Archiv der Kategorie: Editorials

Das Editorial der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
Für alle Ausgaben online verfügbar.

Redaktionsmitteilung

42 Seiten im Format A 4, „gesetzt“ auf einer IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine, zusammengeleimt auf einem selbst gezimmerten Layout-Tisch, kopiert und zwischen zwei grüne Pappen geheftet – das war die Nullnummer von „CILIP“, die im März 1978 erschien. Die ästhetischen Ansprüche waren klein, die inhaltlichen dafür umso größer. Das Heft sollte den Mangel an Informationen über Polizei und Geheimdienste mindern, Analysen über deren Entwicklung liefern und so „Munition“ für die im Kampf um Bürgerrechte engagierten Gruppen und Einzelnen bereit stellen.

Die Form des Informationsdienstes hat sich im Laufe der Jahre geändert. Der Anspruch, keine akademische, sondern eine politisch eingreifende Zeitschrift sein zu wollen, blieb. Die Themen, mit denen sich dieses Blatt auseinander setzen musste, tauchten in ständig neuen Varianten auf: die habhafte polizeiliche Gewalt, insbesondere bei Demonstrationen, der feine informationelle Zugriff, der Ausbau der Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten, ihre Zusammenarbeit trotz organisatorischer Trennung sowie – in wachsendem Maße – ihre europäische und internationale Aktivität. In diesen Themenbreichen erlauben wir uns in dieser 100. Ausgabe eine Zwischenbilanz. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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Als diese Zeitschrift Ende der 70er Jahre gegründet wurde, war ein Teil ihrer Redakteure in der „Arbeitsgemeinschaft Bürger beobachten die Polizei“ in Westberlin engagiert. Der Verein betrieb eine allwöchentliche Beratung für Opfer alltäglicher Polizeiübergriffe und publizierte das, was sie erlebt hatten: willkürliche Kontrollen, Schläge, die immer wiederkehrende Erfahrung, dass Polizeibeamte auf Anzeigen mit Gegenanzeigen reagierten, etc. „Unsere Polizei wird bereits genügend kontrolliert“, lautete damals die Antwort der Polizeiführung und der Polizeigewerkschaften. Der unerhörte Auftritt der Arbeitsgemeinschaft brachte ihren Mitgliedern überdies eine Akte beim Landesamt für Verfassungsschutz ein.

Mehr als drei Jahrzehnte sind vergangen und wir schlagen uns immer noch mit denselben Forderungen herum: Die Kennzeichnung von PolizistInnen konnte erst jüngst in zwei Bundesländern – Berlin und Brandenburg – durchgesetzt werden, ein minimaler Erfolg. Die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen ist hierzulande weiterhin Zukunftsmusik. Die Hamburger Polizeikommission, der einzige deutsche Versuch in diese Richtung, überlebte nur drei Jahre. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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So schnell kann das gehen: Noch im Frühjahr dieses Jahres applaudierten PolitikerInnen und Medien auch hierzulande den „Facebook-Revolutionen“ in Tunesien und Ägypten. Mutige BloggerInnen hatten der Meinungsfreiheit zum Durchbruch verholfen. Via Twitter kamen die Demo-Termine und auf YouTube konnte man Handy-Filme der Aufständischen bestaunen.

Nur wenige Monate später ist die Begeisterung verflogen. Im „Spiegel“ wettert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Anfang August gegen die „anonymen Blogger“, bei denen sich Anders Breivik, der Attentäter von Oslo, die Versatzstücke seiner Ideologie zusammengesucht hat. Warum müssen sie „ihre wahre Identität nicht offenbaren?“, fragt er. Ein Vermummungsverbot fürs Internet will er aber nicht gefordert haben. Im britischen Unterhaus entsetzt sich Premier David Cameron darüber, dass sich die Randalierer in London und anderen Städten über die diversen „social media“ verabredet haben. Er propagiert Kommunikationssperren. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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Der private Sicherheitssektor strebt nach Anerkennung. Er will Teil jener „neuen Sicherheitsarchitektur“ sein, über die seit 2001 in den verschiedensten Variationen diskutiert wird. Mögliche Felder einer engeren Zusammenarbeit zwischen Staat und Privaten reichten vom Personen- und Objektschutz über die Sicherung von Großveranstaltungen bis hin zur Überwachung von Abschiebegefängnissen und öffentlichen Verkehrsmitteln, hieß es im Jahre 2008 in einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.

Diese Liste lässt sich verlängern und sie bezieht sich längst nicht nur auf jene Wachschutz-, Streifen- und Kontrolltätigkeiten, bei denen die privaten Sicherheitsdienste öffentlich in Erscheinung treten. Als Partner „auf gleicher Augenhöhe“ mit der Polizei anerkannt werden wollen auch die Vereinigungen für die Sicherheit der Wirtschaft und erst recht die Sicherheitsabteilungen von Großkonzernen, jene „Global Players“, mit denen das Bundeskriminalamt 2006 eine Initiative startete. Sie sind international präsent, sie verfügen über eigene Informationen und haben dem BKA scheinbar einiges zu bieten – auch wenn der Maßstab ihrer Tätigkeit nicht das Recht, sondern das Firmeninteresse ist. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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„Die traditionellen Vorstellungen, Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung ausschließlich durch nationale Maßnahmen bewerkstelligen zu können, gehören längst der Vergangenheit an“, schreibt die Landespolizeidirektion Saar in einer Presseerklärung vom 6. Mai 2010. Anlass war eine gemeinsame Übung der saarländischen Bereitschaftspolizei mit den Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) in Lothringen. Proben wollte man das Zusammenwirken gegen „gewalttätige Aktionen beidseits der Staatsgrenze im Rahmen einer Großdemonstration“.

Die Kooperation „geschlossener Verbände“ wird in Europa nicht nur geprobt. Die Realität zeigte und zeigt sich, wenn „Beobachter“ der CRS im Wendland zusammen mit BundespolizistInnen gewaltsam Hand anlegen gegen „Schotterer“, wenn deutsche Wasserwerfer alljährlich im Januar das World Economic Forum in Davos gegen Proteste „schützen“ oder wenn gleich mehrere Hundertschaften deutscher Bereitschaftspolizei nach Österreich und in die Schweiz gesandt werden, um bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 Ordnung zu schaffen. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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„Vor vielen Jahren schützte die Uniform den Polizeibeamten, denn sie verlieh Autorität und stellte so klar, wer das Sagen hat, auf der Straße, in jedem Einsatz.“ So steht es auf der Homepage der Gewerkschaft der Polizei, in einem Text, mit dem ihr Bundesvorstand seine „Anti-Gewalt-Kampagne“ vorstellt. Heute müssten PolizeibeamtInnen besonders in Ballungsgebieten an fast jedem Wochenende „ihre Haut zu Markte tragen“. Die GdP, die – vor vielen Jahren – für eine Demokratisierung der Polizei nach innen und außen angetreten ist, wünscht sich nun die Wiederkehr der alten Zeiten: „Der Uniform und allem was dahinter steht … muss zu jeder Zeit Geltung verschafft werden.“

Die Empörung über die angebliche Zunahme von Angriffen auf PolizistInnen gehört derzeit zu den Mantras von InnenpolitikerInnen und polizeilichen Standesorganisationen. Trotz der markigen Worte sind die Belege allerdings reichlich dünn. Dass die Innenministerien bis heute nicht willens sind, aussagefähige Statistiken über Verletzungen im Polizeidienst vorzulegen, ist ein deutliches Indiz dafür, dass sie das Berufsrisiko ihrer BeamtInnen nur dann interessiert, wenn sich daraus politischer Schaum schlagen lässt. Die Zahlen über im Dienst getötete PolizistInnen zeigen jedenfalls, dass der Polizeiberuf nach wie vor sehr sicher ist. Der Verdacht, dass es hier vor allem darum geht, Respekt vor der staatlichen Autorität einzufordern, drängt sich nicht nur angesichts jener Sätze auf, mit der die GdP der Uniform wieder Geltung verschaffen will. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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„Am 29. Januar 2008 beteiligten sich etwa 400 Personen an der Kundgebung ‚Sicherheit kostet Freiheit‘ gegen den 11. Europäischen Polizeikongress in Berlin. Dazu hatte ein breites Bündnis, dem auch Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung angehörten … mobilisiert.“ So steht es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von 2009 auf Seite 194. Der Autor dieser Zeilen hatte ebenfalls für diese Demonstration, nach BfV-Lesart ein „herausragendes Ereignis“, geworben. Ob er nun zu den „Linksextremisten“ zählt oder sich bloß des Kontaktes mit ihnen schuldig gemacht hat, bleibt den Bewertungskünsten des Amtes überlassen.

Sicher ist jedoch, dass der jährliche „Polizeikongress“ ein durchaus merkwürdiges Ereignis ist. Organisiert wird er durch einen privaten Verlag („Behördenspiegel“). Seine Podien sind paritätisch besetzt durch PolitikerInnen, PolizistInnen und RepräsentantInnen der Sicherheitsindustrie. Unternehmen dieser Branche sind seine Sponsoren und stellen dort ihre Produkte aus, weshalb der Anlass in manchen Veranstaltungskalendern zu Recht als „Messe“ firmiert. Redaktionsmitteilung weiterlesen

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„Im Übrigen“ sind wir der Meinung, dass Geheimdienste abgeschafft werden müssen. Das ist das „ceterum censeo“, das Bürgerrechte & Polizei/CILIP seit drei Jahrzehnten wiederholt. Und dafür gibt es Gründe en masse: Die Dienste sind nicht nur schlecht kontrolliert, sondern unkontrollierbar. Sie verfügen zwar in Deutschland mittlerweile über ausführliche gesetzliche Grundlagen, die aber im Wesentlichen Ermächtigungen und keine Grenzen darstellen. Dass sie notwendig seien zum Schutz der Demokratie oder für eine friedliche Außenpolitik – diese Ammenmärchen etablierter Politik mag glauben, wer will – wir tun es nicht.

Zugegeben: die Abschaffungsforderung liegt nicht im „realpolitischen“ Trend. Das Ende des Kalten Krieges hat den bundesdeutschen Diensten nur kurzfristig eine Krise beschert. Zwanzig Jahre danach verfügen sie über mehr Aufgaben und Befugnisse und sind besser mit den polizeilichen Sicherheitsbehörden vernetzt denn je – dank Anti-Terrorismus und einer militarisierten Außenpolitik, die deutsche Interessen und Sicherheit nicht nur am Hindukusch „verteidigen“ will. Die Gegenwart der drei (ehemals west-)deutschen Dienste wird trotz aller Skandale nicht hinterfragt, ihre Geschichte im Kalten Krieg ist – praktischerweise – vergangen. Letztere offen zu legen und den Betroffenen freien Zugang zu Akten und Daten einzuräumen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Redaktionsmitteilung weiterlesen