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Egal ob Hühnerstall oder Castor: Der Staatsschutz überwacht immer

Interview mit dem Hamburger Strafverteidiger Martin Lemke

Die Staatsschutzabteilungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft ziehen alle Register – auch jenseits des rechtlich Zulässigen. Diese Bilanz zieht der Martin Lemke, Hamburger Strafverteidiger und Mitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV). Martin Beck fragte ihn nach seinen Erfahrungen in politischen Strafverfahren.

Sie sind seit 20 Jahren als Strafverteidiger in Hamburg tätig. Hat sich aus ihrer Sicht in diesen zwei Jahrzehnten das Agieren des Staatsschutzes verändert?

Insbesondere im Wendland bei Castortransporten oder bei Demonstrationen in Hamburg – zu diesen beiden Bereichen kann ich am meisten sagen – geht die Polizei in ihrem Bemühen, Demonstrierende zu verfolgen, immer weiter.

Sie schreckt dabei teilweise noch nicht einmal davor zurück, ihre eigene Dämlichkeit kundzutun. Ein Beispiel: Polizisten fühlen sich ja leicht beleidigt. Wenn dann ein Beamter schreibt, er sei durch eine Geste beleidigt worden und „Geste“ mit Doppel-E schreibt, zeigt das meines Erachtens, dass er gar nicht genau weiß, was damit gemeint ist. Egal ob Hühnerstall oder Castor: Der Staatsschutz überwacht immer weiterlesen

Kostenrisiko Demonstration – Die Drohung mit dem finanziellen Polizeiknüppel

von Olaf Griebenow


Seit den 70er Jahren gab es Versuche, gewaltlosen Protest zu einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko zu machen. Dabei lassen sich drei verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden: erstens der Versuch, die gesamten Kosten eines Polizeieinsatzes über Schadensersatzforderungen einzelnen TeilnehmerInnen aufzubürden, zweitens Kostenbescheide für die Anwendung unmittelbaren Zwangs sowie drittens das Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen Dritter.

Im März 1977 räumte die Polizei den besetzten Bauplatz für das AKW Grohnde. Tausende hatten hier demonstriert. Achtzehn identifizierten AKW-GegnerInnen präsentierte der niedersächsische Innenminister eine Rechnung über 234.000 DM Schadensersatz. Die Forderung setzte sich zusammen aus den Stundensätzen für die eingesetzten Beamten sowie den Kosten für 167 Schlagstöcke (verloren oder kaputtgehauen), 387 Gasmaskenfilter, 135 Nachfüllpatronen für die Chemische Keule, 733 Tränengasgranaten, 13 Einsatzanzüge und eine Unterhose (!).[1]1981 folgte das Oberverwaltungsgericht Celle der Argumentation des Ministeriums und sah kein Problem darin, einzelnen TeilnehmerInnen die Summe aller Kosten zuzurechnen, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten durch unterschiedliche Aktivitäten unterschiedlicher Personen entstanden waren. Erst der Bundesgerichtshof (BGH) hob diese Entscheidung auf und wies auf die Selbstverständlichkeit hin, dass die Haftung den Nachweis eines konkreten Tatbeitrags voraussetzt, der über die bloße Beteiligung an einer Demonstration hinausgeht.[2] Weil das Land Niedersachsen zu einer Zuweisung einzelner Schäden nicht in der Lage war, verzichtete es schließlich auf die Durchsetzung der Forderung. Ähnliche Versuche, die gesamten Schäden, die im Zusammenhang einer Demonstration entstanden waren, auf einzelne TeilnehmerInnen oder auf die AnmelderInnen abzuwälzen, gab es Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre auch in anderen Bundesländern.[3] Kostenrisiko Demonstration – Die Drohung mit dem finanziellen Polizeiknüppel weiterlesen