Archiv der Kategorie: CILIP 096

(2/2010) Grenzüberschreitungen – Polizei unterwegs

Ermittlungsverfahren gegen Andrej H. eingestellt

Im In- und Ausland stieß der Vorwurf gegen Andrej H. auf Protest. Weil er Zugang zu Bibliotheken habe, in seinen Veröffentlichungen Worte wie „Gentrifizierung“ benutze und sich konspirativ verhalte, geriet der Berliner Stadtsoziologe spätestens im Sommer 2006 ins Visier des Bundeskriminalamts (BKA). Mithin galt er als mutmaßliches Mitglied der „militanten gruppe“, die sich – inzwischen aufgelöst – seit Mitte 2001 zu etwa 27 Anschlägen vor allem im Berliner Raum bekannte. Ermittlungsverfahren gegen Andrej H. eingestellt weiterlesen

Akustische Wohnraumüberwachung 2009

Der „Große Lauschangriff“ wurde nach dem Bericht der Bundesregierung[1] im Jahr 2009 zur Strafverfolgung insgesamt neun Mal in acht Verfahren in sieben Bundesländern angeordnet; davon wurde eine Maßnahme jedoch nicht ausgeführt. Anlasstaten waren in fünf Fällen Mord und Totschlag, in drei Fällen Bildung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen. Ein Bezug zu „Organisierter Kriminalität“ wurde nur in zwei Verfahren festgestellt. In zwei der sieben Verfahren hatte die Wohnraumüberwachung keine Relevanz für das Verfahren. Akustische Wohnraumüberwachung 2009 weiterlesen

Terrorismus-Bekämpfungsgesetz: Maßnahmen 2008

Nach dem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums[1] (PKGr) über die Maßnahmen nach dem Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 haben die Geheimdienste im Jahr 2008 deutlich häufiger von ihren Befugnissen Gebrauch gemacht als in den Vorjahren. Insgesamt waren es 78 Fälle (2007: 52; 2006: 31) von Auskunftsverlangen und Einsätzen des IMSI-Catchers. Terrorismus-Bekämpfungsgesetz: Maßnahmen 2008 weiterlesen

Policing the world – Polizeihilfe als Teil einer militarisierten Außenpolitik

von Jonna Schürkes

Das Ziel der Ausstattungs- und Ausbildungshilfe für Drittstaaten ist der Export von Staatlichkeit, der sich allerdings auf Sicherheitskräfte, vor allem auf Polizei und Militär, beschränkt. Durch diese „Hilfe“ sollen die Sicherheitskräfte an die Geberländer angebunden werden und eine – deren Interessen entsprechende – Ordnung herstellen und aufrechterhalten.

Die These vom „asymmetrischen Krieg“ hat sich offiziell durchgesetzt. Die Sicherheit Deutschlands und der Europäischen Union – so das Weißbuch der Bundeswehr von 2006 und die Europäische Sicherheitsstrategie von 2003[1] – werde heute weniger durch feindliche Staaten bedroht als durch „nichtstaatliche Akteure“: Terroristen, organisierte Kriminelle, religiöse Extremisten, Aufständische, Migranten stellten auch „über große Entfernungen hinweg“ und unabhängig davon, ob sie den Weg in die EU schaffen oder nicht, eine Gefahr dar. Terroristen bedrohten „unsere“ Sicherheit nicht erst, wenn sie in Deutschland Attentate verüben, sondern bereits dann, wenn sie beispielsweise „unsere“ Energieversorgung gefährden. In diesem Bedrohungsbild wird die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufgehoben, und die Aufgaben ziviler und militärischer Akteure verwischen zunehmend. Policing the world – Polizeihilfe als Teil einer militarisierten Außenpolitik weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2009

von Otto Diederichs

Durch polizeiliche Schüsse wurden im Jahre 2009 sechs Menschen getötet und 21 verletzt. Dies geht aus der Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz (IMK) hervor.

Mit sechs polizeilichen Todesschüssen liegt das Jahr 2009 statistisch im Mittelfeld. Insgesamt 57 Schüsse hat die deutsche Polizei im vergangenen Jahr auf Personen abgegeben; davon sind 24 als Schüsse „gegen Sachen“ deklariert. Hinzu kommen weitere 176 Schüsse gegen Sachen sowie 8.429 zum Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere. Einen Fall von Schusswaffengebrauch gegen Personen listet die IMK als „unzulässig“ auf. Worum es sich dabei handelte, geht aus der Aufstellung wie üblich nicht hervor.[1] Polizeiliche Todesschüsse 2009 weiterlesen

Menschliche Bande – Mehr VerbindungsbeamtInnen mit mehr Zuständigkeiten

von Mark Holzberger

Die „polizeiliche Abwehrlinie“ in die „Ursprungs- und Transitländer“ der grenzüberschreitenden Kriminalität verlagern – das ist das Credo der polizeilichen Vorverlagerungsstrategie. Die Entsendung von VerbindungsbeamtInnen ist eines ihrer wesentlichen Elemente.

Vor fast vier Jahrzehn­ten begann das Bundeskriminalamt (BKA) VerbindungsbeamtInnen (VBs) ins Ausland zu entsen­den, damals noch ausschließlich zur Bekämpfung des Drogenhandels. Die ersten Stationen waren Istanbul 1972, Rom 1978 und Madrid 1980. Als der vierte 1983 in Bangkok seinen Dienst antrat, integrierte die Bundesregierung die Arbeit der VBs förmlich in ihre Vorverlagerungsstra­tegie, zu der als weitere Säulen die Ausstattungs- und Ausbildungshilfe für ausländische Polizeien sowie die Entsendung von Beratern gehören.[1] Menschliche Bande – Mehr VerbindungsbeamtInnen mit mehr Zuständigkeiten weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Jan Wörlein

April 2010

12.04.: Freispruch für Psychiater: Das Landgericht (LG) Frankfurt/Main spricht einen 82-jährigen Psychiater vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Der Arzt hatte 2007 als Gutachter an der Jus­tiz­voll­zugsanstalt (JVA) Kassel einen 30-jährigen Kurden trotz vorangegangener stationärer Behandlung wegen Schizophrenie für gesund und abschiebetauglich erklärte. Der Betroffene hatte sich daraufhin das Leben genommen.

Rechtswidriger Gewahrsam: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/
Main erklärt die neunstündige Ingewahrsamnahme einer Umweltaktivistin für rechtswidrig. Anlässlich eines Prozesses gegen „Feldbefreier“ im Jahre 2009 war die Frau an der Fassade des LG Gießen hochgeklettert und hatte mit Kreide Parolen geschrieben. Das Amtsgericht Gießen hatte den Gewahrsam mit der Verhinderung weiterer Schäden am Gebäude begründet. Chronologie weiterlesen

Acht Schüsse sind keine Notwehr – Berliner Polizeibeamter verurteilt

von Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt

Ermittlungen gegen PolizistInnen werden regelmäßig verschleppt und eingestellt. Nur selten müssen sie sich vor einem Gericht verantworten. Nach den Todesschüssen auf Dennis J. kommt es zum Prozess und zu Verurteilungen.

Am 16. Januar 2009 wird Dennis J. beerdigt. 300 Leute sind zum Friedhof am Hermannplatz in Berlin-Neukölln gekommen, um sich von dem 26-Jährigen zu verabschieden. Im Anschluss daran ziehen etwa 150 Angehörige und FreundInnen mit Fotos von Dennis in einem Trauerzug zum Sitz des Polizeipräsidenten in Berlin. In Sprechchören fordern sie „Gerechtigkeit“. Acht Schüsse sind keine Notwehr – Berliner Polizeibeamter verurteilt weiterlesen

Weltpolizist Bundeskriminalamt – Von Interpol Wiesbaden zur Vorverlagerung nach Berlin

von Eric Töpfer

Seit 1951 ist das Bundeskriminalamt (BKA) Scharnier zwischen den (Kriminal-)Poli­zeien der Länder und jenen des Auslands. Mit der zunehmenden Internationalisierung seiner Arbeit hat sich das Amt zu einem wichtigen Akteur der bundesdeutschen Außen- und Sicher­heitspolitik entwickelt.

Als erster Bereich der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung startete die Kriminalpolizei am 1. Oktober 2009 einen Bachelor-Studiengang. Seither qualifiziert sich der Nachwuchs in Bologna-konform modularisierter und angeblich international vergleichbarer Weise für den gehobenen Dienst beim BKA. Das Studium, so eine Pressemitteilung, vereine „wissenschaftliche und kriminalpraktische Disziplinen mit den Anforderungen an eine enge Zusammenarbeit der Polizeidienststellen auf europäischer und internationaler Ebene“.[1] Zum Konzept gehören auch Sprachschulungen und Praktika im Ausland. Das Amt reagierte mit dem neu strukturierten Studium also nicht nur auf die Vorgaben zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums, sondern nutzte die Chance auch zur Anpassung der Ausbildung an die wachsende Internationalisierung seiner Arbeit. Weltpolizist Bundeskriminalamt – Von Interpol Wiesbaden zur Vorverlagerung nach Berlin weiterlesen