Archiv der Kategorie: Beiträge

Nicht alle Artikel der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP sind online verfügbar. Im Netz finden sich bisher die kompletten Ausgaben 0 bis 72, die Nummern 73 bis 95 stellen wir in langsamer Folge ebenfalls online. Jüngere Hefte können hier bestellt werden.

Asylpolitik in den Niederlanden

von Wil van der Schans

Jährlich werden von der niederländischen Regierung 500 Menschen offiziell ‚eingeladen‘ und erhalten ohne weiteres Verfahren den Flüchtlingsstatus. Parallel dazu wurde für all jene, die nicht zu dieser kleinen exklusiven Gruppe gehören, sondern auf eigene Faust in die Niederlande flüchten, eine Reihe äußerst restriktiver Maßnahmen eingeführt, die selbst die schlimmsten Befürchtungen noch übertreffen. „Schlicht – doch human“, so umschreibt Justizstaatssekretär Kosto die von ihm betriebene Asylpolitik in den Niederlanden. Die große Zahl von Zwischenfällen bei der Aufnahme von Asylsuchenden während des vergangenen Jahres hat jedoch ein großes Fragezeichen hinter die Humanität dieser Politik gesetzt. Dennoch ist die Botschaft der Regierung deutlich: Holland ist voll! Der Strom der Asylsuchenden muß eingedämmt werden!

Ebenso wie im übrigen Europa hat auch in den Niederlanden die Zahl der Asylsuchenden rapide zugenommen. Suchten hier 1982 noch 1.214 Menschen Asyl, waren es 1992 insgesamt 20.346. Da der überwiegende Teil der Anträge jedoch abgewiesen wurde, fällt das derzeitige Zahlenverhältnis zu den Einheimischen mit einem Asylbewerber auf 544 Niederländer immer noch eher niedrig aus. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist dies wenig: So betrug das Verhältnis im Jahre 1990 in Deutschland 1:520, in Belgien 1:388 und in Frankreich 1:289. Dänemark führte diese Liste seinerzeit mit 1:154 an. Asylpolitik in den Niederlanden weiterlesen

Die Polizei muß ihren Schutzauftrag erfüllen!

Gemeinsame Forderungen von ‚Forum Buntes Deutschland e.V. – SOS Rassismus‘, Bundesarbeitsgemeinschaft ‚Kritische Polizisten und Polizistinnen‘, Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V./ Bürgerrechte & Polizei/CILIP, Berlin

Nach rund einem halben Jahr scheinbarer Beruhigung sind am 29.5.93 in Solingen erneut Menschen durch Rechtsextremisten getötet worden. Insgesamt starben bei rechtsradikal motivierten Gewalttaten in den vergangenen zwei Jahren 22 Menschen. Die gesellschaftlichen Ursachen von Rechtsextremismus und Rassismus sind der Polizei nicht zugänglich; sie ist für die Lösung dieser Probleme die falsche Institution. Von der Polizei muß jedoch erwartet werden, daß sie ihre elementare Aufgabe, Leib und Leben von Menschen zu schützen, mit Nachdruck erfüllt. Die Polizei muß ihren Schutzauftrag erfüllen! weiterlesen

Die „Arbeitsgruppe Ausländer“ der Berliner Polizei – Eine Sondereinheit mit Doppelfunktion

von Otto Diederichs

Der Grundstein der ersten polizeilichen Sondereinheit zur Bearbeitung von Ausländerangelegenheiten wurde 1971 in der damaligen Polizeiinspektion Wedding mit drei Beamten gelegt. Schnell wurde das Modell auch auf die anderen Berliner Bezirke ausgedehnt und 1979 schließlich ein eigener Ermittlungstrupp mit Koordinierungsfunktion bei der Landespolizeidirektion eingerichtet,[1] deren Leiter, der Polizeihauptkommissar (PHK) Klaus-Dieter Reichert, Anfang Juli diesen Jahres zudem zum polizeilichen Ausländerbeauftragten bestellt wurde.[2]

Aus den ursprünglich drei Beamten sind unterdessen 61 geworden, die sich alle freiwillig zu diesem Einsatz meldeten. Ursprüngliche Pläne, in Stuttgart und Frankfurt/M. ähnliche Einheiten einzurichten,[3] sind dem Vernehmen nach nicht verwirklicht worden, und über diejenigen in Hamburg oder München ist wenig bekannt, allerdings sollen sie mit der Berliner Einheit nur bedingt vergleichbar sein.

Ihren Namen hat die Gruppe unterdessen geändert. Hieß sie zunächst „Arbeitsgebiet gezielte Ausländerüberwachung“,[4] so wurde daraus schließlich – neutraler – die „Arbeitsgruppe Ausländer“.[5] Stets gleich geblieben sind das polizeiliche Kürzel „AGA“ und die Aufgabenstellung. Diese besteht zum einen darin, den Kontakt zum ausländischen Bevölkerungsanteil Berlins zu suchen, um so Vertrauen zur Polizei zu schaffen, und andererseits, illegal in der Stadt aufhältige Personen zu ermitteln und die entsprechenden „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ einzuleiten. Die „Arbeitsgruppe Ausländer“ der Berliner Polizei – Eine Sondereinheit mit Doppelfunktion weiterlesen

Wie wird die Bundesrepublik mit illegaler Zuwanderung fertig? Die Lage nach der Änderung des Art. 16 GG

von Alexander Müller

Die am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Änderung des Grundgesetzartikels 16 und die verabschiedeten Begleitgesetze bedeuten eine einschneidende Veränderung der Ausländer- und Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig markieren sie einen weitreichenden Bruch mit dem bundesrepublikanischen Selbstverständnis über Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Obwohl in den letzten Jahren eine wachsende öffentliche Diskussion über Flüchtlingspolitik zu verzeichnen war, so konnte doch davon ausgegangen werden, daß das in der Verfassung festgeschriebene Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte im Grundsatz anerkannt war. Die Kritik an mangelhaften und zu langsamen Asylverfahren, die Frage, wievielen Menschen Asyl in der Bundesrepublik gewährt werden könne, die Forderung nach weiteren Hilfen für Armutsflüchtlinge in den Herkunftsländern und der Ruf nach einem einheitlichen europäischen Asylrecht stellten insgesamt den Artikel 16 GG nicht in Frage.

Bis vor wenigen Jahren konnte davon ausgegangen werden, daß in unserer Gesellschaft nicht nur ein weitreichender Konsens über die Aufnahme von politisch Verfolgten als historische Verpflichtung der Bundesrepublik existierte, sondern daß auch die Notwendigkeit einer gesteuerten Zuwanderung politisch auf der Tagesordnung stand. Die Erfahrung eines jahrzehntelangen Zusammenlebens mit Nichtdeutschen, die kulturelle Bereicherung der bundesrepublikanischen Gesellschaft und auch die ökonomischen Notwendigkeiten – nicht zuletzt vermittelt durch die seit Jahren bekannte Tätigkeit von ‚Gastarbeitern‘ – fanden ihren Niederschlag im Konzept einer multikulturellen Gesellschaft. Wie wird die Bundesrepublik mit illegaler Zuwanderung fertig? Die Lage nach der Änderung des Art. 16 GG weiterlesen

Ausländererfassung in der Bundesrepublik – Die informationelle Sonderbehandlung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen

von Thilo Weichert

Der Einsatz konventioneller oder automatisierter Datenverarbeitung zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten hat in Deutschland unrühmliche Tradition. Die Erfassung nach Rassen und Nationalitäten diente den Nationalsozialisten der Ausgrenzung und differenzierten Behandlung, der gewalttätigen Unterdrückung, Deportation (Evakuierung) und Vernichtung, aber auch der „Effektivierung“ der Rohstoff- und Arbeitskräfteplanung für die Vorkriegs- und die Kriegswirtschaft.[1]
Erstaunlicherweise sahen die Mütter und Väter des Grundgesetzes, welche bestrebt waren, bei der Schaffung einer demokratischen bundesdeutschen Verfassung Lehren aus dem Nationalsozialismus zu ziehen, keine Veranlassung, aus der informationellen Sonderbehandlung von Minderheiten rechtliche Konsequenzen abzuleiten.[2]

Die Kontinuität des Ausländerrechts währte bis 1965.[3] Die Erfassung der Ausländerinnen und Ausländer wurde aber auch danach nicht gesetzlich, sondern in exekutiven Bestimmungen über die Führung von Ausländerkarteien geregelt.[4] Die mangelnde Beachtung dieses Themas durch den Gesetzgeber erlaubt jedoch nicht den Schluß, daß die Erfassung ausländischer Personen nicht stattfand, daß ihr keine Funktion zukam. Das Gegenteil ist vielmehr richtig: Schon 1953 wurde eine alle in der Bundesrepublik lebenden Nichtdeutschen erfassende zentrale Datei, das Ausländerzentralregister (AZR), eingerichtet. Ausländererfassung in der Bundesrepublik – Die informationelle Sonderbehandlung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen weiterlesen

Die Sicherung der deutschen Ostgrenze – Der Bundesgrenzschutz vor neuen Aufgaben

von Otto Diederichs

Etwa um 1985 – mit Beginn der Bestrebungen der europäischen Staaten, im Rahmen des „Schengener Abkommens“[1] die innerstaatlichen Grenzen langfristig aufzuheben – begann der Bundesgrenzschutz (BGS) erstmals in seiner Geschichte, sich um den weiteren Bestand ernstliche Sorgen zu machen. Sicherheitspolitiker und Polizeiplaner gingen sogar daran, mit dem Programm „BGS 2000“ zwanghaft neue Aufgaben für die tannengrüne Truppe zu finden.[2] Mit dem Zerfall des sog. „Ostblocks“ schwanden die Befürchtungen dann dahin: Mit der Sicherung der neuentstandenen Grenzen zu Polen und der ehemaligen Tschechoslowakei ist der BGS heute mehr als ausgelastet.

Deren Sicherung obliegt dem Grenzschutzpräsidium (GSP) Ost in Berlin mit seinen Grenzschutzämtern Frankfurt/Oder (für die Grenze zu Polen) und Pirna (für den Bereich der sächsisch-tschechischen Grenze). Für den bayerisch-tschechischen Abschnitt ist das GSP Süd in München zuständig, das diese Aufgaben im April 1992 von der Grenzpolizei des Freistaates übernahm.[3] Insgesamt sind hierfür unterdessen 2.463 Polizeikräfte und 1.100 ZollbeamtInnen eingesetzt.[4] Auf der Ostsee werden sie unterstützt durch die 3. Flottille des „BGS See“ mit 135 Mann (verstärkt durch eine weitere Flottille des Stützpunktes Neustadt).[5] Die Sicherung der deutschen Ostgrenze – Der Bundesgrenzschutz vor neuen Aufgaben weiterlesen

Vom Einheitlichen Binnenmarkt zum Gemeinsamen Abschiebungsraum – Politische Grenzsicherung in Europa

Mit der Schaffung des EG-Binnenmarktes haben die Exekutiven die bis dahin nationalen Abschottungspolitiken auf europäisches Niveau gehoben. Die Außengrenzen der EG sollen danach insbesondere gegen „unkontrollierte Zuwanderung“ abgeschirmt werden. Im folgenden wird die Vorgeschichte dieser europäischen „Harmonisierung“ und die Folgen dieser Vertragspoltik – auch für die Nachbarländer – näher untersucht.

Seit Anfang der 80er Jahre kamen sich die Länder des nördlichen Westeuropas mit ihrer Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge und ImmigrantInnen immer wieder in die Quere. Man verfolgte zwar das gleiche Ziel, die Begrenzung oder Verhinderung von Zuwanderung vor allem aus der Dritten Welt, betrieb dies aber nach dem St. Florians-Prinzip: Hauptsache, die eigenen Grenzen blieben dicht und die eigenen Asylverfahren wurden nicht überlastet. Die Wirkungen auf den Nachbarstaat, in den die jeweiligen Fluchtbewegungen umgeleitet wurden, und noch mehr: das Schicksal der unmittelbar Betroffenen, interessierten nicht. Europa begann sich zum Verschiebebahnhof für Menschen auf der Flucht zu entwickeln. Das Problem der „refugees in orbit“, der umherirrenden Flüchtlinge, die mit ihrem Antrag auf Anerkennung in keinem Land eine wirkliche Chance hatten, begann sich nach und nach zu vergrößern. Vom Einheitlichen Binnenmarkt zum Gemeinsamen Abschiebungsraum – Politische Grenzsicherung in Europa weiterlesen

Wie fremdenfeindlich kann Statistik wirken? AsylbewerberInnen: ein Problem der großen Zahl?

von Roland Appel

Die Zahl der statistisch erfaßten Asylanträge ist 1992 auf angeblich über 400.000 gestiegen, 1991 wurden ca. 256.000 und 1990 etwa 193.000 Anträge registriert, 1989 waren es 121.000 und 1988 rund 103.000.[1] Der propagandistische Aufschrei im Rahmen der Asyldebatte nach einer Begrenzung solcher „Fluten“ ist allerdings zweifelhaft angesichts der Tatsache, daß die Statistiken keine exakten Rückschlüsse darauf zulassen, wieviele Menschen sich denn nun real hinter diesen Anträgen verbergen. Ob jemand erstmalig in der Bundesrepublik um Asyl nachsucht oder nach zwischenzeitlicher Verschärfung der Situtation im Heimatland einen Asyl-Folgeantrag stellt, wird ebensowenig berücksichtigt wie – mit Inkrafttreten der neuen Familienasylregelungen – die Miterfassung der Angehörigen.

Grundsätzlich muß vor der Illusion gewarnt werden, Migration in der Migrationsgesellschaft statistisch exakt zu erfassen. Die These von der „Asylantenflut“, die dumpf an nationalistische Überfremdungsgefühle appelliert, beruht auf dem Illusionstrick einer nur teilweise ausgeleuchteten Bühne. So kamen von 1989-91 in die Bundesrepublik Deutschland: Wie fremdenfeindlich kann Statistik wirken? AsylbewerberInnen: ein Problem der großen Zahl? weiterlesen