisationen, die in der Debatte um die Europäisierung der Flüchtlingsabwehr kaum Beachtung finden. Roth/Holzberger zeigen, wie der Flüchtlingsschutz in EU-Europa sich vom subjektiven Recht auf Asyl weg bewegt zu einem Gnadenbrot, das die Administrationen je nach politischer und ökonomischer Opportunität gewähren oder verwehren. Parnreiter und Lüthje/Scherrer werfen einen Blick auf die US-Migrationspolitik. Auch die Berichte, die sich im engeren Sinne der schweizerischen Migrations- und Asylpolitik zuwenden, zeigen, daß der Horizont der Widersprechenden ganz im Gegensatz zum Großteil der Schweizer PolitikerInnen nicht an den Grenzen des Alpenstaates endet.

Mathiesen, Thomas: On Globalisation of Control: Towards an Integrated Surveillance System in Europe, London 1999 (Statewatch), 36 S. (A4), Pound 6,

Der norwegische Rechtssoziologe Mathiesen hat mit dieser Statewatch-Publikation ein „Pamphlet“ im besten aufklärerischen Sinne des Wortes vorgelegt. Er präsentiert einen wohldokumentierten und gut verständlichen Überblick über die EU-weiten elektronischen Daten- und Überwachungssysteme, die in den vergangenen Jahren entstanden oder derzeit in der Planung sind: vom Schengener Informationssystem (SIS) und dem Netzwerk der mit dem SIS verbundenen SIRENEn über die EUROPOL-Datensysteme und EURODAC bis zu den Konzepten für die Überwachung des drahtlosen Telefon- und des Email-Verkehrs, die die EU-Polizeiarbeitsgruppe (ENFOPOL) gemeinsam mit dem FBI ausgeheckt hat. Gegen den versteckten, teilweise geheimen Charakter der neuen technischen Methoden will Mathiesen eine neue alternative Öffentlichkeit mobilisieren. (Zu bestellen bei Statewatch, PO Box 1516, London N 16 OEW, Fax: 0044-181-880 1727, E-mail: office@statewatch.org)

Leuthardt, Beat: An den Rändern Europas – Berichte von den Grenzen, Zürich 1999 (Rotpunktverlag), 310 S., DM 38,

Die spanischen und italienischen Küsten, Österreichs Grenzen zur Slowakei, zu Ungarn und Slowenien, die mittel- und osteuropäischen Pufferstaaten Ukraine, Polen, Litauen, Belarus – Beat Leuthardt hat die Außengrenzen Europas aufgesucht und läßt in seinen Reportagen lebendige Bilder der Grenzregionen entstehen. Er zeigt, wie diese Grenzen – im Westen der früheren Sowjetunion – überhaupt erst entstanden und im Laufe des Jahrzehnts polizeilich „gesichert“ wurden. Die Abschottung des reichen Europas gegen Flüchtlinge und MigrantInnen aus dem Süden und Osten erscheint in diesem Buch nicht nur als Papiertiger. Sie erschöpft sich nicht in sterilen Berichten und Plänen aus EU-Polizeizirkeln, sondern erhält durch die Erzählungen und Meinungen der Befragten eine konkrete Gestalt. Der Basler Journalist interviewte nicht nur „ExpertInnen“ – RepräsentantInnen der Grenzpolizeien einerseits, von Menschenrechtsorganisationen andererseits. Er läßt vielmehr auch die „normalen“ Leute zu Wort kommen: die litauische Bäuerin, die indischen Flüchtlingen ein Zimmer vermietet hat, den Taxifahrer, der trotz Verbots immer noch „Illegale“ fährt, die ausgeklinkte Popsängerin, die vom Blick auf die nahe Küste Afrikas schwärmt, und natürlich auch diejenigen, die es nur mit Mühe und Not geschafft haben, die Festungsgräben zu überqueren.
(sämtlich: Heiner Busch)