Archiv der Kategorie: CILIP 094

(3/2009) Der sicherheitsindustrielle Komplex

„Nur eine Erde“ – Satellitengestützter „Kampf gegen illegale Einwanderung“

von Initiative ziviles Bremen

Bei der Abwehr „illegaler“ Migration setzt die EU auch auf Satellitentechnologie. Mit Global Monitoring for Environment and Security (GMES) hat sie ein Großprogramm zur Vernetzung von Erdüberwachungssatelliten gestartet, an dem die EU-Grenzschutz­agentur FRONTEX mitarbeitet. Die weltraumgestützte Überwachungstechnologie stammt aus Bremen.[1]

Das Global Monitoring for Environment and Security (GMES) ist ein EU-Programm, in dessen Rahmen bestehende Erdbeobachtungssysteme vernetzt und neue Satelliten ins All geschossen werden sollen. Im Rahmen ihres Forschungsrahmenprogramms (FP) 7 hat die EU beschlos­sen, dafür bis 2013 jährlich 200 Millionen Euro zu investieren. In ihren Veröffentlichungen betont sie vor allem die ökologische Seite des Projekts. Die Beobachtung der Polkappen, der Entwicklung möglicher Flutwellen oder der Versteppung wird als notwendige Grundlage für ein wirksames Vorgehen gegen die Klimakrise gepriesen. „Wir haben nur eine Erde.“ So bewirbt etwa das Land Bremen sein GMES-Engagement.[2] „Nur eine Erde“ – Satellitengestützter „Kampf gegen illegale Einwanderung“ weiterlesen

Entwicklungsauftrag „Zivile Sicherheit“ – Metamorphose und Symbiosen deutscher Wehrforschung

von Eric Töpfer

Mit mehr als 123 Millionen Euro fördert die Bundesregierung parallel zur EU die Sicherheitsforschung. In dem Programm ist viel von Bevölkerungsschutz und „ziviler Sicherheit“ die Rede. Nukleus des neuen Forschungsfeldes waren aber Einrichtungen, die dem Militär nahe standen. Angesichts schrumpfender Förderetats haben sie nun neue Verbündete mobilisiert.

„In Abstimmung mit meinem Kollegen, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, habe ich die Federführung für eine nationale Strategie zur zivilen Sicherheitsforschung übernommen.“ Mit diesen Worten kündigte Bundesforschungsministerin Annette Schavan am 4. Juli 2006 ein 100-Millionen-Euro-Förderprogramm an. Die Begründung ihrer Initiative hat zwei Seiten. Erstens beschwört sie „neue Bedrohungen“, warnt vor der Verwundbarkeit der „zentralen Lebensnerven unserer Gesellschaft“ und erweitert so unser Verständnis von Sicherheit: „Wir müssen nach innovativen Lösungen für diese neuen Herausforderungen suchen … Denn Sicherheit hängt vom Vorsprung in Forschung und Wissenschaft und der Umsetzung in Organisation und Technologie ab.“ Entwicklungsauftrag „Zivile Sicherheit“ – Metamorphose und Symbiosen deutscher Wehrforschung weiterlesen

„fdGO“: eine Formel für die Ewigkeit – Über die Konitinuität der staatsschützerischen Prämisse

Ohne sie näher zu bestimmen, spricht das Grundgesetz von der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (fdGO). Die politischen und gesellschaftlichen Wandlungen der letzten sechzig Jahre hat diese Formel unbeschadet überstanden: sie taugt mehr denn je dazu, politisch Unliebsames außerhalb „un­serer“ Gesellschaft zu stellen.

Schon früh in den 50er Jahren wurden in der Bundesrepublik Deutschland die Spurweite des „Schutzes der verfassungsmäßigen Ordnung“ und die Art, wie diese Geleise gegen „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ zu befahren waren, festgelegt. Sie sind ins heute Vorbewusste abgesackt. Wer sie infrage stellt, steht schnell im Geruch der Verfassungsfeindlichkeit. Die Motivations- und Artikulationsbasis dieses Schutzes, die „wehrhafte“ („streitbare“, „abwehrbereite“) „Demokratie“ und ihre scheinbare Evidenz, immunisiert gegen alle Zweifel. Neue Gefahren für Grundrechte und Demokratie, wie sie gegenwärtig im Kontext von Globalisierung und Neuen Technologien heraufziehen, brauchen nicht zu kümmern. Sie werden allenfalls wie neuer Wein in alten Schläuchen, sprich im Sinne eines Verfassungsbestandsfixums, behandelt. Die immer neu zu stellende Frage nach den „konstitutiven Elementen einer Vergesellschaftung vom Typus ‚freiheitliche Demokratie‘“[1] wird angstvoll und zugleich aggressiv unterdrückt. „fdGO“: eine Formel für die Ewigkeit – Über die Konitinuität der staatsschützerischen Prämisse weiterlesen

Eine besondere Wirtschaftsförderung – Vom Militärisch- zum Sicherheitsindustriellen Komplex?

von Heiner Busch

Nicht nur die USA, sondern auch die EU und ihre Mitgliedstaaten investieren große Summen in Programme zur Erforschung neuer Sicherheitstechnologien. Staat und Wirtschaft müssten angesichts drohender Gefahren zusammenarbeiten, lautet die Parole.

Dass der Begriff „militärisch-industrieller Komplex“ sich in der politischen Diskussion festsetzen konnte, verdanken wir einem Weltkriegsgeneral, der in der Hochphase des Kalten Kriegs das Amt des US-Präsi­denten bekleidete. In seiner Abschiedsrede im Januar 1961 warnte Dwight D. Eisenhower vor dieser „Verbindung eines riesigen militärischen Establishments und einer großen Rüstungsindustrie“, deren Einfluss auf allen politischen Ebenen spürbar sei.[1] Zur Abschreckung poten­zieller Aggressoren seien die USA gezwungen gewesen, nicht nur einen großen militärischen Apparat, sondern auch eine „permanente Waffenindustrie“ aufzubauen und diese auch nach dem Weltkrieg aufrecht zu erhalten. Aber: „Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet.“ Die Hoffnung Eisenhowers auf eine Balance zwischen dem militärisch-industriellen Komplex und „unseren friedliebenden Methoden und Zielen“ wurde nicht erfüllt – das Wettrüsten ging ungebremst weiter. Eine besondere Wirtschaftsförderung – Vom Militärisch- zum Sicherheitsindustriellen Komplex? weiterlesen

In den Fußstapfen von Uncle Sam: Sicherheitsindustrie, Sicherheitsforschung in der EU

von Ben Hayes

Nach US-amerikanischem Vorbild investiert auch die EU Unsummen in die Erforschung neuer Sicherheitstechnologien. Davon profitiert vor allem die Rüstungsindustrie.

Nach dem 11. September 2001 unterzog die Bush-Regierung die Struktur der bundesstaatlichen Institutionen der USA einer radikalen Revision. Mit dem Department of Homeland Security (DHS) entstand ein Superministerium mit mächtigen nachgeordneten Behörden wie der neuen U.S. Customs and Border Protection. Gleichzeitig installierte die Administration eine „Drehtür“ zwischen ihren Entscheidungsträgern und der im Entstehen begriffenen Heimatschutzindustrie, die von Unternehmen do­miniert wird, die zuvor von Rüstungsaufträgen des Pentagon profitiert hatten.[1] Sowohl Tom Ridge, Bushs erster Heimatschutzminister, als auch sein Nachfolger Micheal Chertoff gründeten nach dem Ende ihrer Amtszeit Beratungsfirmen (Ridge Global, Chertoff Group) und versuchen damit ein Stück des Sicherheitskuchens zu ergattern, dessen Volumen größer sein dürfte als die Umsätze von Hollywood und der Musikindustrie zusammen.[2] In den Fußstapfen von Uncle Sam: Sicherheitsindustrie, Sicherheitsforschung in der EU weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Marion Knorr

Dezember 2003

09.12.: Rolf Klemens Wagner frei: Der wegen seiner Beteiligung an der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer zu lebenslanger Haft verurteilte Ex-RAF-Mann Wagner wird nach 24 Jahren begnadigt und aus der Haft entlassen.

11.12.: Todesschüsse in Rheurdt/Krefeld: Zwei wegen eines Nachbarschaftsstreits alarmierte Polizisten erschießen einen 32-jährigen Drogenabhängigen. Nach anfänglicher Weigerung zu öffnen, habe der Mann abrupt die Tür aufgerissen und die Beamten mit einem Messer bedroht. Nach ersten Angaben haben diese insgesamt zehnmal geschossen. Chronologie weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Dass sie große Publizität suchen, kann man den Akteuren des „sicherheitsindustriellen Komplexes“ nicht vorwerfen. Das Zusammenwirken von staatlichen Förderprogrammen, Forschungseinrichtungen in öffentlicher oder privater Trägerschaft, Herstellern von Sicherheit versprechenden Gütern und Dienstleistungen und den Anwendern, die sich von privaten Sicherheitsfirmen über das gesamte Spektrum staatlicher Sicherheitsagen­turen – einschließlich des Militärs – erstrecken, vollzieht sich vielmehr jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit. Massiv mit Steuermitteln gefördert, legitimiert mit verschiedensten Bedrohungsszenarien (vom Klimawandel über ungewollte Migration bis zu terroristischen Großanschlägen) und verknüpft mit dem Bestreben, im Wettbewerb um den globalen Sicherheitsmarkt ganz vorne zu stehen, entwickelt Europa gegenwärtig eine Infrastruktur der Überwachung, die vom Weltall (Satelliten) bis in die Erbsubstanz (DNA) reicht, die die menschliche Kommunikation (Telefon, Internet, Lauschangriffe) und die Bewegung (Ortung, IMSI-Catcher, RFID, Flugdaten) ebenso umfasst wie Identitätsprüfung oder Zugangskontrollen (Biometrie, IRIS-Scan), die Aufdeckung gefährlicher Substanzen und abnormaler Verhaltensmuster. Der Hightech gestützte Sicherheitsmarkt verspricht den einen Profite, den anderen zusätzliche Kontrollpotentiale. Zum bürgerrechtlichen Glück liegen noch immer Welten zwischen den hochfliegenden Versprechungen und der Wirklichkeit. Aber selbst wenn nur wenig von dem gelingt, woran der sicherheitsindustrielle Komplex gegenwärtig laboriert, graut einem vor der „gesicherten“ Zukunft. Literatur weiterlesen

Von der Fiche zum Informationssystem – Der Schweizer Staatsschutz seit dem Fichenskandal

von Viktor Györffy

Im November 1989, kurz nach dem „Mauerfall“, flog in der Schweiz der Fichenskandal auf. Dieser zwang den Staatsschutz, sich von seiner alten Praxis zu verabschieden, und bildete gleichzeitig die Basis für dessen Erneuerung.

Am Anfang steht ein Anruf der damaligen Bundesrätin Elisabeth Kopp bei ihrem Ehemann, einem bekannten Zürcher Wirtschaftsanwalt. Die Justiz- und Polizeiministerin hat Wind bekommen von Geldwäsche-Ermittlungen gegen eine Firma, in deren Verwaltungsrat auch ihr Gatte sitzt. Sie bittet ihn, umgehend aus dem Gremium auszutreten. Als das Telefongespräch durch eine Indiskretion öffentlich bekannt wird, muss die Bundesrätin den Hut nehmen. Am 31. Januar 1989 wird eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt, die die Amts­führung des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) durchleuchten soll. Von der Fiche zum Informationssystem – Der Schweizer Staatsschutz seit dem Fichenskandal weiterlesen