Archiv der Kategorie: CILIP 052

(3/1995) Parlamentarische Kontrolle von Polizei und Geheimdiensten

Geheimdienstkontrolle durch die Milchglasscheibe – Die erfolgreiche Behinderung von ‚Transparenz‘

von Otto Diederichs

In den ersten Nachkriegsjahren unterstanden die neu entstandenen bundesdeutschen Geheimdienste ausschließlich der Verantwortung des Bundeskanzlers. Erst 1956 setzten die Bundestagsfraktionen bei Konrad Adenauer (CDU) die Einrichtung eines ‚Vertrauensmännergremiums‘ durch. Es sollte insbesondere die Tätigkeit des im Vorjahr von ‚Organisation Gehlen‘ (1945-55) in ‚Bundesnachrichtendienst‘ (BND) umbenannten Auslandsgeheim-dienstes kontrollieren. Im Laufe der Jahre stieg die Mitgliederzahl des Gremiums von zunächst 5 auf 13 Abgeordnete. Von einer Kontrolle konnte dennoch ernsthaft keine Rede sein: Das Gremium blieb ohne rechtliche Regelungen und trat nur auf Einladung des Kanzlers oder eines von ihm beauftragten Regierungsmitgliedes zusammen. Worüber und wie ausführlich berichtet wurde, bestimmte ausschließlich die Bundesregierung. Geheimdienstkontrolle durch die Milchglasscheibe – Die erfolgreiche Behinderung von ‚Transparenz‘ weiterlesen

Die „Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse“ zu Polizei und Geheimdiensten in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Chronologie

zusammengestellt von Otto Diederichs

Seit Bestehen der Bundesrepublik sind bislang in 60 Fällen Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUA) zur Polizei und den drei Geheimdiensten (West) eingesetzt worden (davon etwa die Hälfte zu Geheimdienstskandalen), allein fünf in diesem Jahr. In weiteren 10 Fällen befaßten sich die Ausschüsse mit Fragen des einstigen ‚Ministerium für Staatssicherheit‘ der ehemaligen DDR. Ausgenommen einen Fall aus Berlin der am Rande auch Polizeifragen behandelt (1960, Kurzbezeichnung: Staatsanwaltschaft) wurden PUAs zur Justiz nicht in die Chronologie aufgenommen. Angegeben sind jeweils das Datum der Ausschußeinsetzung und die Veröffentlichung des Abschlußberichtes (incl. Drucksachennummer). Jüngere Berichte können unter dieser Nummer bei den jeweiligen Landtagen oder beim Bundestag bestellt werden. Alle Berichte sind zudem in den Bibliotheken der Länderparlamente einzusehen. Die „Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse“ zu Polizei und Geheimdiensten in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Chronologie weiterlesen

Zur Kontrolle der nordirischen Polizei – Bestandsaufnahme und Ausblick

von Birgit Schippers

Mit der Erklärung eines Waffenstillstandes durch die Irisch-Republikanische Armee (IRA) Ende August 1994 erhält die schon seit langem geführte Debatte um die Kontrolle der nordirischen Polizei, der ‚Royal Ulster Constabulary‘ (RUC), erstmals Perspektiven auf wirkliche Veränderungen. Während Forderungen nach einer Auflösung der RUC, die vor allem aus dem nationalistisch-repu-blikanischen Spektrum und von Teilen der Bürgerrechtler erhoben werden, äußerst umstritten sind, scheint in weiten Teilen der Gesellschaft zumindest darüber Konsens zu bestehen, daß aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit eine effektive Kontrolle der Polizei Bestandteil jeder neuen Regelung sein muß. Zur Kontrolle der nordirischen Polizei – Bestandsaufnahme und Ausblick weiterlesen

Gemeindebezogene Polizeiarbeit (Community Policing) in Großbritannien – Historische Entwicklung und Kritik

von Phil Scraton

Am 9. Juli 1829 trat der ‚Metropolitan Police Act‘ in Kraft und leitete die Einrichtung der ersten regulären Berufspolizei Britanniens ein. Damit endeten Jahre einer öffentlichen Kontroverse über die Errichtung eines zivilen Polizeidienstes. Die ersten offiziellen Anweisungen an die Polizisten betonten die „Verhinderung von Verbrechen“ gegenüber einer reaktiven Anwendung der Gesetze. Zu diesem Zweck wurden die Polizisten angehalten, mit den Gemeinden (Communities), in denen sie tätig waren, eng zu ko-operieren. Einer der ersten Polizeichefs, Charles Rowan, formulierte dies so: „Die Macht der Polizei ihre Aufgaben und ihre Funktion zu erfüllen, hängt von der öffentlichen Zustimmung zu ihrer Existenz, ihren Handlungen, ihrem Verhalten und von ihrer Fähigkeit ab, dem öffentlichen Wohl zu dienen und sich öffentlichen Respekt zu verschaffen.“

Ganz ohne Zweifel ist das 19. Jahrhundert die Epoche, in der in Großbritan-nien die Polizei ihre formale Präsenz ausbauen und ihre Kraft als zivile Macht konsolidieren konnte. Gemeindebezogene Polizeiarbeit (Community Policing) in Großbritannien – Historische Entwicklung und Kritik weiterlesen

Summaries

An Editorial Comment
by Otto Diederichs
The re-creation of secret services, euphemistically termed secret intelligence services in the language of the political arena in Germany, took place in post-war Germany (both East and West) with remarkable celerity. Establishing control mechanisms for these agencies proved considerably more difficult. It wasn’t until 1956 that the parties of Germany’s Bundestag succeeded in forcing Chancellor Adenauer (CDU) to accede to the creation of a so-called „Body of Confidential Men“ which was subsequently informed about selected secret service matters on a completely sporadic basis. From this body today’s parliamentary control bodies finally evolved under numerous difficulties. (In the former GDR, for instance, no control beyond the state party SED (Socialist Unity Party) ever came into existence.) Yet, how effective can such parliamentary control bodies which are forced – with the exception of a few domestic affairs committees – to meet exclusively in closed session be at all? This special issue of CILIP attempts top deal with these questions. Summaries weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

1978 erschien die Null-Nummer von Bürgerrechte & Polizei/CILIP; das ist nunmehr stolze 18 Jahre her – und wir würden diesen Zeitraum gerne verdoppeln (oder mehr). Das allerdings kann gegenwärtig nicht als gesichert gelten: Nachdem der bisherige Sponsor sein finanzielles Engagement leider zum Jahresende 1994 eingestellt hat, ist das ‚Institut für Bürgerrechte & öf-fentliche Sicherheit e.V.‘ als Herausgeber in arge Schwierigkeiten geraten. Die Mitgliedsbeiträge und Spenden an den Förderverein können die anfallenden Kosten auf Dauer allein nicht tragen. Hinzu kommt, daß die anhaltende Entpolitisierung in der Gesellschaft offenbar auch vor den LeserInnen dieses Informationsdienstes nicht halt macht: Die Auflage sinkt! Langsam zwar, aber stetig. Das vergangene Jahr war somit für Bürgerrechte & Polizei/CILIP eine harte ‚Durststrecke‘, und das weitere Erscheinen über dieses Heft hinaus ist nicht gesichert. Zwar zeigt sich derzeit ein schwacher Silberstreif am Horizont, daß es evtl. in 1996 doch weitergehen könnte, sicher jedoch ist momentan noch nichts. Die nächsten Wochen werden hier in jedem Fall die Entscheidung bringen (müssen) – so oder so! Unsere AbonnentInnen werden es rechtzeitig erfahren. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Parlamentarische Kontrolle der ‚Dienste‘ – Einige thesenförmige Erwägungen

Die Frage, wer kontrolliert die Kontrolleure, begleitet alle Herrschaften von Anfang an. Quis custodiet custodem – wer soll denn wie über die Wächter wachen – fragten schon die verfassungskundigen Römer. Für den modernen Staat gilt diese alte Frage in besonderem Maße. Er, dieser moderne Staat beansprucht das „Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit“ (Max Weber) als ureigenes Instrument; er empfängt aus der inneren und äußeren Sicherheitsleistung seine hauptsächliche Legitimation. Handelt es sich bei diesem Staat auch noch um einen demokratischen Verfassungsstaat, muß er die dringliche Frage in seiner Verfassung normativ und verfassungswirklich klar und deutlich beantworten.

Dieses Erfordernis wächst, wenn der Schutz, den der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern angedeihen läßt, im Dunkeln geschieht. Wie kann gewährleistet werden, daß aus solchem Dunkel nicht staatlich selbstproduzierte Gefahren für bürgerliche Rechte und bürgerliche Sicherheit erwachsen, das Instrument der Sicherung selbst zur Gefahr für das zu Sichernde wird? Parlamentarische Kontrolle der ‚Dienste‘ – Einige thesenförmige Erwägungen weiterlesen

Literatur

Literatur zum Schwerpunkt

Wenn man schon kaum etwas über die Arbeit der Geheimdienste erfahren darf, so wäre doch für ein demokratisches Gemeinwesen zu erwarten, daß zumindest die Chance bestünde, sich darüber informieren zu können, wie, mit welchen ‚Erfolgen‘ und Konsequenzen die StellvertreterInnen des Wahlvolkes die ihnen übertragene Kontrolle jener Dienste verrichten. Doch auch diese Hoffnung wird gründlich enttäuscht, die Kontrolle geschieht so geheim, wie die Dienste ihre Arbeit verrichten. Bereits an einer veröffentlichten Darstellung der gegenwärtigen rechtlich-institutionellen Kontrolleinrichtungen und Verfahren mangelt es. Zum „Recht der Geheimdienste“ kann deshalb nur auf ältere Kommentare hingewiesen werden:
Borgs-Maciejewski, Hermann/Ebert, Frank: Das Recht der Geheimdienste, Stuttgart u.a. 1986
Roewer, Helmut: Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, Köln u.a. 1987
Beide Werke sind veraltet, denn seit ihrem Erscheinen ist das bundesdeutsche Geheimdienstrecht mehrfach novelliert und erweitert worden. Ohne aktuelle Nachfolger bleiben beide Kommentare jedoch für die allgemeine Orientierung über die rechtliche Normierung der Apparate und deren Kontrolle wichtig. Wer sich über den aktuellen Stand informieren will, ist auf die neueren Gesetzestexte selbst sowie ggf. die Begründungen in deren Entwürfen angewiesen. Literatur weiterlesen